von Siegmund Dunkert
Sie wollten nicht nur die Tabellenführung erobern, sondern auch ein Signal aussenden: Seht her, nichts und niemand hält uns auf, diese Saison gehört uns. Beides ist der SpVgg Bayreuth gründlich misslungen. Im Spitzenspiel der Regionalliga Bayern unterlagen die Altstädter ihrem Dauerrivalen FC Schweinfurt 05 deutlich mit 0:3 (0:1).
Viereinhalb Monate sind in einem Leben eine lächerlich geringe Zeit. Viereinhalb Monate können im Fußball eine kleine Ewigkeit sein. Nichts ist so alt wie der Erfolg von gestern, überall lauern Falltüren und locken Katapulte. Vermeintliche Gewissheiten verändern sich schnell, es ist, als würde man Schlangen beim Häuten zusehen. Vor viereinhalb Monaten sah die SpVgg Bayreuth nicht nur ihre Aufstiegsträume pulverisiert, sie fühlte sich erschlagen von der Dominanz des FC Schweinfurt 05, der soeben in den Playoffs im Hans-Walter-Wild-Stadion mit 4:0 triumphiert hatte. Am Samstag nun trafen sich beide Vereine wieder, doch die Welt war eine andere geworden. Mit 36 Punkten aus 14 Spielen thronten die Bayreuther deutlich über den Schweinfurtern (28 Punkte aus 15 Spielen), man könnte von einer Wachablösung sprechen. Tobias Strobl, der Trainer der Schnüdel, befürchtete vorab im BR-Interview, die SpVgg könne seinem Team bereits den Todesstoß im Aufstiegsrennen versetzen. Doch es kam anders. Die Vergangenheit holte die Altstädter ein.
Die Gastgeber begannen merkwürdig verhalten, so als wäre die quälende Erinnerung an das 0:4 weitaus präsenter als das Wissen um die eigene Stärke, das sich in den vergangenen Wochen sorgsam aufgebaut hatte. Zwar ist viel Ballbesitz für ein Team, das seine Stärken vor allem im schnellen Umschaltspiel hat, nicht zwingend erforderlich, aber es erstaunte dann doch, wie passiv die Bayreuther zunächst auftraten. Die Schweinfurter spürten das und zogen ihre Außenspieler weit nach vorne. So spielte sich das Geschehen fast ausschließlich in der Bayreuther Hälfte ab. Der Treffer zum 0:1 entsprang dann zwar einem Kunstschuss von Kevin Fery, der das Spielgerät nach einem abgewehrten Eckball aus dem Hinterhalt in den Torwinkel jagte (11.), aber er spiegelte die Kräfteverhältnisse auf dem Feld adäquat wider. „Ich fand, dass wir in der ersten Halbzeit mit wenig Mut, mit wenig Überzeugung gespielt haben“, legte Trainer Timo Rost den Finger in die Wunde.
Es dauerte bis zur 25. Minute, ehe die Bayreuther Offensive ein erstes Lebenszeichen sendete. Nach einem langen Ball setzte sich Alexander Nollenberger auf der linken Seite dynamisch durch und zog mit rechts von der Strafraumkante ab. Doch Schweinfurts Torwart Luis Zwick machte sich ganz lang und wehrte die einzige Bayreuther Chance im ersten Durchgang gekonnt ab. Das Niveau der druckvollen Anfangsphase konnten die Schnüdel zwar nicht aufrechterhalten, aber weil die fahrigen Bayreuther viele Bälle bereits im Mittelfeld verloren, war das auch nicht nötig. Fast wäre den Gästen noch vor der Pause der zweite Treffer geglückt. Nach einem katastrophalen Rückpass von Felix Weber rettete der entschlossen aus seinem Tor sprintende Sebastian Kolbe im letzten Moment vor Schweinfurts unverwüstlichem Torjäger Adam Jabiri (40.). Und man fragte sich unweigerlich, was nur aus dieser Bayreuther Mannschaft geworden war, die neun Auswärtssiege aneinandergereiht hatte und vor Selbstbewusstsein hätte strotzen müssen?
Sie zeigte sich nach der Pause, immerhin. Die Altstädter pressten nun hoch an, und im Mittelfeld verinnerlichte Benedikt Kirsch jene Rolle, die den Bayreuthern vor viereinhalb Monaten so schmerzlich gefehlt hatte: die des Mentalitätsspielers. Die Partie kippte, auch wenn sich das zunächst noch nicht in Torchancen niederschlug. Dann überspielte Kirsch jedoch mit einem grandiosen Pass gleich mehrere Schweinfurter. Ivan Knezevic hatte freie Bahn, scheiterte aber zunächst am famos reagierenden Zwick und schoss den Ball im zweiten Versuch ans Außennetz (58.). Die Bayreuther drückten nun auf den Ausgleich, boten den Gästen aber auch Raum zum Kontern. Mit Amar Suljic wechselte Gästetrainer Tobias Strobl einen Spieler für solche Situationen ein, und schon zwei Minuten später zahlte sich das aus. Suljic zog zwei Gegenspieler auf sich und setzte dann Ex-Profi Daniel Adlung in Szene, der den Ball aus ungünstigem Winkel an Kolbe vorbei zum 2:0 ins Tor streichelte (68.). Ob der Treffer nun auf Glück oder Genialität zurückzuführen war, ließ sich kaum beantworten, aber er zog den Bayreuthern endgültig den Stecker. Nach einem Konter erhöhte Suljic noch auf 3:0 (84.).
„Das Spiel ging vor allem in der ersten Halbzeit verloren. Eine Mannschaft, die auf Platz zwei steht und aufsteigen will, kann und muss gegen einen Topgegner und vor solch einer tollen Kulisse viel mutiger auftreten“, sagte Rost. „Das hat mit der Einstellung zu tun. Da sind wir – Stand jetzt – noch ein bisschen hintendran und müssen uns schleunigst verbessern.“ In viereinhalb Monaten kann die Welt schon wieder anders aussehen.
Spielbericht eingestellt am 12.10.2021 08:09 Uhr