VfL sauer auf BFV-Bürokratie: "Die Regenjacken können sie sich sparen" - fussballn.de
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Artikel veröffentlicht am 06.04.2016 um 10:08 Uhr
VfL sauer auf BFV-Bürokratie: "Die Regenjacken können sie sich sparen"
Der irakische Flüchtling Nihad Al Janabi hat bereits vier Spiele für den VfL Nürnberg gemacht, sowohl in der Kreisklasse als auch in der A-Klasse. Doch bis dahin war es nicht nur für ihn ein weiter Weg. Die Sportliche Leitung des VfL klagt über die Verfahren des Verbandes, so ist viel Zeit vergangen, bevor die Spielberechtigung vorlag. Nihad hingegen hat nun den Bescheid bekommen: Er muss Deutschland verlassen.
Von Simon Kögel
Ingo Ranzenbacher
VfL

Am 16. Juli 1949 gründeten etwa 30 Sportbegeisterte den FC Langwasser - die meisten von ihnen waren Vertriebene aus Schlesien und Flüchtlinge. Durch die Fusion mit dem VfB Langwasser entstand 1962 der heutige VfL Nürnberg. "Allein aus dieser Geschichte heraus sehen wir uns gegenüber den Flüchtlingen auch in der heutigen Zeit verpflichtet", so Fußball-Abteilungsleiter Willi Windirsch.


Im Zuge des Flüchtlingsstroms sind in Langwasser im vergangenen Jahr drei Gemeinschaftsunterkünfte an der Breslauer Straße, unweit des VfL-Sportzentrums, eingerichtet worden. "Wir haben uns gleich zusammengesetzt und überlegt, was wir den jungen Frauen und Männern anbieten können", so Schriftführer Ingo Ranzenbacher.


Nach und nach sind Sportangebote und Mitmachstunden entstanden. So können die jungen Männer zweimal die Woche nachmittags zum Fußballtraining kommen, welches von zwei lizenzierten Trainern geleitet wird. "Da ist sicherlich nicht jeder der neue Messi", sagt Ranzenbacher mit einem Schmunzeln, "aber es geht doch darum, dass sie Ablenkung finden können."


In der Jugend spielen bereits über 15 Jungs mit, die sich hervorragend integriert haben. Bei den Herrenmannschaften gestaltet sich das schon etwas schwieriger, zwar haben die Verantwortlichen schon für sieben von acht Flüchtlingen eine Spielerlaubnis bekommen, dennoch ist der Erhalt einer solchen ein aufwändiges Verfahren. Da die meisten Flüchtlinge, die hier Fußball spielen wollen, dies bereits in ihrer Heimat getan haben, muss der abgebende Verein um Zustimmung gebeten werden. Dafür hat der ausländische Verein 30 Tage Zeit - Rückmeldungen aus den Krisenregionen kommen aber selten bis gar nicht. "Die haben dort bestimmt gerade andere Sorgen, als einen Wechsel zu bestätigen", so Ranzenbacher. In den 30 Tagen der Wartefrist dürfen die betroffenen Spieler aber keineswegs in Spielen mitwirken - nicht einmal bei Test- und Freundschaftsspielen. 


Wenn die Wartefrist anschließend verstrichen ist, wird vom BFV gegen eine Gebühr in Höhe von 50,75 Euro ein Pass ausgestellt. "Nicht einmal die Gebühr übernimmt der Verband. Da können die sich die Regenjacken und die tollen Integrationskampagnen sparen, wenn am Ende die Basis diese Kosten übernehmen muss", schimpfte Ranzenbacher in Richtung des Verbandes. Erst wenn der Pass oder die Spielerlaubnis vorliegt, dürfen die Flüchtlinge dann auch in den Spielen eingesetzt werden.

Nihad Al Janabi
Am vergangen Sonntag durfte sich Nihad Al-Janabi sogar in die Torschützenliste eintragen. Bei der 1:3-Niederlage der zweiten Mannschaft beim SC Germania II steuerte er den VfL-Treffer bei.
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Die Problematik, dass ein "Internationaler Freigabeschein" als Bestätigung aus dem Heimatland durch die FIFA zwingend vorgeschrieben ist, ist dem BFV durchaus bewusst und dieser bittet auf seiner Homepage um Verständnis ob der langen Wartezeiten: "Die Bestätigung des Herkunftslandes ("internationaler Freigabeschein") soll sowohl bei Kindern als auch Erwachsenen verhindern, dass unrechtmäßige Spielberechtigungen erschlichen werden können. Es gibt also grundsätzlich gute Gründe für die Regelung der FIFA, allerdings wird die Flüchtlingssituation dabei aktuell nicht berücksichtigt. Der BFV steht in der Sache deshalb immer vor dem gleichen Dilemma: Der Bayerische Fußball-Verband will nichts verhindern oder verzögern - im Gegenteil. Er muss sich aber an die Regelungen der FIFA halten. Es ist schlicht verboten, ohne die zwingend vorgeschriebene Bestätigung des bisherigen Landes eine Spielberechtigung auszustellen. Solange die Bestätigung nicht vorliegt, kann der BFV im Rahmen der 30-Tages-Frist also keine vorzeitige Spielberechtigung erteilen, denn die Statuten besagen, dass 30 Tage auf eine Antwort gewartet muss, bevor dann auch ohne Erklärung aus dem Herkunftsland die Spielerlaubnis erteilt werden darf."


Nihad Al Janabi kommt aus Bagdad im Irak und ist seit Oktober 2015 in Deutschland. Schnell haben er und ein paar Kumpels Anschluss beim VfL gefunden, so haben die Verantwortlichen auch die Spielerlaubnis beantragt und Ende Februar schließlich bekommen. Genau zwei Spiele hat er gemacht, bevor er am 24. März den Bescheid bekam, dass er die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen wieder verlassen muss. Er hat kein Anrecht auf Asyl. Am darauf folgenden Tag hat sich in der Nähe von Bagdad ein Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt und über 30 unschuldige Menschen mit in den Tod gerissen - ausgerechnet auf einem Fußballplatz.


Für Willi Windirsch und Ingo Ranzenbacher bleibt der Wunsch nach einem gemeinsamen Runden Tisch von betroffenen Vereinen, Vertretern des Verbandes und der Presse. "Es kann doch nicht sein, dass wir uns Gedanken machen, Sportstunden anbieten und am Ende die Leidtragenden sind", so Windirsch.

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