von Michael Kämmerer
Irre Aufholjagd beschert den Sieg in der Nachspielzeit
TSV Abtswind – TSV Unterpleichfeld 4:2 (0:1)
Wie verrückt kann ein Spiel eigentlich ausgehen? Bis zur 89. Minute lag der TSV Abtswind gegen seinen Angstgegner TSV Unterpleichfeld mit 1:2 zurück. Am Ende stand es 4:2 für den Landesliga-Ersten, der neben Schweiß auch Blut gelassen hatte, um die Begegnung mit Charakterstärke, Willen und der nötigen Portion Glück zu drehen. Daniel Hämmerlein wurde zur Symbolfigur des hart erkämpften Erfolgs.
Der Held des Tages sah aus, als sei er in einen Farbeimer gefallen: die Nase rot, die Hände verschmiert, das Hemd voller Spritzer. Was sich nach einem kleinen Missgeschick eines passionierten Heimwerkers beim Renovieren anhört, war in Wahrheit der blutige Ausgang eines Fußballspiels. Daniel Hämmerlein, das Gesicht gezeichnet von der Härte des Gefechts, rannte aus dem Spielfeld, breitete die Arme aus und schrie sich die Freude aus dem geschundenen und abgekämpften Leib. Der Schmerz, den der triefende Riss auf seinem Nasenrücken ausgelöst haben musste, wurde offenbar betäubt durch das Adrenalin und die Glückshormone, die in dem Moment durch den Körper des 32-Jährigen schossen. Hämmerlein hatte gelitten, aber der Einsatz hatte sich gelohnt. „Für die drei Punkte nehme ich die Verletzung gerne in Kauf“, sagte Abtswinds Defensivmann, wohl wissend, dass die Wunde ihn nicht allzu lange an diese kuriose Partie am Ostermontag erinnern wird.
Was sonst in den 95 Minuten geschah, vor allem in der Schlussphase inklusive Nachspielzeit, wird sich nicht nur Daniel Hämmerlein ins Gedächtnis brennen. „Ich habe immer noch erhöhten Puls, wenn ich daran denke, was heute alles passiert ist“, sagte Abtswinds Trainer Petr Skarabela nach dem Abpfiff. Der Landesliga-Tabellenführer sah im Prinzip schon wie der sichere Verlierer aus, dessen Vorsprung an der Spitze von einst neun Zählern auf einen mickrigen Punkt zu schrumpfen drohte, weil Verfolger Vach sich nach der Winterpause keinen Ausrutscher leistete. „Wenn mich jemand kurz vor Schluss gefragt hätte, wer das Spiel gewinnt, wäre ich mir sicher gewesen, dass wir das sind“, musste Unterpleichfelds Trainer Thomas Redelberger zugeben, der später von der bittersten Niederlage seiner Laufbahn sprach. Dass Abtswind überhaupt der Ausgleich zum 2:2 gelang, war für die Skarabela-Elf schon ein Anlass zu Glücksgefühlen. Torjäger Pascal Kamolz zog krachend ab, nachdem Philipp Hummel hatte abtropfen lassen (89. Minute).
Doch die Hausherren, denen die 1:4-Niederlage aus dem Hinspiel noch in den Köpfen herumschwirrte, wollten mehr, und das bekamen sie dank ihres unbändigen Willens auch. Die Hoffnung in jener zweiten Minute der Nachspielzeit ruhte auf Freistoßspezialist Adrian Dußler. Der 22-Jährige zwirbelte den Ball über die Mauer. Unterpleichfelds Torhüter Stefan Kraus wehrte im Flug ab, parierte genauso sensationell den Nachschuss Adrian Grafs, ehe Daniel Hämmerlein sich ins Getümmel des Fünfmeterraums warf und den Kopf hinhielt. Das Leder war drin – 3:2. Ein Ellbogen, eine Hand oder ein Kopf – das ließ sich nicht aufklären – trafen den Abtswinder Recken dabei mitten im Gesicht. Während es bei den einen kein Halten gab, stellte hinter dem Rücken des Schiedsrichters Unterpleichfelds André Schmitt dem jubelnden Mathias Brunsch in vollem Lauf das Bein. Ein erregtes Handgemenge folgte. Und nachdem der Torschütze notdürftig versorgt und mit einem Nasenverband aufs Spielfeld zurückgekommen war, legte Pascal Kamolz nach einem Torwartfehler zum 4:2-Endstand nach (90.+5).
Die Abtswinder konnten von Glück reden, dass sie nicht längst abgeschrieben waren: Im Laufe des zweiten Abschnitts hatten die Gäste, die schon in der Vorsaison erhebliche Probleme bereiteten, den dritten Treffer und damit die vermutete Entscheidung auf dem Schlappen: Gegen Leon Vollmuth, Ulrich Scheidel und Marcial Weisensel reagierte Abtswinds Schlussmann Florian Warschecha in seinem ersten Ligaspiel seit seiner Rückkehr im Winter bärenstark. Bei den Gegentreffern war der 29-Jährige jedoch ohne Abwehrchance gewesen: Ein langer Ball von Johannes Göbel überraschte alle, nur nicht Marcial Weisensel. Der Flügelstürmer der Gäste zog alleine davon und schloss nach nicht mal einer Viertelstunde zur Führung ab. Weisensel, mit vier Treffern überragender Akteur im Hinspiel, bestätigte Unterpleichfelds Rolle als Abtswinder Angstgegner mit beachtlicher Effizienz. Auch in der 57. Minute spielte der 27-Jährige den entscheidenden Part, als er für Christoph Hiesberger den Elfmeter zum 2:1 herausholte. Mathias Brunsch war von hinten auf ihn gefallen.
„Ich bin nach sieben, acht Minuten raus aus der Kabine, weil ich so unzufrieden war“, sagte Abtswinds Trainer Petr Skarabela und überließ die Mannschaft in der Halbzeitpause ihrer selbst. „Wir haben uns ohne den Coach unterhalten, was wir besser machen können“, verriet Daniel Hämmerlein. „Es ging nur über den Kampf.“ Denn im Zusammenspiel gab es mehr Fehler als noch zwei Tage zuvor beim 3:1-Erfolg in Karlburg, als besonders über außen zahlreiche Möglichkeiten entstanden. Diesmal musste sich Abtswind bis zur Pause mit wenig begnügen: Mehr als zwei Schüsse von Pascal Kamolz, die in die Fänge des Keepers gingen, waren nicht drin. Das besserte sich nach dem Seitenwechsel. Immer wieder war es Kamolz, der die Unterpleichfelder beschäftigte. Nino Wagner riss den Angreifer im Sechzehner um, doch der Schiedsrichter entschied auf Stürmerfoul (46.). Wenig später lief der Abtswinder frei aufs Tor – und verzog. Die Partie zwischen dem Ersten und dem Fünften besaß Klasse. Thomas Redelberger hatte sein Team so eingestellt, dass mit Weisensel und Vollmuth zwei laufstarke und ballsichere Spieler vorne Druck ausüben sollten.
Zusammen mit Ulrich Scheidel wäre den beiden das in der 52. Minute beinahe trefflich gelungen. Nach Vollmuths Hereingabe und Scheidels Schuss gab Weisensel dem Ball noch eine letzte Richtungsänderung, doch stand er dabei im Abseits. Das Tor zählte nicht. Die Gäste rieben sich bis zum Äußersten auf, manches Mal auch mit hartem Einsatz, etwa als Johannes Göbel an der Seitenlinie Michael Herrmann in die Füße trat, dass sich die Stollen deutlich auf dem Schienbein des Abtswinder Kapitäns abzeichneten. Das Foul zog eine von sieben Gelben Karten für Unterpleichfeld nach sich. Nikos Bude hatte Redelberger vorsorglich vom Rasen geholt. Der defensive Mittelfeldspieler stand kurz vor einem Platzverweis. Mit beiden Beinen ging Torsteher Stefan Kraus in den Zweikampf mit Pascal Kamolz, der dabei zu Fall kam. Adrian Dußler verwandelte den Strafstoß zum 1:1 (57.). Für Jonas Wirth wurde es schmerzhaft, weil Mitspieler Mathias Brunsch ihm aus Versehen zusetzte. Beim Kopfball stießen die beiden zusammen. Wirth trug eine stark blutende Platzwunde am Hinterkopf davon und musste nach siebzig Minuten zur Behandlung in ein Krankenhaus. Auch er hatte für den Erfolg mehr als nur Schweiß gelassen.
Spielbericht eingestellt am 03.04.2018 07:39 Uhr