Unterschiedlicher hätten die Vorzeichen vor dem ersten Lokalderby zwischen dem Würzburger FV und den Würzburger Kickers seit zweieinhalb Jahren nicht sein können: Der WFV hinkt in der Bayernliga den eigenen Ansprüchen hinterher und fing sich am vergangenen Samstag eine 4:5-Schlappe beim Schlusslicht aus Kleinrinderfeld ein. Die Kickers mischen derweil die Regionalliga auf und stehen nach drei Siegen in Folge auf einem sensationellen fünften Platz, den ihnen vor der Spielzeit wohl die wenigsten zugetraut hätten. Doch all das zählte heute nicht und auch auf die Gefahr hin, einen gewissen Betrag in ein Phrasenschwein werfen zu müssen, es zeigte sich einmal mehr: Der Pokal hat seine eigenen Gesetze.
Auf beiden Seiten wurde mit viel Einsatz gespielt, hier kämpfen Wojtek Droszcz vom WFV (re.) und Carl Murphy (mi.) um die Kugel.
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Es waren noch keine zwei Minuten vergangen, da tauchten die Gäste vom Dallenberg bereits das erste Mal gefährlich vor dem Tor von Jan-Peter Grunz auf. Doch die etatmäßige Nummer Zwei des Würzburger FV, der jedoch im Pokal immer eine Bewährungschance erhält, lenkte einen Freistoß von Kickers-Spielmacher Manuel Duhnke mit den Fingerspitzen um den Pfosten. Im Gegenzug lupfte Wojtek Droszcz den Ball zu Adrian Istrefi, der von der Strafraumkante mit vollem Risiko volley abzog, den Ball aber einige Meter über das Tor von Gäste-Kapitän Daniel Tsiflidis drosch (3.). Genauso munter wie es begonnen hat, ging das Spiel weiter: Vor allem die Heimelf zeigte sich im Vergleich zur Partie in Kleinrinderfeld wie ausgewechselt und spielte sich einige gute Chancen heraus. Allein Pascal Bloemer hätte mit zwei Möglichkeiten innerhalb von zehn Minuten sein Team in Führung bringen können. Doch erst blieb er mit einem Schlenzer aus aussichtsreicher Position erfolglos (16.), dann scheiterte er an Keeper Tsiflidis, nachdem ihn Droszcz mit einem Zuckerpass wunderbar in Szene gesetzt hatte (26.). Die Gäste vom Dallenberg blieben insbesondere bei Standardsituationen gefährlich, hatten aber insgesamt etwas weniger Spielanteile als der WFV. Eine Freistoßflanke von Duhnke erreichte Cristian Alexandru Dan, dessen Kopfball aus kurzer Distanz von Grunz mit einem Reflex zu Ecke geklärt werden konnte (14.). Je länger sich die erste Hälfte hinzog, desto mehr zog die Heimmannschaft das Heft an sich. Umso überraschender, dass ausgerechnet in einer starken Phase des WFV das Gegentor fiel. Bei einem der immer seltener gewordenen Entlastungangriffe der Rothosen setzte sich Dan im Luftduell gegen Außenverteidiger Andreas Ganzinger durch. Der Ball kam maßgerecht zu Manuel Duhnke, der von der Strafraumkante mit einem überlegten Schuss ins linke Eck Grunz keine Chance ließ – das 0:1 (37.). Wie schon einige Male in dieser Saison schlugen die Kickers eiskalt zu. Bis zur Halbzeit hatte der WFV erstmal den Schock über den Rückstand zu verkraften, während die Kickers mit der Führung im Rücken an Sicherheit gewannen.
Nach drei abgewehrten Elfern darf man sich auch mal feiern lassen: WFV-Torhüter Jan-Peter Grunz.
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Mit frischem Engagement kam der Würzburger FV aus der Kabine – die die Gäste gar nicht erst aufgesucht hatten. Nachdem man sich vor dem Spiel bereits am heimischen Dallenberg umgezogen hatte, ging es für die Kickers auch in der Pause nicht in die Katakomben. Stattdessen hielt Trainer Dieter Wirsching seine Halbzeitansprache auf dem Platz. Die erste Viertelstunde der zweiten Hälfte war geprägt vom Anrennen der Heimelf, die sich aber immer wieder im Mittelfeld und der Verteidigung der Rothosen festlief. Erst in der 62. Minute kam es zum nächsten Aufreger, als Ricardo Borba einen Freistoß aus zentraler Position direkt an das Lattenkreuz knallte – hier hätte Grunz keine Chance gehabt. Einige Minuten später brannte es wieder lichterloh im Strafraum des WFV, als eine angeschnittene Flanke von Duhnke – natürlich wieder ein Freistoß – aus halblinker Position an Freund und Feind vorbeisegelte und schließlich am langen Pfosten landete (70.). Trotz inzwischen klarer Feldüberlegenheit konnte das Team von Michael Hochrein inzwischen von Glück reden, nicht mit zwei oder drei Toren zurückzuliegen. Es wurden in der Offensive einfach keine klaren Torchancen mehr herausgespielt. Die Gäste verwalteten indes ihren knappen Vorsprung mit der Cleverness eines Regionalligisten und taten nach vorne nicht mehr als das Nötigste. Als schon einige der WFV-Anhänger anfingen, sich mit der Niederlage anzufreunden, schlug die Stunde des für den glücklosen Pascal Bloemer eingewechselten Tobias Riedner. Der verwertete einen Eckball des ebenfalls eingewechselten Steffen Krautschneider per Kopf zum vielumjubelten Ausgleich (82.). Und kurze Zeit später spielt der ehemalige Kickersspieler bei einem Konter den entscheidenden Pass auf Pascal Kamolz, der alleine auf Tsiflidis zulief und den Ball mit viel Übersicht an diesem vorbei ins lange Eck schob (85.). Unglaublich: Nur drei Minuten reichten dem Bayernligisten, um das Spiel zu drehen. Erst jetzt wachten die Kickers wieder auf und drängten nun ihrerseits auf den Ausgleich. Mit Glück und Geschick verteidigte der WFV die knappe Führung – bis zur 93. Minute. Da zeigte sich die individuelle Klasse eines Ricardo Borba, der auf rechts zunächst Benjamin Schömig stehen ließ und im Strafraum an der Torauslinie Richtung Tor zog. Alle rechneten mit einem Rückpass, doch der schlitzohrige Mittelfeldspieler lupfte den Ball aus spitzem Winkel über den herausstürzenden Grunz und die Kugel fand – wohl mit Hilfe des einen oder anderen Würzburger Verteidigerbeines den Weg ins Tor und damit zum 2:2. Direkt im Anschluss pfiff der Unparteiische ab, die Entscheidung sollte im Elfmeterschießen fallen.
Die Spannung sollte nach einem ohnehin schon nervenzehrenden Spiel nun noch weiter steigen. Die 3.000 Zuschauer verfolgten gebannt, wie sich beim Elfmeterschießen vor allem die beiden Keeper auszeichneten. Gäste-Schlussmann Tsiflidis konnte immerhin zwei Elfmeter entschärfen. Mit drei gehaltenen Elfern hätte WFV-Torhüter Jan-Peter Grunz der Spieler des Spiels sein können – wenn da nicht Tobias Riedner gewesen wäre. Denn der Edeljoker von Michael Hochrein trat – nachdem er bereits an beiden WFV-Toren in der regulären Spielzeit beteiligt war – höchstpersönlich zum entscheidenden fünften Elfmeter für sein Team an. Als er Tsiflidis mit seinem Versuch in die falsche Ecke schickte und den Würzburger FV damit ins Viertelfinale des Toto-Pokals schoss, gab es kein Halten mehr: Alle Mitspieler stürmten auf den Matchwinner zu und begruben ihn unter einer Jubeltraube. Unter den Gesängen ihrer Fans („Derbysieg, Derbysieg“ und dem obligatorischen „Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin“) feierten die WFV-Spieler ausgelassen den Sieg, während die Kickers schon lange den Platz verlassen hatten. Für sie liegt der Fokus bereits auf dem nächsten Spiel der Regionalliga beim TSV Buchbach, während die Heimmannschaft den Schwung aus dem Derbysieg in den Ligaalltag mitnehmen will.
Spielbericht eingestellt am 03.10.2012 19:44 Uhr