Serdar Dinc mit Appell: "Geht zum Doc, lasst euch durchchecken!" - fussballn.de
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Artikel veröffentlicht am 30.04.2021 um 10:30 Uhr
Serdar Dinc mit Appell: "Geht zum Doc, lasst euch durchchecken!"
Am 7. Mai 2019 verstarb Costel Timofte während einer Trainingseinheit des SC Germania Nürnberg an Herzversagen. In Schniegling hat man dem Spieler eine Gedenkstätte gebaut. Noch heute stockt bei Trainer Serdar Dinc die Stimme, wenn er an jenen Trainingstag zurückdenkt. Im Interview spricht sich der 45-jährige Coach des Tabellenführers aus der Kreisklasse 4 über jenen Alptraum und die aktuelle Lage rundum Corona.
Von Marco Galuska
Serdar Dinc spricht im fussballn.de-Interview über das wohl schlimmste Erlebnis, das einem Trainer passieren kann.
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Seit Oktober gab es kein reguläres Training oder Spiel mehr. Wie sehr fehlt Dir persönlich der Fußball und welche Reaktionen erfährst du von deinen Spielern?

Serdar Dinc: Das Miteinander und das Vereinsleben ist komplett heruntergefahren, der Fußball fehlt uns allen enorm – und das über einen schon langen Zeitraum. Ansonsten gab es immer eine Weihnachtsfeier oder für manche auch Hallenturniere, die Abwechslung gebracht haben. Die Zeit komplett ohne Fußball ist aber jetzt schon verdammt lange, der Sport fehlt einfach. Und langsam wissen wir auch nicht mehr, was man auf dem Gelände noch alles streichen oder verschönern sollte.

Es wird die wohl längste Pause sein, die der gesamte Amateurfußball erlebt. Wie versucht man da als Trainer ein gewisses Fitnesslevel im Team zu erreichen?

Dinc: Ich sehe aktuell keinen Sinn darin, irgendwelche Trainingspläne zu verteilen. Wenn es ersichtlich wäre, ab wann man auch wieder auf den Platz darf, dann lässt sich auch nach Plan trainieren, aber so ist das alles ziemlich ziellos. Noch sehe ich kein Licht im Tunnel. Und wenn ich mich zurückerinnere: Im letzten Jahr hatten wir insgesamt 18 Testspiele, acht im Winter, zehn im Sommer, um dann dreimal in der Liga und zweimal im Pokal zu spielen. Die Grundlagenausdauer bekommt man sicherlich ganz gut in den Griff, aber das spezielle Fußballtraining ist doch etwas ganz anderes.

Vom BFV-Verbandsarzt wurde eine Mindestvorbereitung von drei Wochen im Fußballtraining in den Raum gestellt. Ist das in deinen Augen angemessen?

Dinc: Ich hatte im Winter mal eine individuelle Einheit mit einem Spieler gemacht, der wirklich grundsätzlich fit ist, weil er mehrmals die Woche laufen geht, aber wenn es dann um Fußballtraining geht, da werden die Beine zu Pudding. Freilich kriegt man das alles wieder hin, aber nicht in drei Wochen, das ist absurd! Das ist nicht zu verantworten, eine absolute Utopie! Wenn das so einfach ginge, dann bräuchten wir sonst keine sechs Wochen Saisonvorbereitung machen, wenn wir jetzt nach der langen Pause mit drei hinkämen. Wenn es so eine Vorgabe dann tatsächlich geben sollte, wäre ich stocksauer. Normalerweise müsste man das auch als Tabellenführer boykottieren, wenn man den Trainern solche Dinge in die Schuhe drücken will. Ich könnte keinem Spieler böse sein, der das nicht mitmachen will. Und was mache ich mit meinen Schichtarbeitern, die nicht jede Woche trainieren können? Denen soll dann halt eine Woche Vorbereitung reichen? Wir reden immer noch von einem Hobby und keinem Beruf. Da wird viel klug geredet derzeit, das stört mich gewaltig, denn der Realität entspricht das nicht!

Wir führen dieses Interview, weil du als Trainer das wohl schrecklichste Erlebnis, das man sich vorstellen kann, mit dem plötzlichen Tod eines Spielers im Training vor knapp zwei Jahren erleben musstest. Verändert dies die Arbeit eines Trainers grundlegend?

Dinc:
Es war ein Alptraum! Ein absoluter Alptraum! Wenn man meint, dass jemand sich nur das Knie hält, dann röchelt... (Pause. Dann weiter mit belegter Stimme) Wenn du merkst, dass da gerade ein Leben zu Ende geht. (Pause) Wir haben sofort reagiert, alles versucht, der Sanitäter war auch ganz schnell da, aber es war nichts mehr zu machen.

Wie lässt sich der Tod eines Spielers im Training überhaupt verarbeiten?

Dinc:
An Fußball war da vorerst nicht zu denken. Wir haben psychologische Hilfe in Anspruch genommen und darüber im großen Kreis mit der Mannschaft gesprochen. Das hat gut getan. Das war genau richtig. Es wurde eine Gedenkstätte auf dem Sportgelände eingerichtet. Jeder hat das für sich irgendwie verarbeitet, aber irgendwann musste es wieder weitergehen. Der Umgang miteinander war in den folgenden Wochen besonders respektvoll, das kann man schon sagen. Auch die ersten Spiele und Siege danach haben uns allen sehr geholfen.

Wie lange bist du mit einem mulmigen Gefühl auf den Trainingsplatz gegangen?

Dinc:
Das ist im Rückblick schwer zu sagen. Es waren sicherlich mehrere Wochen. Für mich ist definitiv geblieben – wenn vielleicht auch unterbewusst – dass ich noch weniger will, dass sich die Jungs wirklich quälen müssen. Dieses Oldschool-Training bis zum Anschlag, das war sowieso noch nie meine Sache, aber es gibt schon eine Fürsorgepflicht, die nun noch etwas mehr ausgeprägt ist. Da schaut man beispielsweise, dass man bei großer Hitze wirklich im Schatten bleibt, so gut es eben geht.

Eher vereinzelt gibt es bisher die Berichte über gravierende Folgen im Zuge einer Covid-19-Erkrankung, insbesondere auf mögliche Organschäden wie am Herzen wird hingewiesen. Hand aufs Herz: War dir das vor unserem vereinbarten Gespräch bewusst?

Dinc:
Ganz neu war es mir nicht. Ich erinnere mich an den bekannten Fall von Ilkay Gündogan, der ja als top-trainierter Profi über Wochen zu kämpfen hatte. Wenn man das dann auf uns Amateure herunterbricht, dann fragt man sich, was das für einen Hobbysportler bedeutet, der nicht so eine Fitness hat und nicht diese medizinische Betreuung genießt...

Mit der Kenntnis über versteckte Herzerkrankungen, die es im Zuge der Pandemie verstärkt geben soll, und dem Erlebnis vor zwei Jahren - welche Schlüsse zieht man daraus für den Wiederbeginn?

Dinc:
Zum einen sind wir uns im Trainerteam klar, dass wir die Dosierung der Umfänge nach der langen Pause strecken müssen. Zum anderen kann der Appell nur sein: Geht zum Doc, lasst euch durchchecken! Das sind vielleicht 20 Minuten, mit denen man dann viel sicherer leben und entsprechend trainieren kann. Auch wenn bei uns kein Covid-Fall bekannt ist, werde ich den Jungs ins Gewissen reden, das zu machen. Jeder muss da seine Lehren daraus ziehen, wir lieben unseren Sport und den wollen wir alle zwar möglichst bald, aber vor allem auch noch möglichst lange machen.

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