Thomas Raßbach im Interview: Schiri-Notbremse muss von ganz oben gezogen werden - fussballn.de
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Artikel veröffentlicht am 29.12.2021 um 07:00 Uhr
Thomas Raßbach im Interview: Schiri-Notbremse muss von ganz oben gezogen werden
INTERVIEW Zum ersten Mal in der Geschichte von Bayerns Amateurfußballs wurden Tabellen per Quotient abgerechnet. In der ersten Hälfte 2021 rollte kein Ball, danach dafür ziemlich planmäßig. Im fussballn.de-Interview der Woche schaut der BFV-Kreisvorsitzende Nürnberg/Frankenhöhe Thomas Raßbach zurück auf ein außergewöhnliches Jahr, gibt zugleich Einblicke auf das, was in der nahen Zukunft den Fußball im Kreis bewegen wird.  
Von Marco Galuska
Thomas Raßbach
fussballn.de / Kögel
"Zwischen den Tagen" wäre normalerweise die Zeit, in der die Vorbereitungen in Richtung Hallenkreisfinale läuft. Mit welchem Sport vertreibt sich der Kreisspielleiter Thomas Raßbach in diesem Jahr die Zeit?

Thomas Raßbach (57):
Aktuell mit „Englischem Sport“, einem Land, das mit der Bekämpfung der Pandemie ganz andere Wege geht. Ein etwas reduzierter Boxing Day mit einem sensationellen Spiel zwischen ManCity und Leicester und natürlich Ally Pally, bei der unsere Deutschen jetzt zwar ausgeschieden sind, aber trotzdem tollen Sport geboten haben. Highlight war natürlich das Sensationsmatch Price gegen Huybrechts, das erst im Sudden Death Leg zugunsten von Price entschieden werden konnte.

Und abseits des Sports im TV - wie sieht die Arbeit als Kreisvorsitzender und Kreisspielleiter in dieser Winterpause ohne Halle aus?

Raßbach:
Das sind die klassischen Funktionärstätigkeiten, aktuell laufen die Vorbereitungen der Kreistage des BFV und des BLSV im kommenden Jahr 2022.

Blicken wir zunächst zurück auf das in dieser Woche endende Kalenderjahr 2021: Im ersten Halbjahr wurden keine Punkte ausgespielt, aber Auf- und Abstieg geregelt. Wie steht der Verbands- und Vereinsfunktionär – und letztlich auch der Fußballfan – Thomas Raßbach dazu?

Raßbach:
Als Funktionär und Fußballfan bin ich natürlich für sportliche Entscheidungen auf dem Platz. Leider hat dies die Pandemie verhindert und sehr viele unglückliche Entscheidungen waren mit den dann gefundenen Regelungen verbunden. Trotzdem war es am Ende wahrscheinlich noch die beste von den vielen schlechten Lösungsansätzen.

Der Spielbetrieb im zweiten Halbjahr lief nahezu planmäßig. Was waren die Faktoren dafür?

Raßbach:
COVID19 hat in der Zeit kaum eine Rolle gespielt, der Wettergott war zudem sehr gnädig mit uns, aber es war auch eine außergewöhnliche Disziplin bei den Vereinen hinsichtlich der Durchführung des Spielbetriebs festzustellen.

Der Großteil der Partien konnte trotz sich anbahnender vierter Welle regulär gespielt werden. Ist der „harte“ Weg, dass keine Spiele zu schnell ins nächste Jahr verlegt werden, auch für die Zukunft der richtige?

Raßbach:
Wie bereits erwähnt, waren die Vereine außerordentlich diszipliniert, ob das nun an unserer strengen Linie oder an den Erkenntnissen der Vorsaison lag, ist schwer zu sagen. Wahrscheinlich war es so eine Kombination aus beiden Faktoren.

Besonders augenfällig wurden im Sommer die zahlreichen Sportgerichtsurteile in den B-Klassen. Muss man sich da als Verbandsfunktionär nicht auch selbst hinterfragen, ob die Kommunikation bzw. Erinnerung an die Regularien ungenügend war? Denn schließlich war da kein vorsätzlicher Betrug durch die Vereine dabei – und es traf auch einige Vereine, die man dabei nicht vermutet hätte...

Raßbach:
Jein. Unkenntnis schützt vor Strafe nicht. Kommunikativ hatten wir natürlich das große Problem der fehlenden Spielleitertagungen. Aber trotzdem werden die Vorschriften und Änderungen immer an alle Vereine publiziert. Gleichzeitig stehen wir von der Spielleitung auch immer zur Verfügung für entsprechende Fragen. Wir wollen natürlich auch niemanden vorsätzliche Betrugsabsichten vorwerfen, aber wo ziehen wir tatsächlich die Grenze? Ich denke, es ist schon allgemein bekannt, dass die Regularien gerne bis auf das Letzte und dann halt auch manchmal darüber hinaus ausgenutzt werden.

Direkt nachgefragt: Wie entgeht man in Zukunft dem Vorwurf, dass es sich um willkommene „Geldschneiderei“ aus Reihen des BFV handelt, wenn Vereine rund 270 Euro für ein Vergehen aufgebrummt bekommen, das offensichtlich auf Unkenntnis der Statuten beruht?

Raßbach:
 Ich kenne die Größenordnung der Strafen nicht, die hier im Kreis Nürnberg/Frankenhöhe anfallen. Aber nochmals: Das sind alles Strafen, die die Vereine beeinflussen können. Es ist beispielsweise jedes Jahr zu Saisonbeginn und Rundenbeginn im Frühjahr unbegreiflich, wie viele Passvergehen es im Bereich der Vorbereitungsspiele gibt. Vergehen, die mit Vorlage der Spielberechtigung etc. alle geheilt werden könnten und den Vereinen sehr viel Geld einsparen würden.

Die Tagung der Spielleiter vor Rundenbeginn in Präsenz entfielen auch 2021.
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Nun waren über zwei Jahre keine Rundentagungen in Präsenz mehr möglich. Was geht da neben solch einem Thema verloren?

Raßbach:
Natürlich geht der menschliche Faktor als Vertrauensbasis komplett verloren! Im Bereich der Spielleitungen der Vereine gibt es naturgemäß immer eine gewisse Fluktuation und da sind halt diese Tagungen immer die Gelegenheit, sich auch persönlich untereinander kennen zu lernen. Darüber hinaus wollen wir den Spielbetrieb weiterentwickeln. Ideen und Ansätze hierzu, ob von unserer Seite aus oder von Vereinsseite aus, sollten meiner Meinung nach nur persönlich diskutiert werden, diese Möglichkeit hatten wir leider nicht.

Auch der Kick unterm Hallendach ist im zweiten Jahr auf Eis gelegt. Besteht die Gefahr, dass diese Jahreszeit für den Fußball auch in Zukunft mehr oder weniger komplett verloren geht?

Raßbach:
Der Hallenfußball, egal in welcher Form er gespielt wurde, war tendenziell schon die vergangenen Jahre rückläufig. Wir hatten im Kreis ja den Gedanken, hier auch auf eine Art Ligaspielbetrieb umzustellen, da die Turnierform des Verbandes nicht mehr so angenommen wurde. Ich denke, dieser Gedanke lässt sich jederzeit wiederaufnehmen.

Blicken wir auf das kommende Jahr: Die Ankündigung, man müsse sich auf einen Wettbewerb unter 2G-Bedingungen einrichten, hat Empörung in den Kommentaren ausgelöst. Welche Resonanz gab es daneben noch persönlich für dieses Schreiben an die Vereine?

Raßbach:
Es gab sicherlich ein paar Anrufe, meistens begannen sie so wie in den Kommentaren und nach ein paar Sekunden Gesprächsdauer haben sie es kapiert. Nochmals auch hier zu Klarstellung: Die Rahmenbedingungen für die Sportausübung gibt die Bayerische Staatsregierung - und nicht der BFV - vor. Aber, meine persönliche Meinung, wenn die Bayerische Staatsregierung Sport unter 2G zulässt, sollten wir als Verband auch den Spielbetrieb unter diesen Bedingungen durchführen.

Nun fällt in den Diskussionen, gerade in sozialen Medien, zuletzt besonders auf, dass dort der Verband auch für politische Entscheidungen verantwortlich gemacht wird. Andererseits werden auch Regelungen, wie die Abschaffung von 2G-plus draußen, von einigen gar nicht mehr als Erleichterung wahrgenommen. Wie kann man als Funktionär auf Kreisebene die Vereine in so einem Diskussionsumfeld am besten mitnehmen?

Raßbach:
Ein Großteil der Vereinsfunktionäre kann das sehr wohl unterscheiden, da sie sich - leider - täglich mit geänderten Vorschriften zurechtfinden müssen. Sie wissen daher auch, dass der Schlingerkurs der bayerischen Staatsregierung nicht gerade vertrauensbildend ist und nicht dem BFV angelastet werden kann. Dass eine Vielzahl, gerade der jungen Fußballer, die Zusammenhänge nicht richtig begreift, liegt aber auch darin begründet, dass die Vereine selbst – aufgrund der Pandemiebeschränkungen – wenig Aufklärungsarbeit liefern können. Als Funktionär auf Kreisebene kann man hier nur sehr wenig machen, ich halte da auch nicht so viel davon, da jede Formulierung wiederum anders gedeutet werden kann. Aber in unserer medialen Zeit kann ich auch auf die Webseiten des BFV und des BLSV verweisen, die beide sehr aktuell auf gegebenenfalls erfolgte Änderungen im Bereich eines Spielbetriebs reagieren.

Die ersten Nachholspiele im Kreis sind auf Ende Februar terminiert. Ist das nicht etwas optimistisch aus heutiger Sicht gedacht?

Raßbach:
Was heißt hier optimistisch!? Der aktuelle Wetterbericht sagt für 30. und 31. Dezember Temperaturen mit 14 Grad vorher... Aber tatsächlich im Ernst, wir hatten schon Frühjahre, in denen das möglich war und daher wollten wir uns diese Option offenhalten. Wir werden aber gegebenenfalls frühzeitig diese Termine anpassen, wenn pandemie- oder wetterbedingt absehbar ist, dass diese Termine nicht zu realisieren sind.

Die gewählten Funktionäre im Kreis Nürnberg/Frankenhöhe 2014.
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Ende März steht der BFV-Kreistag 2022 in der Nürnberger Gartenstadt an. 2010 wurde Thomas Raßbach dort als Nachfolger von Konrad Meier gewählt – und hat auch nach zwölf Jahren noch Spaß an der Aufgabe?

Raßbach:
Ganz ehrlich, nicht mehr so richtig. Gewählt wurde und bin ich als Kreisvorsitzender und Kreisspielleiter. Beides mache ich sehr gerne. Leider waren diese Kenntnisse in den vergangenen Monaten kaum noch gefragt – es geht nur noch um die Pandemie, was man wann mit wem wie lange machen darf – das hat die Freude doch sehr stark getrübt.

Aber es geht weiter. Auch mit dem seit diesem Jahr weitgehend neuen Spielleiter-Team?

Raßbach:
Die Probezeit haben alle Spielleiter bei mir und ich bei ihnen bestanden. (lacht) Wir starten also mit dem aktuellem Team in die neue Legislaturperiode.

Uwe Paul (links) war einer jener vertrauten Funktionäre, die über Jahre zum Funktionärsteam um Thomas Raßbach gehörten.
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2010 rumorte es zwischen den Altkreisen Nürnberg/Fürth und Frankenhöhe noch gewaltig. Was war der Schlüssel, dass diese alte Front über die Jahre abgebaut werden konnte und sich die Vereine in dem doch großen Kreis wiederfinden?

Raßbach:
 Es war letztlich die Erkenntnis, dass wir zwar alle im Kreis Fußball spielen, aber gerade deswegen doch auch regionale Besonderheiten uns bewahren können. Es muss nicht alles über einen Kamm geschoren werden. Gleichzeitig hatte ich das wahnsinnige Glück, ein tolles Funktionärsteam in all den Jahren führen zu können, das sich nicht miteinander beschäftigt, sondern ausschließlich um die Weiterentwicklung des Spielbetriebs im Kreis Nürnberg/Frankenhöhe gekümmert hat.

Welche Themen stehen für den Fußballkreis Nürnberg/Frankenhöhe in Zukunft ganz oben auf der Agenda?

Raßbach:
Unser Hauptaugenmerk muss auf die Jugendarbeit gelegt werden. Ich sehe da trotz oder gerade wegen der Pandemie ein riesiges Potential für den Fußballsport. Gleichwohl müssen wir uns mehr Gedanken machen, wie wir die Jugendlichen im Spielbetrieb bis zum Seniorenbereich halten. Da gehen uns zu viele potentielle Fußballspieler einfach verloren. Im Bereich des Mädchen- und Frauenfußballs sehe ich einen Re-Start schwieriger, hier gilt es mit gezielten Aktionen auf Vereinsebene wieder Schwung reinzubringen. Der Herrenspielbetrieb wird sich auch künftig mit einer Reduzierung der Mannschaftszahlen, spielstarken Ligen und den immer stärker auftretenden Spielgemeinschaften auseinandersetzen müssen. Außerdem gilt es, die sportliche Vormachtstellung des Kreises Nürnberg/Frankenhöhe in den höheren Ligen im Bezirk Mittelfranken zu erhalten. Die aktuelle sportliche Situation der Mannschaften aus Nürnberg/Frankenhöhe in den Bezirksligen zeigt, dass auch hier Handlungsbedarf besteht. Aber an anderer Stelle ist er noch gravierender...

Wo genau?

Raßbach:
Das Hauptproblem für den Kreis bzw. für den Fußballsport sehe ich auf Schiedsrichterebene. Die öffentlich geführten Diskussionen um Millimeterentscheidungen der Schiedsrichter in den Profiligen, das Verhalten sportlicher Großverdiener auf und neben dem Platz in den besagten Profiligen wird vielfach direkt so auf die Amateursportplätze übertragen. Dort stehen unsere Schiedsrichter ganz alleine auf den Platz, üben ihr Hobby aus und müssen Schimpf und Schande über sich ergehen lassen. Hier muss sofort und unverzüglich die Notbremse gezogen werden, und zwar von ganz oben, da wir ansonsten im Amateurbereich keine Schiedsrichter mehr gewinnen werden können! Ich erwarte hier einen deutlich verbesserten Schutz unsere Schiedsrichter durch die Möglichkeit, spürbare Spiel- und Mannschaftsstrafen durch Schiedsrichter und Sportgerichtsbarkeit bei Unsportlichkeiten gegenüber den eingeteilten Schiedsrichtern auszusprechen. Das haben sich unsere Schiedsrichter ganz einfach verdient.

Abschließend eine allgemeine Einschätzung: Werden wir wieder einen Amateurfußball erleben, den wir aus den Jahren vor der Pandemie kennen?

Raßbach:
Nein – das kann man aber auch als Chance sehen.

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