"Mach's ruhig!" Immer wieder hallte, vor allem in der ersten Halbzeit, dieser Ruf über den Sportplatz des FC Sand. Immer wieder nach dem gleichen Szenario. Die Gastgeber hatten einen Angriff der Kahler abgewehrt! Aber anstatt schnell nach vorne zu spielen, versuchten sie erst einmal Ruhe ins Spiel zu bringen. Ein gefundenes Fressen für die Gäste, die sich - im wahrsten Sinne des Wortes - in aller Ruhe neu formieren konnten. Die Ruhe im Sander Spiel war der vielleicht entscheidende Unterschied zwischen den beiden Teams an diesem frühen Samstagabend. Während bei Sand Ruhe erste Spielerpflicht war, lieferte Viktoria Kahl immer wieder Musterbeispiele für schnelles Umschaltspiel. Balleroberung, Pass in die Spitze, Abschluss. Nadelstiche, denen die Gastgeber mit ihrem gemächlichen Spielaufbau nur wenig entgegenzusetzen hatten.
Da nützt aller Einsatz nichts: Sebastian Götz (re.) zieht im Zweikampf den Kürzeren.
Marco Heumann
Sands Trainer Erwin Albert hatte der gleichen Mannschaft das Vertrauen geschenkt, die in der letzten Woche beim 1:0-Sieg bei Don Bosco Bamberg die Tabellenführung erobert hatte. Die einzige Änderung gab es auf der Bank, wo Matthias Hoff, erstmals nach seiner Verletzungspause, wieder Platz nahm. Im 4-2-3-1-System agierte Kapitän Daniel Rinbergas als einzige Spitze vor dem zentralen Mittelfeldspieler Stefan Krines, der von den Außen Fabian Benkert (obwohl Linksfuß auf der rechten Seite) und Dominik Barth (links) unterstützt wurde.
Auch die Gäste setzten auf ein 4-2-3-1 mit Goalgetter Gökhan Aydin als einzige Spitze und den Grundsatz "Never change a winning team". Coach Muhamed Preljecvic setzte die 3:2-Sieger aus dem Match bei der Reserve des Würzburger FV komplett erneut ein und konnte nach dem Schlusspfiff ein mehr als zufriedenstellendes Fazit ziehen. "Meine Jungs haben leidenschaftlich Fußball gespielt und heute in Sand ihr bestes Saisonspiel gemacht", hatte er ein dickes Lob für seine Mannschaft parat. Erwin Albert dagegen räumte ehrlich ein, "dass wir noch nicht einmal in der Bayernliga so schlecht wie heute gespielt haben".
Dabei hatte eigentlich alles nach Plan begonnen. Die Sander bestimmten gegen tief stehende Kahler das Geschehen und erspielten sich schnell ein optisches Übergewicht. Auffällig dabei: Die Gastgeber versuchten es meist mit langen Bällen auf Spielführer Daniel Rinbergas. Ein alles andere als probates Mittel. Der Stoßstürmer blieb gegen die starken Innenverteidiger Sergej Rieger und Jasko Colovic meist chancenlos. Zudem ergatterte das Mittelfeld zu wenig zweite Bälle, die meist eine sichere Beute des überragenden Kahler Spielführers Patrick Smith wurden.
So blieben, bei aller Überlegenheit, klare Torchancen des Tabellenführers Mangelware. Ein wenig gefährlich wurde es lediglich zweimal. Zunächst in der 25. Minute, als Stefan Krines bei einem der wenigen Angriffe ohne langen Ball Daniel Rinbergas mit einem schönen Pass durch die Schnittstelle zwischen den beiden Innenverteidigern freispielte, der Kapitän den Ball aber aus 16 Metern nicht voll traf, sodass Andreas Wagner im Kahler Tor ohne Probleme parieren konnte. In der 32. Minute kam dann Stefan Wasser nach einer Freistoßflanke von Fabian Benkert mit dem Kopf nicht richtig hinter den Ball, sodass dieser übers statt aufs Tor segelte.
Zwei Minuten später dann der erste Kahler Nadelstich. Und was für einer. Der schwache Bernd Pankratz und der oftmals übereifrige Dominik Barth hatten den Ball auf der linken Seite auf Höhe der Mittellinie vertändelt. Blitzschnell schalteten die Kahler um, ein schneller Pass in die Mitte, wo zwischen den beiden Sander Sechsern, die sich in der Vorwärtsbewegung befanden, und den Innenverteidigern ein großes Loch klaffte. Dennis Rung war gedankenschnell gestartet und hatte keine Mühe, freistehend vor Dominik Biemer den ersten Treffer der Begegnung zu erzielen.
Ein Tor, mit dem sich das Geschehen grundlegend änderte. Sand wurde zunehmend nervös und unsicher, Kahl setzte mit blitzgescheiten Angriffen weitere Nadelstiche. Der technisch starke Gökhan Aydin machte den Ball immer wieder geschickt fest und setzte seine Mitspieler in Szene. Viel hätte nicht gefeht, und Dorian Tobollik hätte in der 40. (Schuss aus 16 Metern, erneut nach einem Ballverlust im linken Mittelfeld) und 46. Minute (Dominik Biemer rettete mit einem tollen Reflex) aus einem 1:0 ein 3:0 gemacht. Es wäre - gemessen an der Schlussphase und den Chancen - nicht einmal unverdient gewesen.
Auch Dinis Ribeiro hatte mit seinem Versuch kein Glück.
Marco Heumann
Nach der Pause reagierte Erwin Albert und ersetzte Bernd Pankratz durch Dinis Ribeiro. Fabian Benkert rückte von rechts vorne nach links hinten, der zuletzt angeschlagene Portugiese übernahm die linke offensive Außenbahn. Für ihn rückte Dominik Barth ins Sturmzentrum. Daniel Rinbergas sollte auf der Zehn versuchen, dem Spiel mehr Struktur zu geben und Stefan Krines spielte, statt in der Mitte, auf der rechten Außenbahn.
Ein Plan, der nach 240 Sekunden schon fast wieder ad acta gelegt werden konnte. Da hatte André Karmann im Strafraum den durchgebrochenen Patrick Farbmacher an der Schulter gezogen. Ein unnötiger Strafstoß, den Gökhan Aydin lässig zum 2:0 verwandelte. Der Kahler Goalgetter spielte auch sechs Minuten später eine Hauptrolle. Wieder ein leichter Sander Ballverlust auf links, wieder ein schneller Pass in die Spitze. Innenverteidiger Stefan Nöthling greift gegen Gökhan Aydin nicht entschlossen genug ein. Ein Angebot, das der Stürmer gerne annahm. Aus zwölf Metern halbrechter Position ließ er Dominik Biemer mit einem Schrägschuss keine Chance. Sein zweiter Doppelpack in Folge, das 3:0! Die Vorentscheidung?
Fast schien es so. Zwar machten die Sander in der Folge Druck und versuchten alles, um die Kahler zu Fehlern zu zwingen. Durch Ideenreichtum zeichneten sich Daniel Rinbergas und Co jedoch dabei nicht aus. Es wurde weiter vorwiegend mit langen Bällen agiert, die die sehr sicher stehende Kahler Defensive um Spielführer Patrick Smith, der kaum einen Zweikampf am Boden und in der Luft verlor, kaum in Bedrägnis bringen konnte. Daran änderte auch die doppelte Einwechslung von Matthias Hoff und Jan Derra nach 60 Minuten nichts. Gefährlich wurde es - wenn überhaupt - dann nur nach Standards. Zum Beispiel in der 74. Minute. Da stand Fabian Benkert nach einer Ecke von rechts mit anschließender Kopfballverlängerung völlig frei und konnte per Kopf das 1:3 erzielen. Ein Hoffnungsschimmer?
Vielleicht! Alerdings änderte sich an der Spielweise der Gastgeber nur wenig. Statt mit schnellen Pässen zu kombinieren, wurde weiter auf lange Bälle oder Dribblings, bei denen man oft am Gegner hängenblieb, gesetzt. Das letzte Aufbäumen war dabei nur schwer zu erkennen. Wenn Chancen, dann gab es die bei schnellen Kontern eher für die Gäste, denen es aber an der letzten Konsequenz fehlte, um für die endgültige Entscheidung zu sorgen. Als der Schiedsrichter dann bereits die Nachspielzeit angezeigt hatte, gelang Matthias Hoff doch noch das 2:3. Plötzlich keimte Spannung auf. Die währte jedoch nur wenige Sekunden. Den kurz nach dem Wiederanpfiff folgte schon der Schlusspfiff. Die Tabellenführung des FC Sand war nach einer verdienten Heimniederlage erst einmal passé.
"Vielleicht sollten wir nur noch auswärts spielen", flüchtete sich Erwin Albert angesichts des erneuten Punktverlustes im Seestadion nach dem Schlusspfiff ein wenig in Galgenhumor. Tatsächlich scheint der Heimvorteil in "einer Liga, in der offenbar jeder jeden schlagen kann" (Erwin Albert) kaum etwas Wert zu sein. Ein Satz, den wohl auch Muhamed Preljevic ohne Probleme unterschreiben würde. Schließlich steht seine Mannschaft nach dem fünften Sieg in der Fremde auf Platz zwei des Auswärtsrankings (übrigens hinter dem FC Sand) und auf einem mehr als beachtlichen vierten Platz in der Gesamttabelle. Mit der intelligenten Spielweise ist der Neuling eine echte Bereicherung für die Liga. Wer die Mannschaft in Sand gesehen hat, der wird das vom Trainer weiterhin ausgegebene Ziel "Wir wollen so schnell wie möglich 40 Punkte und damit den Klassenerhalt erreichen!" wohl als Tiefstapelei werten. Agiert das Team weiter so wie am Samstag, dürften die 40 Zähler noch vor der Winterpause fallen und ein Platz im Vorderfeld der Landesliga Nordwest keine Utopie sein. Den strebt auch der FC Sand an. Und die Chancen stehen nicht so schlecht! Schließlich darf man am kommenden Wochenende bei der TuS Frammersbach wieder auswärts ran.
Spielbericht eingestellt am 29.09.2013 13:44 Uhr