von Siggi Geupel
Nach fünf Niederlagen in Folge gab die SpVgg Selbitz ausgerechnet gegen einen der Topfavoriten der Liga ein Lebenszeichen der ganz besonderen Art von sich. In Unterzahl machten die wütend anstürmenden Mannen von Michael Voigt in den letzten acht Minuten einen 0:2-Rückstand gegen den Würzburger FV wett und eroberten sich die Herzen des Leid geplagten Selbitzer Anhangs im Sturm zurück. Dass man bereits ab der 15. Minute mit zehn Spielern über die Runden kommen musste, daran hatte nur ein Mann Schuld – Schiedsrichter Sven Laumer, der die Heimelf gleich zu Beginn in drei entscheidenden Situationen krass benachteiligte. Die folgenschwerste Spielszene ereignete sich nach einer Viertelstunde: Nach einer harmlosen Schubserei im Strafraum zwischen Daniel Schuster und Marcello Asta ließ sich Provokateur Asta zu Boden fallen. Laumer hatte die Situation selbst nicht gesehen, wie er nach dem Spiel einräumte. Deshalb konsultierte er seinen forsch auftretenden Linienrichter herbei und folgte dessen abstruser Auffassungsgabe. Eine Ermahnung beider Akteure hätte völlig genügt. Doch stattdessen musste der völlig konsternierte Schuster vom Feld, während Asta leer ausging und sich frech grinsend für einen Schauspiellehrgang für Fortgeschrittene empfahl. Die Selbitzer Volksseele kochte, zumal der Unparteiische bis dato das falsche Team dezimiert hatte. Gleich zwei Mal mussten die überraschten Würzburger in den ersten fünf Minuten die Notbremse gegen die durchgebrochenen Selbitzer Angreifer ziehen. Bereits nach zwei Minuten wurde Sturmtank Max Wunderlich alleine vor dem Tor rüde von den Beinen geholt. Laumer ließ es bei Gelb bewenden. Eine Bewertung, die man gerade noch nachvollziehen kann, weil Wunderlich bis zum Tor noch 40 Meter hätte zurücklegen müssen. Keinerlei Diskussion hätte die nächste Situation in der fünften Minute bedurft. Gabler eroberte gegen Asta das Leder und stand urplötzlich frei vor dem Torwart, bevor ihn Asta an der Strafraumgrenze von den Füßen holte. „Das waren beide Male gute Torchancen, die vereitelt wurden, aber keine hundertprozentigen Chancen. Deshalb habe ich beide Male nur Gelb gezeigt“, erklärte Laumer auf Befragung nach der Partie. Diese Meinung hatte er selbstverständlich völlig exklusiv, kam doch Gablers Chance einem Elfmeter gleich. Stattdessen musste die Rote Karte gegen Schuster erst einmal verdaut werden. Die bis dato selbstbewusst und spielstark auftretende Heimelf musste sich neu sortieren. Trainer Michael Voigt reagierte und nahm seinen Center-Stürmer Markus Bächer aus taktischen Gründen vom Feld. Für ihn kam Konterstürmer Christopher Kuhnlein, der erst einmal die linke Seite dicht machte. Die beiden Selbitzer Viererketten mussten sich weit zurückziehen, während die abgeklärten Gäste das Spiel geschickt in die Breite zogen und sich mehrere Standards erarbeiteten. Noch hielt das Selbitzer Abwehrbollwerk. Prell lenkte einen Kopfball von Istrefi mit Reflex über die Latte und klärte mehrere Male beim Herauslaufen energisch mit der Faust. Diese Sicherheit übertrug sich auf seine Vorderleute. Dennoch musste man angesichts der individuellen Klasse der Gäste bis zur Pause zwei bittere Nackenschläge hinnehmen. Ein schönes Anspiel am rechten Strafraumeck nutzte Top-Scorer Pascal Kamolz zu einem fulminanten Dropkick, der unhaltbar wie ein Geschoss zur Gästeführung im Selbitzer Kasten einschlug. Und auch das 0:2 der keineswegs überzeugenden Unterfranken gehörte zur Kategorie: „Kann schon mal die Eckfahne treffen." So aber fand Ganzingers Schlenzer aus 30 Metern nach schnell ausgeführtem Freistoß genau den Weg ins rechte Eck. Während sich Schiedsrichter Laumer beim Gang in die Kabine einer Eskorte aller zur Verfügung stehender Ordner erfreuen durfte, hatte der Selbitzer Anhang seine Hoffnungen bereits vollends begraben, obwohl die Blau-Weißen an diesem Tag eine sehr engagierte Partie ablieferten.
Doch der Fußball hält so manche Überraschung parat. Während Würzburg das Ergebnis im zweiten Durchgang nur noch verwalten wollte und nur noch eine gute Torchance durch den von Kamolz mit Übersicht freigespielten Blömer (59. Minute) haben sollte – Prell lenkte das Leder mit Reflex an den Pfosten – löste sich die tapfere Heimelf zusehends aus der Umklammerung , suchte das Direktspiel in die Spitze und erarbeitete sich durch die pfeilschnellen Kuhnlein und Wunderlich plötzlich auch Torchancen. Zusätzlich wurde die Heimelf durch eine Äußerung von Gästetrainer Michael Hochrein motiviert: „Die Bauern kommen hinten nicht raus. Dann müsst ihr sie hinten zu Fehlern zwingen“, rief er seinen Spielern zu, die den Sieg schon sicher glaubten. So viel Arroganz wurde dann auch bestraft. Einen „Bauern“ wie Ricardo Persigehl hätte sich Hochrein nur wünschen können. Der elegante Techniker mit dem feinen Fuß schwang sich nun zusammen mit dem eingewechselten Fabian Elbl zum Spielmacher auf. Noch sollten die frech aufspielenden Wunderlich und Kuhnlein im letzten Moment geblockt oder abgedrängt und Fabian Rauhs Distanzschuss mit Reflex abgewehrt werden. Doch nach Persigehls Zuckerpass auf Andreas Geupel war der Bann gebrochen. Die ganze Wut der vorangegangenen Ereignisse entlud sich. Geupel hatte noch kurz überlegt, abzuspielen, donnerte das Leder dann aber aus acht Metern halbrechts mit 120 Stundenkilometern unter den Giebel. Ein Tor, das die letzten Kräfte freisetzte und die Initialzündung zum nicht mehr für möglich gehaltenen Ausgleich war. Dem Selbitzer Publikumsliebling Fabian Elbl war es vorbehalten, das Tor vorzubereiten. Der leichtfüßige Supertechniker setzte am Strafraum nach und bugsierte das Leder im Fallen mit ganz viel Übersicht auf die andere Seite, wo Youngster Christopher Kuhnlein allein vor dem Torwart überhaupt keine Nerven zeigte und im Stile eines abgezockten Profis zum 2:2 einnetzte. Kurz darauf war Schluss und auch der Ärger über den Unparteiischen war ein Stück weit verraucht. Aus einer bärenstarken Selbitzer Mannschaft ragte Andreas Geupel noch heraus.
Spielbericht eingestellt am 26.08.2012 10:48 Uhr