von Matthias Ley
Als Bernd Hollerbach geht, kommt Michael Herrmanns Augenblick
Ein krachendes Freistoßtor genügte, um Abtswind zu bezwingen: Die Landesliga-Truppe der Würzburger Kickers machte aus ihren wenigen Möglichkeiten das Beste, um das Rangeln um Rang zwei weiterhin zu beleben. Die starke Mannschaftsleistung und die taktischen Manöver brachten Abtswind Anerkennung, aber keine Punkte. Der Sonntagsausflug führte Bernd Hollerbach hoch über die Stadt. Der Cheftrainer des Drittligisten Würzburger Kickers machte eine Stippvisite auf der Sieboldshöhe. Am Tag zuvor hatte seine Mannschaft die Stuttgarter Kickers mit 2:1 besiegt, am Morgen stand das obligatorische Auslaufen auf dem Programm, ehe der 46-Jährige der zweiten Mannschaft des Vereins einen kurzen Besuch abstattete. Hollerbach schnappte nur ein paar Eindrücke auf. Er kam zu Beginn der zweiten Halbzeit und ging eine Viertelstunde später wieder. Die besten Szenen einer hochklassigen und rasanten Landesliga-Partie verpasste er. Doch Hollerbach wird sich berichten lassen, wie Würzburgs U23 sich gegen den TSV Abtswind geschlagen hat. „Wir kommunizieren sehr oft und tauschen uns regelmäßig aus“, sagt Claudiu Bozesan, Trainer der Drittliga-Reserve. „Bernd erkundigt sich viel über die Jungs.“ Schließlich kommen neben den talentierten Eigengewächsen auch (ehemalige) Spieler aus dem Profi-Kader zum Einsatz, Leute wie Christopher Bieber (diesmal nicht dabei), Christian Demirtas oder Nico Gutjahr, die in Nachwuchsleistungszentren der Bundesliga-Klubs ihre Jugend verbrachten. Seit der Winterpause macht sich die Aufwertung besonders bemerkbar. Aus den Kickers ist eine Mannschaft mit Aufstiegsambitionen geworden. Platz zwei ist in Reichweite. Bozesan will sich nicht auf die Frage einlassen, ob er von Hollerbach den Auftrag bekommen hat, in die Bayernliga aufzusteigen, sagt bloß: „Wir schauen von Spiel zu Spiel.“ Wie dem auch sei: Nach dem knappen 1:0-Erfolg über Abtswind ist der Vorsprung auf den Verfolger gewachsen. Jetzt gilt es noch, die zweite Mannschaft des FC Schweinfurt 05 abzufangen, um in die Aufstiegsrunde zu gelangen. Insofern dürften die Würzburger nach der Rivalität am Sonntag zu Anhängern des TSV Abtswind mutieren, der am kommenden Mittwoch die Schweinfurter zum Nachholspiel empfängt und die eigenen Ambitionen zurückschrauben muss. „Bei einem Sieg wäre vielleicht noch etwas möglich gewesen“, sagte Kapitän Michael Herrmann nach dem Schlusspfiff. „Jetzt haben wir keinen Druck mehr. Druck, der nicht vom Trainer kam, aber jeder Spieler kann ja selbst rechnen.“ Herrmann trauerte besonders den vergebenen Chancen hinterher, von denen er eine selbst vergab. Mit schnelle Schritten war er dem Würzburger Thomas Popp davongeeilt, hatte den Pass von Jörg Otto aufgenommen und nur noch Schlussmann Kenan Mujezinovic vor sich. „Der Ball ist gehoppelt, so dass ich nicht sofort schieben konnte. Auf einmal war der Winkel zu spitz“, erinnerte sich Herrmann an die Situation aus der 71. Minute, die den 1:1-Ausgleich zum Greifen nahe brachte. Der Kickers-Torwart parierte reaktionsschnell mit dem Fuß. Möglichkeiten wie diese gibt es traditionell nicht viele im Aufeinandertreffen zweier Spitzenteams, die noch dazu die besten Abwehrreihen stellen. Cristian Alexandru Dan hatte an seinem 29. Geburtstag gegen seinen Ex-Klub noch so eine hochkarätige. Als ihm der Ball vor die Füße fiel, zauderte der Angreifer nicht und nahm Maß. Torhüter Mujezinovic, im Nachwuchs des VfB Stuttgart großgeworden, wehrte glänzend ab. Den Nachschuss knallte Dan an den Pfosten (30. Minute). Dass die Würzburger nicht so konnten, wie sie wollten, lag an einer taktischen Variante, für die sich Abtswinds Trainer Thorsten Götzelmann entschieden hatte: Mit Jonas Wirth und Nicolas Wirsching stockte er das defensive Mittelfeld auf, um das Zentrum zu schließen. Auch die Abwehr krempelte er personell um und holte Carl Murphy zurück in die Anfangself. Die Würzburger hatten – anders als sonst – zwei Stürmer aufgeboten. Abtswind war auf den Gegner gut eingestellt und erwies sich mit großem Einsatz mehr als ebenbürtig. Wenn überhaupt, dann sorgte Würzburgs Nico Gutjahr für Aktionen über das linke Mittelfeld. Als die Nachspielzeit des ersten Durchgangs lief, startete der 22-Jährige wieder einen Versuch. Abtswinds Daniel Hämmerlein rutschte weg, Michael Herrmann nahm den Zweikampf an und foulte. „Einer wie Gutjahr weiß, wie er einen Freistoß bekommt“, sagte der Abtswinder Spielführer. „Er hat den Kontakt clever gesucht und den Freistoß bekommen.“ Der Würzburger führte selbst aus. In Verlängerung des Sechzehnmeter-Ecks zog Gutjahr von halblinks ab und traf genau in den Winkel. Um den Rückstand aufzuholen, wagte Abtswind nach einer Stunde mehr Offensive. Die Hereinnahme von Jörg Otto und Andreas Herrmann führte zu Umstellungen. Die gravierendste: Michael Herrmann ging aus der Verteidigung in den Sturm. Seine Schnelligkeit sollte helfen, Würzburg unter Druck zu setzen. „Ein Schachzug wie dieser zeigt auch, dass ich personell keine anderen Optionen hatte“, sagte Thorsten Götzelmann, der momentan auf Angreifer Pascal Kamolz wegen Blessuren an Arm und Leiste verzichten muss. Herrmann, der in der Sommervorbereitung in der Offensive getestet worden war, brachte Wirbel ins Spiel. „Ein gelernter Stürmer macht das Tor“, sagte der 24-Jährige über seine Großchance. So blieb eine gute Mannschaftsleistung nicht vom Erfolg gekrönt.
Spielbericht eingestellt am 11.04.2016 09:32 Uhr