Dieses Jahr aber scheint es, als würde sich die
allgemeine Rolle des „Favoriten“ nur langsam manifestieren. Klar, auch 2019 ist
Liverpool wieder ganz vorne dabei, ist dabei aber noch weit weg von der Form
des Frühlings, als man alles und jeden wegschießen konnte. Von City gar nicht
erst zu reden, denn die sind irgendwo auf den hinteren Rängen gefangen. Auch in
anderen europäischen Ligen sieht es kaum anders aus – die selbsternannten
Favoriten fangen früh an mit der Herbstdepression. Kann es etwa sein, dass es
ein regelrechtes Favoritensterben gibt?
Gute Zeiten erschaffen faule Menschen
Wer sich nicht oft und stetig neu erfindet, der bleibt
sich nicht treu, wie das Sprichwort lautet. Im Fußballkontext lautet das in
etwa so: neue Spieler und Anreize braucht ein Verein. Nun gut, Liverpool ist
immer noch unangefochten an der Spitze und sollte es wohl dieses Jahr endlich
mal auf die Beine bringen, die Meisterschaft einzufahren. Aber souverän sieht
anders aus. Auch hier in Deutschland stehen die Dinge längst nicht mehr so gut für den
Rekordmeister. Das Dauer-Abo auf die Meisterschaft in der Bundesliga scheint
vielleicht aufgebraucht zu sein, denn was man diese Saison bislang auf dem Grün
sieht, lässt erschrecken. Kann es eventuell damit zu tun haben, dass man nach
sieben Meisterschaften in Folge ein wenig müde geworden ist? Oder dass man es
versäumt hat, der Mannschaft einen neuen Anstrich zu geben? Denn Erfolg mit
einer (zu) langen Anbetung der Asche kann gewöhnlich dafür sorgen, dass Spieler
müde und träge werden und sich nicht mehr motivieren können. Gute Trainer
können hier den Unterschied machen, aber gute Trainer sind auch oft schwer zu
finden. Neben England und Deutschland kann man übrigens auch die
Meisterschaften in Frankreich und Spanien ähnlich betrachten. Denn hier scheint
das Hauptaugenmerk immer mehr auf die internationalen Pokalwettbewerbe zu
gehen. Das ist zwar nur verständlich, denn auf jeder Fußballwette hier wird mehr Fokus auf
Champions League und Europe League gesetzt. Allerdings ist es manchmal schwer,
den eigenen Fans dies verständlich zu machen.
Mehr Spaß in den Stadien
Das alles ist jedoch nur eine Seite der Geschichte. Denn strauchelnde Favoriten
haben auch immer zur Konsequenz, dass es andere Mannschaften gibt, die den
großen Wurf schaffen könnten. Das sieht man aktuell in der Beletage des
deutschen Fußballs, wo sich Gladbach und auch Wolfsburg ernsthafte Gedanken um
die Spitze machen. Ob sie sich über die Dauer einer ganzen Saison oben halten
können sei mal dahingestellt. Allerdings werden die Wochenenden endlich wieder
spannender, weil scheinbar jeder jeden schlagen kann. Sollte Fußball nicht
genau so sein? Die vergangenen Jahre waren in den großen fünf Ligen mit
Ausnahme von England leider meist sehr vorhersehbar, sodass die
Meisterschaftsfrage bereits im April beantwortet war. Volle Konzentration ging
dann bei den Vereinen nur noch für internationale Partien, allerdings waren
auch diese zu oft zu eindeutig.
Wo ist sie hin, die Fußballromantik?
Hat der Fußball ein wenig seiner Spielfreudigkeit eingebüßt, als er Sponsoren
und Investoren die Tür geöffnet hat? Fußballromantiker werden dem zustimmen,
allerdings haben diese in den vergangenen Jahren auch nicht immer allzu viel zu
lachen gehabt. Der Fußball wird stets kommerzieller, was sich zwar nicht
aufhalten lässt. Aber zumindest ein Gespür für den normalen Fan sollten die
Entscheidungsträger und Investoren weiterhin besitzen. Denn was passiert, wenn
man ein Spielzeug fallen lässt, kann man am Beispiel AS Monaco sehr gut sehen,
die seit einigen Jahren in Frankreich nicht mehr um Titel, sondern um den
Verbleib in der Liga kämpfen, finanzieller Sorgen sei Dank.
Für normale Fans aber ist die Tatsache, dass sich die Favoriten dieses Jahr doch recht schwertun, mehr Segen als Fluch. Denn das
bedeutet, man kann sich die ganze Spielzeit über auf intensive Spiele und enge
Geschichten einstellen. Ob die Bayern am Ende wieder Meister werden oder nicht,
mag dann zweitrangig sein. Solange die Saison ausgewogen ist und alle eine echte
Chance haben, sollte das passen. Fußball muss weiterhin von Emotionen leben.
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