von Michael Kämmerer
Wer am Samstagabend in den Nachthimmel über Abtswind blickte, der konnte ein prächtiges Schauspiel verfolgen. Drei Stunden lang brannte am Firmament ein riesiges Feuerwerk ab – in den buntesten Farben, kuriosesten Formen und lautesten Geräuschen. Ein Feuerwerkshersteller hatte das weithin sichtbare Spektakel veranstaltet, um Kunden sein Repertoire vorzuführen.
„Feiert man so in Abtswind einen 7:1-Sieg?“, wollte ein auswärtiger Fan wissen, der in den sozialen Medien ein Video von der scheinbar unaufhörlichen Pyroschau entdeckt hatte, um sogleich eine weitere Frage hinterherzuschieben: „Was passiert dann erst beim Aufstieg?“ Gemach, gemach. Noch ist es nicht so weit. Noch verbietet sich eine solche Frage. Vier Spiele vor Rundenende steht der TSV Abtswind aussichtsreich auf Rang drei. Zwei Zähler trennen das Team von der SpVgg Jahn Forchheim, die derzeit den Relegationsplatz innehat. Nächsten Samstag kommt es zum direkten Aufeinandertreffen, zur Kraftprobe um die Vizemeisterschaft, zum ultimativen Showdown. Mit einem Sieg ziehen Abtswinder am Konkurrenten vorbei.
Mit dem Kantersieg über den FC Coburg schossen sie sich schon mal auf das Spitzenspiel ein. Die Vielzahl der Treffer, in dieser Saison wahrlich keine Abtswinder Seltenheit, glich einem Feuerwerk, das nicht wie am späten Abend 180, sondern 90 Minuten dauerte. Trainer Petr Skarabela gefiel zwar das Torfestival, welches das Publikum entzückte, doch der 49-Jährige war nicht mit allem restlos zufrieden. Als Übungsleiter mit kritischem Blick auf das Geschehen stellt Skarabela eben andere Ansprüche an das Spiel seiner Mannschaft als der normale Zuschauer. „Spielerisch war das heute eine Stufe schlechter als zuletzt“, war er sich sicher. Ihm fehlte im Gegensatz zum überzeugenden Heimauftritt gegen Unterpleichfeld (4:2) fünf Tage zuvor die Präsenz im Spiel nach vorne und dass die Angriffe nicht so zahlreich kamen. Dafür war diesmal so gut wie jeder Schuss ein Treffer.
Wobei die Mehrzahl der Tore gar nicht mit dem Fuß erzielt, sondern per Kopf. Während Sven Gibfried und Pascal Kamolz ja durchaus für ihre Fertigkeiten in der Luft bekannt sind, galt das bisher nicht für Philipp Hummel und Jonas Wirth. Doch gegen Coburg nickten selbst die beiden schmächtigen Akteure erfolgreich ein. „Wir haben donnerstags eine Übung, bei der wir eine halbe Stunde lang von allen Seiten flanken“, gab Petr Skarabela einen Einblick in die Trainingsinhalte, um schmunzelnd festzustellen. „So wachsen uns Kopfballungeheuer wie Jonas Wirth heran.“ Vieles mag einstudiert und verinnerlicht sein, doch muss Skarabela dieser Tage auch ein Meister der Improvisation sein. Seit Wochen tüftelt der Fürther Ex-Profi an seiner Aufstellung, die unter der anhaltenden Verletztenmisere leidet.
Seit Ostern gehört Michael Herrmann zum Abtswinder Lazarett. Der Kapitän brach sich beim 2:0-Sieg in Bamberg eine Rippe, lief gegen Unterpleichfeld mit Schmerzen und blieb auf ärztlichen Rat hin dann doch vernünftig. Der 25 Jahre alte Rechtsverteidiger wird der Mannschaft bis zum Saisonende fehlen. Obendrein musste Peter Mrugalla wegen privater Verpflichtungen verzichten. Dafür kehrten Pascal Kamolz und Przemyslaw Szuszkiewicz in die Startelf zurück. Dort fand sich überraschenderweise auch Axel Zehnder wieder – selbst zu seiner eigenen Verblüffung. Der 27-Jährige war bis 2013 Stammspieler in der Landesliga, ehe er für Studium und Beruf nach Wolfsburg zog. An den Wochenenden pendelte er stets in die Heimat, um ohne großes Training im Reserveteam zu spielen.
Zwei Tage vor der Partie gegen Coburg klopfte Abtswinds Manager Christoph Mix bei Zehnder an und bat um seine Hilfe in der Not, „weil wir personell aus dem letzten Loch pfeifen.“ Zehnder sagte zu – ohne jede Vorbereitung und ohne überhaupt den Trainer zu kennen. „Auf der linken Seite hat er seine Aufgabe richtig gut gemacht“, sagte Skarabela nach dem Schlusspfiff. Im Mittelfeld sollte Zehnder seine Position einnehmen. Doch nicht immer hielt er sich an die Vorgabe. Stattdessen wagte er sich weiter nach vorne. „Das hat trotzdem gepasst, oder?“, fragte Zehnder hinterher den Trainer. Die Antwort hatte das Abtswinder Eigengewächs auf dem Feld selbst gegeben, als er weit aufgerückt von der Grundlinie die Vorlage für Philipp Hummels 4:1 in der 50. Minute lieferte, das Coburg endgültig den Willen brach.
Trotz des ausufernden Ergebnisses gab es für die Gastgeber den einen kritischen Moment, in dem die Begegnung einen anderen Verlauf hätte einschlagen können. Nach einem Schuss von Lukas Mosert aus dreißig Metern zum 1:1 (17. Minute) fasste auch Carl-Philipp Schiebel den Entschluss weit jenseits des Strafraums abzuziehen. Der 40-Meter-Freistoß klatschte, getrieben vom Wind, an die Latte. Daniel Sam nahm den Nachschuss und scheiterte an Schlussmann Patrick Hefner (21.). „Wären wir in dem Moment in Rückstand geraten, hätten wir Probleme bekommen“, sagte Skarabela. Auf den Schreck reagierte Abtswind im Stile einer Spitzenmannschaft. Ein Flankenlauf von Przemyslaw Szuszkiewicz landete auf Philipp Hummels Kopf, und der Ball fand seinen Weg zum 2:1 ins Netz (27.). Wie gegen Unterpleichfeld gelangen dem Winterzugang zwei Treffer.
Als Abtswind in der Schlussphase aufgrund seiner Wechsel umstellte, ging Hummel gar in die Abwehr. „Philipp spielt in den letzten drei Wochen in überragender Form. Er hat den Anschluss gefunden“, lobte der Trainer. Für Coburgs Matthias Christl hatte sich indessen bewahrheitet, was er nach seinen Beobachtungen befürchtet hatte. „Das Spiel der Abtswinder gegen Unterpleichfeld hat mir bisschen Angst gemacht“, gab der Gästetrainer zu. „Das sah nach attraktivem Offensivfußball aus, nach Petr-Skarabela-Fußball.“ Mag sein, dass seine Schützlinge mit den vielen jungen Spielern aus dem eigenen Nachwuchs darauf eingestellt waren, doch bei Standardsituationen und langen Bällen sahen sie besonders schlecht aus. Symptomatisch für Christl war das Tor zum 7:1-Endstand in der 88. Minute.
Eine Slapstick-Einlage, wie der Trainer fand, bei der zwei Mann inklusive Torwart unter dem Ball durchsprangen und Pascal Kamolz ins leere Tor einschob. Ein solches Schützenfest wird es gegen Forchheim wohl nicht geben. Petr Skarabela blickte nach dem sechsten Sieg in Serie voraus: „Die Forchheimer stehen als Bayernliga-Absteiger unter Druck. Sie müssen wieder aufsteigen. Wir wollen vorne mitspielen und den Kampf um Platz zwei interessant machen. Wir sind in dem Spiel nicht der Favorit, aber bei unserer Serie muss Forchheim gewarnt sein. Wir wollen den Big Point machen und müssen auf Sieg spielen. Alles Unmögliche kann passieren. Wir sind für jede Überraschung gut, weil wir derzeit unbekümmert spielen.“ Gut möglich, dass auch Axel Zehnder dann wieder mit von der Partie ist.
Spielbericht eingestellt am 08.06.2017 10:14 Uhr