Eigentlich war ja schon vor dem Anpfiff alles klar: Der Würzburger FV hatte seit dem zweiten Spieltag nicht mehr verloren und gerade erst mit einer Siegesserie zum Angriff auf die Spitze geblasen. Und der TSV Kleinrinderfeld ging als Tabellenletzter mit vier Punkten als klarer Außenseiter in die Partie. Die fand übrigens auf dem Nebenplatz statt, der etwas kleiner ist als der Hauptplatz und damit den eng stehenden Kleinrinderfeldern zupass kam.
Benedikt Engert vom TSV Kleinrinderfeld (vorne) beackerte heute die rechte Seite, hier kommt er einen Tick zu spät gegen Steffen Krautschneider.
Nicolas Rupp
Bereits nach den ersten Minuten war den vielen mitgereisten Würzburger klar: Es wird nicht einfach werden hier in Kleinrinderfeld. Die Spieler von TSV-Trainer Norbert Mahler gaben ihren Gegnern kaum Platz zur Entfaltung und attackierten den ballführenden Spieler sofort mit ein oder zwei Mann. Das wurde über das gesamte Spiel in dieser Art und Weise fortgeführt, jeder Kleinrinderfelder kämpfte eines Derbys würdig. Die normalerweise spielerisch stärkeren Würzburger taten sich schwer, ihr Kombinationsspiel aufzuziehen und versuchten es in der ersten Halbzeit zumeist mit langen Bällen auf Bloemer oder Droszcz. Es musste nach einer Viertelstunde eine Standardsituation erhalten, um erstmals für Gefahr vor einem Tor zu sorgen: Istrefis Schuss nach kurzer Ablage von Krautschneider wurde von der vielbeinigen Kleinrinderfelder Abwehr geblockt, trudelte danach aber Richtung langen Pfosten, wo Mike Dellinger zur Führung einschieben konnte. Es lief also alles nach Plan für die Gäste: Die frühe Führung war da, der Sieg nur noch Formsache. Dachte man. Aber nur fünf Minuten nach dem ersten Tor foulte Adrian Istrefi im eigenen Strafraum völlig unnötig Manuel Jäger. Den fälligen Elfmeter jagte Peter Endres mittig in die Maschen – der Ausgleich. In einem Spiel voller Fouls und Nicklichkeiten gab es in der ersten Hälfte kaum Chancen. Wenn ein Team allerdings gefährlich vor dem gegnerischen Tor auftauchte, klingelte es auch meistens. So in Minute 35, als sich Droszcz auf links durchsetzte und den Blick für den freien Mann hatte. Der hieß in diesem Fall Andreas Ganzinger, der in aller Seelenruhe von der Strafraum kante abziehen konnte. TSV-Abwehrmann Alexander Pfeffer warf sich noch in den Schuss und fälschte ihn entscheidend hab, allerdings sah Torhüter Michael Hollenbach beim erneuten Rückstand nicht gut aus. Doch wieder sollte die Führung nur von kurzer Dauer sein: Peter Endres narrte im gegnerischen Strafraum mit einer Drehung die gesamte Würzburger Hintermannschaft und legte am Fünfer quer auf den aufgerückten Bastian Götzfried, der aus kurzer Distanz zum erneuten Ausgleich einschob (43.). Das war zugleich der Schlusspunkt einer turbulenten ersten Hälfte, die geprägt war von Zweikämpfen und Fouls. Wer allerdings dachte, das wäre nicht mehr zu toppen, der wurde in der zweiten Halbzeit eines Besseren belehrt.
Kleinrinderfeld kämpfte bis zum Umfallen: Stellvertretend dafür hier der Zweikampf von Manuel Jäger (re.) mit Adrian Istrefi (2. von re.).
Nicolas Rupp
Die zweite Halbzeit begann mit einem Paukenschlag: Einen eigentlich schon sicheren Ball köpfte Marcello Asta vorsichtshalber über das eigene Tor. Den folgenden Eckball für den TSV Kleinrinderfeld erreichte Endres mit dem Kopf zuerst, doch Joannis Karsanidis klärte für seinen bereits geschlagenen Schlussmann Sebastian Lechner auf der Linie. Der Ball landete aber direkt bei Ismir Ramaj, der unbedrängt zur vielumjubelten Führung für die Heimmannschaft einköpfte (46.). Jetzt ging es Schlag auf Schlag, nur fünf Minuten nach dem 3:2 flog Innenverteidiger Simon Lang mit Gelb-Rot vom Platz, nachdem er Pascal Bloemer gelegt hatte. Eine harte, aber vertretbare Entscheidung des Unparteiischen. Der anschließende Freistoß von Spezialist Steffen Krautschneider aus 25 Metern touchierte die Latte – Glück für Kleinrinderfeld (51.). Die folgenden 20 Minuten waren geprägt von wütenden Angriffen der Gäste, allerdings verteidigte die Elf von Norbert Mahler mit Glück und Geschick den knappen Vorsprung. Gerade als der Würzburger FV immer hektischer wurde und sich die Fehlpässe häuften, setzte sich der eingewechselte Tobias Riedner auf der rechten Seite gegen zwei Gegenspieler durch und brachte den Ball in die Mitte zu Istrefi. Dessen schwachen Schuss klatschte Keeper Hollenbach nach vorne ab und der ebenfalls eingewechselte Pascal Kamolz konnte zum 3:3 abstauben (73.). Natürlich drückte der WFV jetzt auf den Führungstreffer, alles andere als ein Sieg gegen den Tabellenletzten wäre ein herber Rückschlag für den Meisterschaftsfavoriten. Doch es passierte das genaue Gegenteil: Einen der seltenen Entlastungangriffe der Heimelf nutzte Peter Endres zur erneuten Führung (81.). Nachdem Joker Luan Kadrija nur drei Minuten später auf 5:3 erhöhte, waren die Heimfans nicht mehr zu halten: Fünf Tore im Derby gegen den übermächtigen Würzburger FV – das hatten vor dem Spiel nicht einmal die kühnsten Optimisten erwartet. Doch noch hatten die Spieler von WFV-Coach Michael Hochrein Zeit, zumal der Unparteiische bereits früh in der zweiten Hälfte andeutete, das ständige Zeitschinden von Kleinrinderfeld nachspielen zu lassen. Ein Schuss aus der zweiten Reihe von Istrefi ließ die Latte erzittern (86.). Dass Kamolz mit einem Sonntagsschuss aus 20 Metern sein Team noch einmal heranbrachte, ließ noch einmal Spannung aufkommen (90.+2). Kurz vor dem Ende langte Timo Rappl auf der rechten Außenbahn richtig hin – Für sein überhartes Einsteigen gab es glatt Rot. Der anschließende Freistoß brachte nichts mehr ein, der TSV brachte den knappen Vorsprung über die Ziellinie. Ein irres Spiel war zu Ende, spannend von der ersten bis zur letzten Minute. Zwar hatten beide Teams spielerisch noch viel Platz nach oben, mit Kampf und Einsatzbereitschaft wurde dieses Manko allerdings wettgemacht.
Hängende Köpfe gab es nach der Partie bei den Würzburger Spielern, während sich die Akteure der Heimmannschaft erschöpft in den Armen lagen. Im siebten Anlauf konnte Kleinrinderfeld den ersten Bayernligadreier vor heimischer Kulisse feiern – und das ausgerechnet im Derby. Zwischenzeitlich gab man damit sogar die rote Laterne an den 1. FC Trogen ab, der mit einem Punktgewinn im Kellerduell mit Selbitz am Sonntag aber wieder vorbeiziehen kann. Der TSV hat aber gezeigt, dass man ihn keinesfalls abschreiben darf. Der WFV verpasste mit der Niederlage den Anschluss an die Spitze und hat nun wieder vier Punkte Rückstand auf einen Aufstiegsplatz. Am Mittwoch gibt es erneut ein Derby für den Würzburger FV: Mit den Würzburger Kickers gastiert der Lokalrivale an der Sepp-Endres-Sportanlage, für viele Fans ist es das Spiel des Jahres.
Spielbericht eingestellt am 30.09.2012 04:55 Uhr