Bayer Leverkusen und Erik ten Hag: Zwischen Erbe und Entwurf - fussballn.de
Das Amateurfußballportal aus
der Region Nürnberg/Fürth
 
Artikel veröffentlicht am 28.05.2025 um 18:00 Uhr
Bayer Leverkusen und Erik ten Hag: Zwischen Erbe und Entwurf
ANZEIGE Ein Trainer tritt ins Licht – und in große Fußstapfen
Von JB
Xabi Alonso hinterlässt in Leverkusen nicht nur eine Mannschaft, die sich in die Geschichtsbücher der Bundesliga eingeschrieben hat, sondern auch eine Erwartungshaltung, die kaum zu überbieten scheint. Der baskische Coach führte Bayer 04 in der Saison 2023/24 nicht nur zum ersten Meistertitel der Vereinsgeschichte, sondern blieb dabei auch ungeschlagen – ein Kunststück, das in dieser Liga fast mythischen Charakter trägt.

Nun also Erik ten Hag. Ein Trainer, der in seinem Auftreten ebenso nüchtern wie akribisch erscheint – einer, der den Fußball lieber strukturiert als verklärt. Der Wechsel ist kein Bruch, eher ein Scharnier. Doch der Niederländer weiß: Wer dem Goldstandard folgt, steht unter besonderer Beobachtung.

Der Markt beobachtet mit Spannung

Dass Bayer Leverkusen mit Erik ten Hag ein Ausrufezeichen gesetzt hat, bleibt auch außerhalb der Fußballfachwelt nicht unbemerkt. Analysten, Medien und Top Wettanbieter bewerten die Chancen des Titelverteidigers hoch – auch, weil der Kader weitgehend zusammenbleibt und die Champions-League-Einnahmen Spielraum verschaffen.

Doch die Märkte reagieren nicht nur auf Fakten, sondern auch auf Geschichten. Die Erzählung, dass Leverkusen zum neuen Dauerbrenner werden könnte, hat begonnen. Ob sie tragfähig ist, hängt davon ab, wie schnell ten Hag sein System verankert – und wie gut er auf Rückschläge reagiert, wenn der perfekte Takt mal ins Stolpern gerät.

Vom Mittelbau zur internationalen Spitze

Ten Hag ist kein lauter Trainer, doch einer, der Spuren hinterlässt. In Utrecht formte er aus limitierten Möglichkeiten ein taktisch kluges Team. Bei Ajax Amsterdam kultivierte er den Ballbesitz, veredelte Talente wie Frenkie de Jong oder Matthijs de Ligt – und führte den niederländischen Rekordmeister bis ins Halbfinale der Champions League. Die Welt begann, über Amsterdam zu sprechen.

Es folgte der Ruf von Manchester United, jener „Sleeping Giant“, der mehr Baustelle als Fußballteam war. Ten Hag brachte Ordnung, gewann immerhin den League Cup und führte die Red Devils zurück in die Champions League – doch wirklich ruhig wurde es in Manchester nie. Sein Abschied geriet ebenso unspektakulär wie seine Amtszeit.

Leverkusen ruft – aber wonach?

Warum also Leverkusen? Der Klub hat sich in den letzten Jahren emanzipiert: von der Imagekrise als „Vizekusen“, vom Bayer-Konzern als dominierendem Akteur im Hintergrund, von der reinen Nachwuchsfabrik für die europäische Elite. Nun will man selbst gestalten, nicht nur liefern.

Ten Hag passt in dieses Bild. Er ist kein Visionär im Guardiola-Sinne, aber ein Manager, der denkt, plant, vernetzt. Einer, der eine Idee hat – und die Werkzeuge kennt, sie umzusetzen. Leverkusen will keine Ein-Saison-Sensation bleiben. Man will Strukturen schaffen, die tragen. Und genau darin liegt die Logik dieser Personalie.

Ein Blick auf das System

Ten Hags Fußball funktioniert wie ein Schweizer Uhrwerk – wenn die Rädchen greifen. Er bevorzugt das 4-2-3-1 oder ein asymmetrisches 4-3-3. Entscheidender als das System ist aber die Haltung: Kontrolle durch Passfolgen, Dominanz durch Raumaufteilung, Aggression im Gegenpressing. Seine Teams wirken oft so, als wollten sie nicht nur gewinnen, sondern auch die Bedingungen dafür diktieren.

In Leverkusen trifft er auf Spieler, die diesen Stil nicht nur adaptieren, sondern bereits verinnerlicht haben. Florian Wirtz, der vielleicht reifste Mittelfeldspieler seines Alters in Europa. Granit Xhaka, der mit schweizerischer Geduld und britischer Härte das Zentrum kontrolliert. Dazu Tempo auf den Flügeln, ein offensiv denkender Keeper, eine tief besetzte Bank. Die Werkzeuge sind vorhanden – die Abstimmung folgt nun.

Transfermarkt: Justierungen, keine Revolution

Anders als in Manchester kann ten Hag in Leverkusen auf ein funktionierendes Gefüge bauen. Die Gerüchteküche brodelt dennoch. Jonathan Tah steht vor einem Wechsel, womöglich ins Ausland. Kommt ein Nachfolger mit internationalem Format? Und was wird aus der Stürmerfrage – bleibt Victor Boniface verletzungsfrei, oder braucht es Plan B?

Ein Name, der immer wieder fällt: Donny van de Beek. Ein verlorener Sohn aus Ajax-Zeiten, dessen Karriere stockt. Leverkusen könnte für ihn Rehabilitationsort sein – vorausgesetzt, ten Hag will dieses Kapitel wieder öffnen. In jedem Fall wird gezielt nach Qualität gesucht – keine Quantität.

Jugendförderung: Philosophie trifft auf Geduld

Leverkusen versteht sich weiterhin als Talentschmiede – aber nicht mehr als reine Durchlaufstation. Der Kader ist jung, entwicklungsfähig, aber nicht naiv. Mit Adam Hložek, Zidan Sertdemir oder auch Noah Mbamba stehen vielversprechende Spieler bereit, die unter ten Hag eine präzisere Ausbildung erfahren könnten.

Der Niederländer arbeitet gerne mit jungen Spielern – aber nicht aus Ideologie. Er verlangt taktisches Verständnis, Disziplin und Lernfähigkeit. Wer mithält, wird gefördert. Wer nicht, fällt durch das Raster. In einer Liga, die zunehmend auf Tempo und Körperlichkeit setzt, wird die technische Ausbildung dabei zum entscheidenden Unterscheidungsmerkmal.

Die Konkurrenz bleibt wachsam

Die neue Saison verspricht Spannung. Der FC Bayern – mit Vincent Kompany als frischem Hoffnungsträger – wird sich nicht mit Rang zwei zufriedengeben. Dortmund, Leipzig, vielleicht auch Stuttgart wittern ihre Chancen. Die Liga ist ausgeglichener geworden, weniger vorhersehbar – aber dafür auch taktisch komplexer.

Leverkusen wird also nicht nur gejagt, sondern gefordert. Die Werkself muss zeigen, dass der Titel kein Zufall war, sondern Ergebnis einer Entwicklung. Und dass diese Entwicklung unter einem neuen Trainer nicht endet, sondern weiterführt.

Eine Mannschaft auf der Kante

Erik ten Hag übernimmt ein Team, das auf dem Gipfel steht – und damit in einer exponierten Lage. Es geht nun nicht mehr um Aufbau, sondern um Erhaltung. Um Verfeinerung. Um das schwierige Geschäft der Titelverteidigung in einem Land, in dem zuletzt elf Jahre lang nur ein Verein den Pokal in die Höhe streckte.

Ten Hag weiß, dass ihn nicht nur das Ergebnis beurteilen wird, sondern auch der Weg dorthin. Wie spielt Leverkusen? Wie entwickelt sich die Mannschaft? Wie geht sie mit Druck, Doppelbelastung, Ausfällen um? Die Antworten werden nicht sofort da sein – aber sie werden erwartet.

Fazit: Kein Umbruch, aber eine Richtungsentscheidung

Mit Erik ten Hag beginnt in Leverkusen keine neue Ära, sondern ein entschlossener nächster Schritt. Der Klub will sich festsetzen unter den Besten – sportlich, wirtschaftlich, strukturell. Und ten Hag könnte der richtige Mann dafür sein: methodisch, erfahren, unbeirrt.

Ob er den Meistermacher Alonso vergessen machen kann? Muss er nicht. Aber wenn er es schafft, Leverkusen dauerhaft zur Spitze zu zählen, wird er sein eigenes Kapitel schreiben. Eines, das vielleicht weniger romantisch klingt – aber ebenso bedeutsam ist.

Kommentar abgeben

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.

Leser-Kommentare

Meist gelesene Artikel



Haftungshinweis

Wir übernehmen keine Haftung für die Inhalte externer Links. Für die Inhalte und Richtigkeit der bereitgestellten Informationen ist ausschließlich der jeweilige Anbieter bzw. Betreiber der verlinkten Webseite verantwortlich. Zum Zeitpunkt der Verlinkung waren keine Rechtsverstöße erkennbar. Bei Bekanntwerden einer Rechtsverletzung werden wir den entsprechenden Link unverzüglich entfernen.

Der Spieltag bei fussballn.de

fussballn.de berichtet Woche für Woche umfassend über das aktuelle Spielgeschehen:
·
Spieltag aktuell: erscheint samstags und sonntags sowie unter der Woche an allen Spieltagen und fasst mit Stimmen und der großen Spieltaganalyse die Höhepunkte des Tages zusammen
·
Spielstatistiken: Aufstellungen, Torschützen etc. aller Spiele unseres Verbreitungsgebietes
·
Topspiele: unsere Reporter berichten für Sie vor Ort von ausgewählten Spielen
·
Liveticker: aktuelle Zwischenstände von den Fußballplätzen der Region

mein-fussballn-PLUS

Im kostenfreien mein-fussballn-PLUS-Bereich erhalten Sie persönliche Informationen und können weitere Funktionen nutzen:
-
alle Neuigkeiten, die Ihre Person betreffen (neueste Benotungen, Glückwünsche zu Torerfolgen etc.)
-
persönliches Profil hinterlegen
-
einsehen, welcher User Sie in seine Interessensliste aufgenommen hat
-
Spiel- und Trainingspläne erstellen und ausdrucken
-
Teilnahme an Gewinnspielen und Umfragen


Diesen Artikel...