von Michael Kämmerer
Ein tiefer Blick in den Spiegel der Abtswinder Fußballseele
Das Wetter kalt und windig, der Rasen feucht wie ein Kieslaster. Gut, wenn zumindest der Fußball eine Wärmestube bietet. Abtswind beherrscht den Gegner wie eine Domina ihre Kunden. Rimpar ist nach zehn Minuten ausgepeitscht und fertig mit der Welt. Für Abtswind läuft es derzeit nach Plan. Die Stimmung ist gelöst wie lange nicht und Thorsten Götzelmann zu Scherzen aufgelegt. Der Trainer des TSV Abtswind antwortet nach dem souveränen 4:0-Erfolg gegen den ASV Rimpar humorvoll wie selten und sorgt bei den zahlreichen Zuhörern der öffentlichen Pressekonferenz für Heiterkeit. Eine Kostprobe seines Frohsinns gibt der 43-Jährige etwa, als er über seinen Schützling Andreas Herrmann sprechen soll, dem er zuletzt dreimal in Folge das Vertrauen für die Startelf schenkte. „Er darf spielen“, fängt Götzelmann an, „wenn er donnerstags im Sportheim meine Rechnung übernimmt.“ Schallendes Gelächter in der Runde. Solche Bonmots aus Götzelmanns Mund sind gegenwärtig der Spiegel der Abtswinder Fußballseele. Vorbei sind die Zeiten, in denen Trainer und Spieler missmutig mit den Worten rangen, um Niederlagen begreifbar zu machen. Eines wird in diesen Tagen deutlich: Fußball macht den Abtswindern derzeit richtig Spaß. „Wenn es läuft, dann läuft es“, sagt Götzelmann und trifft es auf den Punkt. Was banal klingt, ist eine Zustandsbeschreibung seiner Mannschaft, die nach der Winterpause zu wahrer Stärke gefunden hat. Zur Verdeutlichung kommt der Trainer auf Andreas Herrmann zu sprechen. Eine Szene aus dem Rimpar-Spiel hat sich in sein Gedächtnis gebrannt: Der 21 Jahre alte Herrmann nahm es an der Außenlinie gleich mit drei Gegenspielern auf und blieb im Zweikampf Sieger. „Er hat sie vernascht nach dem Motto: Was kostet die Welt?“, fand Götzelmann. „Er bringt die Grundeinstellung und Qualitäten mit. Deshalb lasse ich ihn spielen. Die Einsätze haben ihm Selbstvertrauen gegeben. Das zeigt er jetzt.“ Auch wie die Mannschaft mit den verletzungsbedingten Ausfällen der Leistungsträger Jürgen Endres und Jonas Wirth umging, beeindruckte den Trainer, der dafür die geschlossene Mannschaftsleistung verantwortlich machte: „Es ist ein positives Zeichen, wenn man die beiden nahezu eins zu eins ersetzen kann. Patrick Gnebner und Andreas Herrmann haben ihre Positionen richtig gut ausgefüllt.“ Doch auch zwei andere Einzelkönner taten dem Abtswinder Auftritt gegen Rimpar gut, der im kühlen und verregneten April-Grau vor gerade mal 85 Zuschauern vonstattenging. Carl Murphy verlieh dem Spiel einen Schub. Der 30-jährige Vizekapitän war aus der Abwehr ins linke Mittelfeld gerutscht, wo er zur Hochform auflief. „Auf der offensiven Position fühle ich mich sehr wohl“, stellte Murphy fest. Zu seinen spürbaren Impulsen zählte etwa das feine Zuspiel in der zehnten Minute. Cristian Alexandru Dan lief in die Lücke, schüttelte Verfolger Marcel Heck ab und behielt die Verstandeskühle, vor dem Tor zum 1:0 zu vollstrecken. Es gab Tage in dieser Saison, da wäre der Angreifer in einer solchen Szene womöglich über seine Füße gestolpert. Seit der Winterpause ist Dan wie verwandelt. Das Selbstvertrauen ist zurückgekehrt. „Alex ist nach langer Verletzungsphase und ohne große Vorbereitung letztes Jahr zu uns gewechselt und war kurz darauf wieder außer Gefecht“, gab Thorsten Götzelmann eine Erklärung für den Leistungsschwund des Modellathleten ab. Im Winter absolvierte der Rumäne die komplette Vorbereitung und fand zu seinem Rhythmus. Es ging aufwärts. Das zeigte Dan auch am Samstag. Er nahm im Angriff die weiten Wege, gewann die Kopfbälle, rackerte in den Zweikämpfen in vorderster Linie. Und belohnte sich „nach der langen Frustphase“, so Götzelmann, mit zwei Treffern. Als Michael Herrmann in der 60. Minute über rechts nach vorne stieß, stand Dan am hinteren Pfosten, um die Hereingabe zum 3:0 ins Tor zu schieben. Zu dem Zeitpunkt war für Patrick Sträßer der Tag bereits gelaufen. Hätte man dem Trainer des ASV Rimpar ein Lied zu seiner Stimmungslage spielen sollen, wäre wohl deutscher Schlager die passende Wahl gewesen, angelehnt an das Wetter und die beiden Treffer des Abtswinder Stürmers: „Weine nicht, wenn der Regen fällt, Dan, Dan, Dan, Dan“, eine seichte Abwandlung aus Drafi Deutschers „Marmor, Stein und Eisen bricht“. Später wischte Sträßer ungläubig über sein Handy, als die Ergebnisse von den anderen Sportplätzen eintrudelten. Die Konkurrenten im Abstiegskampf hatten gewonnen. Rimpar war auf den Relegationsplatz gefallen. „Niederlagen beschäftigen mich lange und sorgen in unserer Situation für schlaflose Nächte“, sagte Sträßer. Rimpar ist für ihn nicht irgendein x-beliebiger Verein, Rimpar ist seine Heimat und damit eine Herzensangelegenheit. Nach der Saison ist für Sträßer Schluss, egal wie es ausgeht. Vor wenigen Wochen fiel seine Prognose für den Klassenverbleib noch deutlich zuversichtlicher aus. „Ich glaube, dass uns vierzig Zähler reichen, aber den einen Sieg muss man auch erst mal holen“, sagte der 43-Jährige angesichts der stagnierenden Punktzahl von 37. Zehn Minuten lang fand Sträßer das Spiel seiner Rimparer recht ordentlich. Dann gab es zwei Aussetzer, und die Mannschaft war auseinandergerissen. Nach Dans 1:0 legte Thilo Wilke nach. Bei der Ecke von Jörg Otto musste der Abtswinder nicht einmal hüpfen, um den Ball ins Tor zu nicken (24. Minute). Verteidiger Marcel Heck war kein Störfaktor und Schlussmann Felix Lang beim Herauslaufen auf halbem Weg stehengeblieben. Von Rimpar kam danach nicht mehr viel, kein Aufbäumen, kein Garnichts. Es hatte den Eindruck, als ließen es die Gäste über sich ergehen. „Nach vorne war noch nie unsere große Stärke. In der Breite sind wir nicht riesig aufgestellt, auch die Qualität fehlt ein Stück“, sagte Trainer Sträßer sachlich-nüchtern. Dagegen spulten die Abtswinder ihr Programm so souverän ab wie ein RTL-Regisseur die Seifenopern im Nachmittags-TV. Jörg Otto staubte noch zum 4:0 ab (83.). Viel schöner wäre es freilich gewesen, er hätte kurz vor der Halbzeit von der Mittellinie getroffen. Sein Versuch, den verdutzen Torwart zu düpieren, schlug auf der Latte auf (43.). Auch wenn Jürgen Endres nicht mitspielte, fühlte man sich an den Genius erinnert. Endres hatte diese Saison bereits dreimal aus dieser Lage getroffen.
Spielbericht eingestellt am 25.04.2016 15:10 Uhr