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Artikel veröffentlicht am 07.03.2017 um 10:11 Uhr
BFV-Verbands-Sportgericht: Ein Urteil gegen Sexismus auf dem Sportplatz
Das Sportgericht Bayern hat auf die "herabwürdigenden und diskriminierenden" facebook-Kommentare gegenüber einer Schiedsrichterin reagiert und den Betroffenen wegen unsportlichen Verhaltens mit einer Geldstrafe von 300 Euro belegt. Auch die Berufung via Anwaltsschreiben wurde mittlerweile durch das BFV-Verbands-Sportgericht durch ein Grundsatzurteil zurückgewiesen.
Von TW / MG

Man darf es getrost als Grundsatzurteil verstehen, wenn fünf Richter sich einer Berufung annehmen und erstmalig einen Fall behandeln, der im Zeitalter der sozialen Netzwerke eine Position des Sportgerichts notwendig macht. Kurios nebenbei die Tatsache, dass dies ein Vereinsmitglied betrifft, der sich über eine Partie ohne Beteiligung des eigenen Vereins äußerte.


Das Sportgericht Bayern reagierte auf Äußerungen von Dieter Rebel via facebook gegen die Schiedsrichterin im Nachgang des Landesliga-Spiels des FSV Erlangen-Bruck gegen den TSV Kornburg vom 1. Oktober 2016. Der Verbandsanwalt hatte eine Sanktionierung von 300 Euro beantragt und das Sportgericht schloss sich der Meinung an, dass "in diesem Fall eine empfindliche Sanktionierung unvermeidlich" sei.


Im Urteil vom 21. Dezember 2016 begründete das Sportgericht:
"Herr Dieter Rebel, zum Tatzeitpunkt und darüber hinaus Mitglied des SV Seligenporten, kommentierte die Leistung der Schiedsrichterin in obigem Spiel öffentlich in einem weithin bekannten sozialen Netzwerk mehrfach in hämischer und gegenüber Frauen herabwürdigender und diskriminierender Art und Weise in einer Form, die jeglichen sportlichen Anstand vermissen ließ und geeignet war, das Schiedsrichterwesen im Frauenbereich massiv herabzuwürdigen."


Am 1. März 2017 wurde im BFV-Verbands-Sportgericht über die Berufung gegen das Urteil vom 21.12.2016 verhandelt und diese als unbegründet zurückgewiesen und ihm auch die Kosten des Verfahrens in Höhe 60,90 Euro und die Berufungsgebühr in Höhe von 203 Euro auferlegt. Außerdem muss das Honorar des beauftragten Rechtsanwalts getragen werden.


Die rechtlich maßgeblichen Passagen der siebenseitigen Urteilsbegründung hat für fussballn.de Rechtsanwalt Thomas Wedel herausgefiltert:  


Prinzipiell unterlag Dieter Rebel weiterhin der Strafgewalt der Sportgerichte des BFV, da Rebels Kündigung der Mitgliedschaft beim SV Seligenporten - wie das Sportgericht anhand der Vereinssatzung feststellte - erst zum 30.6.17 wirksam wird.


Die Berufung geht rechtsirrig davon aus, dass die von Dieter Rebel geposteten Inhalte von der Meinungsfreiheit gedeckt sind, keinen Straftatbestand erfüllen und deshalb kein unsportliches Verhalten darstellen. Die Einordnung eines Verhaltens als "unsportliches Verhalten" muss nicht zwangsläufig deckungsgleich mit den Tatbestandsvoraussetzungen eines Straftatbestands sein. Vielmehr gewährt das Grundrecht des Art.9 GG als Wesensmerkmal des Rechts zur Gründung von Personenvereinigungen den Verbänden und Vereinen auch das Recht zur autonomen Gestaltung der inneren Verfassung eines Vereins. Hierzu gehört als elementare Grundlage auch das Recht zur eigenen Rechtssetzung, insbesondere auch durch die Definition eigener Verbands-Straftatbestände. In diesem Rahmen ist die Einordnung eines bestimmten Verhaltens als "unsportliches Verhalten"  durch die zuständigen Verbandsinstanzen seit jeher allgemein anerkannt.


Vor diesem Hintergrund stellen die oben genannten Verhaltensweisen des Dieter Rebel (u.a. facebook-Posts wie: "es wird immer schlimmer, jetzt pfeifen die Weiber bereits in der Herren-Landesliga, grauenvoll") grob verunglimpfende bzw. diffamierende und diskriminierende Äußerungen dar.


In Bezug auf die Schiedsrichterin Annette Hanf, welche als "Weib" tituliert wird, beinhaltet diese herabsetzende und ehrverletzende Äußerung eine Missachtung ihrer Person. Hierbei ist der Gesamtzusammenhang des Chat zu beachten, welcher einen abwertenden Charakter gegenüber Schiedsrichterinnen allgemein und gegenüber der Schiedsrichterin Hanf im Besonderen und eine verkrustete Ansichtsweise der Geschlechterrollen widerspiegelt.


Die Äußerungen verstoßen mithin unzweifelhaft gegen die der Satzung und den Ordnungen des BFV innewohnende Werteordnung. Auch unter Berücksichtigung der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit führt die hier vorzunehmende Güterabwägung zu keinem anderen Ergebnis. Die Sanktion dient nicht nur dem Schutz der einzelnen Schiedsrichterin Annette Hanf, sondern gleichermaßen allen Frauen im bayerischen Fußballsport, sei es als Schiedsrichterin oder sei es als Spielerin. Die grundsätzliche Anerkennung der Gleichberechtigung der Frauen sowie die Verwirklichung der Chancengleichheit ist im BFV fest verankert. Angriffe gegen diese Grundsätze müssen daher durch die Entscheidungen der Sportgerichte abgewehrt und hierdurch diskriminierenden Verhaltensweisen entschieden entgegengetreten werden.


Annette Hanf (die bei den Frauen ja immerhin Spiele der 2. Bundesliga leitet und Assistentin in der 1.Bundesliga ist) hat dazu folgende Stellungnahme abgegeben:


"Ich freue mich sehr für alle Schiedsrichterinnen in Bayern über dieses Urteil, weil es beweist, dass der BFV hinter uns Regelhüterinnen steht und Sexismus am Sportplatz keinen Platz einräumt. Ich, wie jede andere Schiedsrichterin übrigens auch, absolviere jährlich die gleichen Tests wie meine männlichen Kollegen, sei es sportlich oder regeltechnisch, und ich unterstehe den exakt gleichen Beobachtungskriterien. Hier gibt es in meinen Augen also keinen Grund für Kritik, "nur" weil ich eine Frau bin. Deshalb ist auch für mich als Person das Urteil eher nebensächlich. Ich weiß, dass Herr Rebel nicht am Sportplatz war und seine Äußerungen einzig und allein auf mein Geschlecht zurückzuführen sind. Traurig aber leider wahr und sicher kein Einzelfall - und das im 21. Jahrhundert!"


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