von Matthias Ley
„Herzlichen Glückwunsch zu drei Punkten, war ein kleines Geschenk“. Frammersbachs Trainer Andre Mehrlich ist bar jeglicher Illusion. „Man hat gesehen, mit welcher Mannschaft Abtswind heute aufgetreten ist. Trotzdem schaffen wir es nicht, Druck aufzubauen. Das ist natürlich fatal.“ Zum letzten Auswärtsspiel ein ganz großer Bahnhof. Der TuS Frammersbach feiert sein 125-jähriges Bestehen mit der Einweihung des Kunstrasenplatzes. Zu einem solchen Event reist man ausnahmsweise stilecht an, Mannschaft und Fans kollektiv vereint, wie es viele Vereine praktizieren. Alles ist eine Spur entspannter, ausgeglichener als sonst, auch nach Anpfiff. Beide Seiten spielten einen ungewohnten Stil aufs grüne Parkett, Frammersbach zögerlich, Abtswind ohne das ansonsten praktizierte offensive Spiel. Von seltenen Fouls abgesehen verlief die Partie fast körperlos. Torraumszenen fanden praktisch nicht statt, von ein paar weiten Bällen auf Frammersbachs Sturmspitzen Timo Rützel und David Auell einmal abgesehen. Leichte Beute für Abtswinds erfahrenen Keeper Malte Schulze-Happe. „Ich habe heute umgestellt. Wir schieben nicht vorne drauf, sondern betreiben im Mittelfeld Pressing. Wir warten geduldig auf die Fehler.“ Thorsten Götzelmann erklärte eine erste Hälfte ohne Höhepunkte. „Frammersbach hatte ein paar lange Dinger, die Malte (Schulze-Happe im Abtswinder Kasten) locker runtergepflückt hat.“ Das offensive Dreigestirn mit Pascal Kamolz und Florian Warschecha als Speerspitze und Ceslaw Jurkiewicz als Ballverteiler dahinter, operierte überraschend reibungsfrei. Nach endlosen 20 Minuten Nichtangriffspakt schob Abtswind doch mal nach vorne. Zaghaft, nur punktuell, und prompt kamen die prognostizierten Abspielfehler. Ohne Zug nach vorne lief der Ball zwangsläufig ständig über Frammersbachs Viererkette und auch über Schlussmann Christoph Keller. Immer öfters kreuzte ein Abtswinder Akteur die gewohnten Abspielbahnen, bis es zum entscheidenden Fehler kam. Keeper Christoph Keller spielte Innenverteidiger Marius Müller an. In der Drehbewegung luchste ihm Abtswinds Mittelfeldmotor Jürgen Endres die Pille vom Schlappen und netzte zum Führungstreffer ein. „Der Fehler war provoziert. Wenn Du richtig draufgehst, dann bekommt der Innenverteidiger den Ball, dann muss er sich fast zwangsläufig drehen, und dann hast Du ihn auf dem Präsentierteller“, erklärte Thorsten Götzelmann den Spielzug zum Führungstreffer. Kurz vor der Halbzeitpause legte sich Ceslaw Jurkiewicz den Ball zurecht. Auslöser war ein simples Foul kurz vor dem linken Frammersbacher Strafraumeck. Kühl scannte Abtswinds Routinier die Position der Mauer, murmelte ein „den zirkel ich rein“ an die Mitspieler und hob das Kunstleder formvollendet elegant über die Mauer. Auch bei Abtswinds 2:0 hatte Frammersbachs Keeper Christoph Keller keine Abwehrchance. Die Pausenansprache fiel beidseitig recht kurz aus. Frammersbachs Übungsleiter Andre Mehrlich „fehlten einfach die Worte“. Sein Gegenüber Thorsten Götzelmann gab geplante Wechsel bekannt. That´s it! Nach dem Seitenwechsel tauschte Frammersbachs Mittelfeld die Position, vom Spielfeld zur Bank und andersrum. „Da stimmt doch was nicht, wenn Du als Trainer Deine Mittelachse komplett austauschen musst“, kommentierte Thorsten Götzelmann das ungewöhnliche Wechselverhalten. In der Folge erkannte man ein leichtes Mehr bei Frammersbach, mehr Ballbesitz, öfters lange Bälle auf die offensiven Außenpositionen, mehr Engagement, mehr Gelbe Karten, allerdings kaum echte Torgefahr. „Das ist ja erschreckend schwach, was die Frammersbacher im Angriff zustande bringen“. In leicht abgewandelter Form, dialektisch eingefärbt, hörte man diese Aussage aus dem staunenden Zuschauerpulk. Kaum Kampf, kaum rassige Zweikämpfe. Die Luft brannte irgendwie anderswo. „Das hat heute ausgesehen, als hätten wir schon in den Ruhemodus geschaltet.“ Frammersbachs Übungsleiter Andre Mehrlich war tief erschüttert. „Dabei hatten wir uns heute, gerade gegen Abtswind, wo wir im Hinspiel nicht schlecht ausgesehen haben, so viel vorgenommen. Wenn ich heute auf dem Platz gestanden wäre, ich wäre explodiert! Abstiegskampf, Jubiläum, der Verein organisiert ein Festwochenende. Das war heute das letzte Heimspiel einer Sch...saison. Du musst Deinen Leuten, die hier jede Woche wieder rauspilgern, mal etwas bieten. Die wollen sehen, dass die Spieler alles geben für den Verein. Stattdessen fangen wir uns noch zwei leichte Dinger ein.“ Nach einer knappen Stunde setzten die Gäste zum Tempogegenstoß an. Es ging über die rechte Angriffsseite. Jörg Otto trieb das Leder nach vorne und flankte dann in die Zentrale. Albert Fischer profitierte von einem wegrutschenden Innenverteidiger, ließ einen weiteren Frammersbacher links liegen und schloss platziert und flach zum 3:0 aus Abtswinder Sicht ein. Der Druck, der irgendwie nie wirklich im Kessel war, entwich mit leisem Zischen. Die Gastgeber ließen die Köpfe hängen. Der Abtswinder Anhang feierte auch noch das 4:0 durch Pascal Kamolz. Abtswinds Goalgetter nutzte einen Fehler beim Frammersbacher Spielaufbau und ließ, alleine auf weiter Flur, Keeper Christoph Keller keinerlei Abwehrchance. Thorsten Götzelmann tiefenentspannt: „Wenn wir hinten raus unsere Gelegenheiten cleverer ausspielen, dann können wir das ein oder andere Ding mehr machen. Insgesamt bin ich aber heute zufrieden mit der Leistung meiner Jungs. Nächste Woche Saisonabschluss mit der großen Frage: Was macht die Reserve?“ Trotz deutlicher Niederlage ist Frammersbach sicher im Relegationszyklus. Die Freien Turner kamen gegen Pettstadt nicht über ein 2:2 hinaus. Da Frammersbach im direkten Vergleich gegen Schweinfurt die Nase vorn hat, und Pettstadt durch den Rückzug zum Saisonende auf den letzten Platz rutscht, bekommt Andre Mehrlich doch noch einmal eine Chance „In der Relegation ist vieles möglich“. Die dritte Halbzeit dominierten ebenfalls die Gäste. Standesgemäß wurde Maskottchen Uli Zehnder Richtung Festzelt kutschiert. Zu Lakefleisch und anderen Köstlichkeiten floss gartlich gekühltes Export von der örtlichen Waldschösschenbrauerei. Auch bei der Heimfahrt hieß es „hoch die Tassen“. Leise ist irgendwie anders.
Spielbericht eingestellt am 18.05.2015 09:07 Uhr