von Siegfried Geupel
Dieser Weg wird kein leichter sein. Das wussten die Trainer und Spieler der SpVgg Selbitz in der Winterpause, als sie nach dem Trainingslager aus dem Flieger stiegen. In der Türkei hatten sie sich auf die Operation Klassenerhalt fest eingeschworen. Der Geist von Belek sollte sie in den folgenden 14 Abstiegs-Endspielen ständig begleiten und nicht mehr loslassen. Am Samstag meisterten die Mannen von Trainer Michael Voigt die letzte Etappe dieses schweren Weges mit Bravour und schlugen den Meister und Aufsteiger Schweinfurt klar mit 3:0. Der 25. Punkt im 14. Spiel nach der Winterpause bedeutete am Ende Platz Elf in der Tabelle.
Nach dem Abpfiff brach die Freude bei einsetzendem Regen aus allen Akteuren, Betreuern und Fans heraus. Die zentnerschwere Last der vergangenen Wochen fiel von den Akteuren ab. Zwei Minuten zuvor hatte Kristian Schmidt in seinem vorerst letzten Spiel für die SpVgg Selbitz das 3:0 erzielt und sich selbst die Krone aufgesetzt. Mit einer technischen Meisterleistung setzte der 38-jährige Ausnahmekönner das I-Tüpfelchen auf seine grandiose und beispielhafte Karriere. Der Mann mit der feinen Technik wird weiter bei der SpVgg Selbitz bleiben und auch mit der Mannschaft trainieren, das blau-weiße Trikot der „Elf aus dem Frankenwald“ will er aber nicht mehr überstreifen. Die Wochenenden gehören ab sofort der Familie. Einen leisen Abschied nahm auch Torjäger Florian Hohberger. Trainer Michael Voigt schenkte ihm in der 69. Minute mit seiner Auswechslung den Applaus des Selbitzer Anhangs. Der „echte Selbitzer Junge“ hat in den vergangenen zehn Jahren weit über 100 Tore für die Blau-Weißen geschossen. Jetzt folgt der 31-Jährige dem Ruf seines ehemaligen Trainers und Mentors, Roland Langheinrich, und wird Spielertrainer beim ATSV Döhlau. Langheinrich hatte sich die Partie gegen Schweinfurt nicht entgehen lassen. Er gehörte zu den ersten Gratulanten nach dem Schlusspfiff, während Markus Bächer spontan die Textzeile zu dem Lied lieferte, das die Blau-Weißen an diesem Abend immer wieder lautstark und voller Inbrunst anstimmten: „Wir war‘n abgeschlagen, ihr könnt ja jeden fragen, jetzt sind wir Elfter, die anderen nicht.“ „Ich bin einfach nur zufrieden“, betonte ein vom Abstiegskampf sichtlich gezeichneter Michael Voigt nach der Partie, „ich will die nächsten Tage und Wochen einfach mal nicht über Fußball reden müssen.“
Dabei konnte der Selbitzer Übungsleiter die Partie gegen Schweinfurt eigentlich recht entspannt verfolgen. Schweinfurts Coach Gerd Klaus hatte schon am vergangenen Samstag nach der „7:0-Meister-Party“ gegen Hollfeld den Großteil seiner Stammkräfte in den Urlaub beordert – zur sofortigen Regeneration vor der in zwei Wochen beginnenden Vorbereitungsphase auf die Regionalliga. In Selbitz kreuzte eine blutjunge 1b-Elf auf, in der U19-Bayern-Auswahlspieler Thomann noch der Bekannteste war. Die 05er boten das Stärkste an Talenten auf, was der Großraum Schweinfurt zu bieten hat – und das war absolutes Bayernliga-Niveau. Die Gäste zogen ein technisch versiertes Spiel auf und verlangten der Heimelf vollste Konzentration ab. „Die Schweinfurter werden uns nichts schenken. Die haben elf absolut geile Kicker auf dem Platz. Die werden laufen wie die Hasen“, hatte Voigt seine Akteure vor dem Spiel eindringlich gewarnt. Und Recht sollte er behalten. Angeführt von Thomann und Fery glänzten die Jung-Schnüdel mit tollem Kombinationsfußball – einzig was fehlte, waren die Erfahrung und das Durchsetzungsvermögen, um entscheidend in den Rücken der Selbitzer Hintermannschaft zu kommen. Fabian Rauh und Sebastian Wirth standen bombensicher in der Innenverteidigung. Die Gäste konnten die Hausherren nur kurz vor und kurz nach der Abwehr unter Druck setzen. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Mann der wichtigen Tore die Weichen bereits auf Sieg für Selbitz gestellt. Christopher Kuhnlein mit seinem sechsten Saison-Treffer ließ Reusch nicht den Hauch einer Chance (30.). Daniel Sam hatte das Leder geschickt durch die Beine gelassen. Dadurch hatte Sebastian Hermann völlig freie Bahn am rechten Flügel. Dessen Maßflanke wuchtete „Kuhni“ mit dem Kopf unter die Latte. Schweinfurt hatte neben zwei Distanzschüssen von Thomann und dem eingewechselten Sachs nur eine ganz dicke Chance. Nach Doppelpass von Thomann und Fery musste sich Sascha Prell ganz lang machen, um Thomanns Schuss aus der Drehung um den Pfosten zu lenken. Im Gegenzug sollten die Hausherren zum zweiten Mal Kapital aus der Vielzahl ihrer Chancen schlagen. Von Sam mustergültig an der rechten Strafraumgrenze in Szene gesetzt, gewann Bächer das Laufduell gehen Breunig und zog in Torjäger-Manier sofort aus der Drehung ab. Der Ball fand genau den Weg ins lange Eck. Das 2:0 war Bächers 14. Streich in dieser Saison. Dem Ganzen noch eines drauf zu setzen, war dem kurz zuvor eingewechselten „Meister des gepflegten Passes“, Kristian Schmidt, vorbehalten. Diesmal legten Bächer, Sam, Elbl & Co. das Leder mustergültig für ihn auf. Mit dem Rücken zum Tor drehte er sich elegant um seinen Gegenspieler, verzögerte den Schuss um den entscheidenden Moment und schob lässig zum 3:0 ein (88.). Wenn Ballannahme und Dribbling zu einer fließenden Bewegung werden, dann streichelt Fußball-Ästhet Schmidt das Leder. „Schmidti“ ließ sich feiern und zwei Minuten später ging’s ab zur großen Party: „… jetzt sind wir Elfter, die andern nicht“.
Spielbericht eingestellt am 26.05.2013 13:40 Uhr