von Rudi Dümpert
Die Prügel, die dem jungen Aubstädter Trainer Victor Kleinhenz in Gestalt von Verletzungen von Stammspielern zwischen die Beine fliegen, nehmen Woche für Woche zu und so auch direkt vor diesem ersten Punktspiel des TSV Aubstadt in der Regionalliga Bayern seit März. Man wollte nicht so viel darüber sprechen, um den Spielern den Kopf freizuhalten für dieses vermeintlich so wichtige Spiel gegen den FV Illertissen. Eine Niederlage, so wurde kolportiert, könnte fatale Folgen haben, ein Sieg befreiende Wirkung.
Nach diesem ebenso verdienten wie hart erarbeiteten 3:0 (2:0) der Aubstädter gingen viele der 200 Zuschauer, ob mit oder ohne Diskussion darüber, mit dem Gefühl nach Hause: „Das müsste der Klassenerhalt gewesen sein.“ Ist er natürlich noch nicht, aber ein großer Schritt dahin. Bestätigt sahen sich die, welche nach der 0:4-Klatsche gegen Aschaffenburg die Ursache vor allem am bärenstarken Gegner gesehen hatten. Dieser FV Illertissen verlangte den Aubstädtern alles ab, was sie in dieser Besetzung maximal zu bieten hatten.
Kaum zu überbietende Leidenschaft und Emotionalität
Auf der Verletztenliste standen beim TSV vor diesem Spiel Christopher Bieber, Michael Dellinger, Jens Trunk, Ben Müller und Leonard Langhans. Torhüter André Koob musste in der 44. Minute neu darauf gesetzt werden. Noch nicht spielberechtigt sind Vincent Held, Essa Ganes und der vergangenen Montag verpflichtete Dominik Weiß. Sein Pass liegt in München, bei Türkgücü oder beim Verband. Was dann Kleinhenz noch zur Verfügung stand, war eine vielleicht nicht so brillierende, aber spielerisch solide und von Kampfgeist, Leidenschaft und Emotionalität her nicht zu überbietende Regionalliga-Mannschaft.
Was Kleinhenz da bei seinem Regionalliga-Debüt herausgekitzelt und zusammengebastelt hatte, verdiente und bekam den Respekt der Zuschauer, die selten so großzügig mit ihrem Applaus bei jedem gewonnenen Zweikampf und bei den Auswechslungen waren. Als diese Mannschaft, die noch nie in der Formation zusammen gespielt hatte, auch noch in Unterzahl war, weil Spielleiter Andreas Dinger mit gelben Karten nur so um sich fuchtelte, dass er Steffen Behr (57.) mit Gelb-Rot rausschickte, da ersetzten sie den elften Mann. Der Funken von drinnen nach draußen war übergesprungen. Selten hat man Mannschaft und Fans so kooperieren sehen im Schulstadion.
Wer hinterher nach Negativem suchte, der fand nur die ersten zehn Minuten der Partie, die man wieder völlig dem Gegner überließ, als sei er Viktoria Aschaffenburg. Als man merkte, dass es mit Illertissen die Mannschaft war, die in den letzten zwei Ligapokal-Spielen acht Tore schoss (Kleinhenz: „Aber auch vier reinbekam“), da beantwortete man den Druck mit Gegendruck. Immer besser griffen die in elf Vorbereitungs-Wochen verinnerlichten Spielzüge, bis die erste Torchance kam. Steffen Behr (21.) brachte nicht genügend Druck hinter seinen Kopfball nach einem Freistoß von Ingo Feser. Doch eine Minute später belohnte man sich zum ersten Mal, wobei Patrick Hofmanns Flanke eigentlich zu lang geraten schien, den Strafraum querte, ohne dass Freund oder Feind sie erreichte.
Doppeltorschütze Feser lobt Co-Trainer Bieber
Absicht? „Da muss ich unseren Trainer für Standards, Christopher Bieber, loben“, verriet Feser. „Das haben wir so abgesprochen und geübt.“ Und die zwei Tore? „Das freut mich für die ganze Mannschaft.“ Feser kam von hinten angerauscht und setzte einen Strahl von Direktschuss unhaltbar ins Netz. Und jetzt machte Aubstadt, was es von Aschaffenburg gelernt hatte: Das Eisen schmieden, solange es heiß ist, sprich, nachsetzen, wenn der Gegner wackelt und auf die Vorentscheidung drängen.
Erst musste der TSV nachweisen, wie nervlich stabil er wieder ist, die Verletzung von Torhüter André Koob (44.) wegzustecken. Ihre Antwort: Das 2:0 durch Timo Pitter (45.) nach feiner Vorarbeit von Daniel Leicht und Hofmann. Auch hier schien die Chance schon vorbei, weil Pitter, von erst einem, dann zwei, dann drei Gegnern bedrängt den Abschluss so lange verzögerte, bis er nur noch die Spitze hinter den Ball brachte. Doch die reichte zum 2:0-Halbzeit-Ergebnis.
Volkmuth demonstriert seine Wichtigkeit fürs Team
Nach Gelb-Rot für Behr wackelte der TSV kaum sichtbar. Da brillierten die Kämpfer und die Techniker sorgten für die Strukturen, die immer auf Spielaufbau wie zu elft und auf Gegenstoß ausgerichtet waren. Marcel Volkmuth, nicht eben der Filigran-Techniker mit der feinen Klinge, demonstrierte, was auch zu einer erfolgreichen Mannschaft gehört: Indianer, nicht nur Häuptlinge. Das Gelbe-Karten-Festival bekam vier Nachspielminuten, in denen Feser „spekulierte, dass ich den Eckball vom Gegner zurück kriege.“ Aus spitzem Winkel setzte er an zum Schuss, verzögerte und dann mit Gefühl und Kraft rein ins lange Eck zum 3:0.
Kleinhenz lobte „meine Jungs, wie sie sich in Unterzahl gewehrt haben. Natürlich tut uns allen das gut, dem Trainerteam und der Mannschaft. Wir haben gezeigt, dass wir es können.“ Schließlich war es für ihn und sechs Spieler die Regionalliga-Bayern-Premiere. „Und dem Klassenerhalt sind wir ein gewaltiges Stück näher gekommen.“
Spielbericht eingestellt am 01.11.2020 21:55 Uhr