Die Geschichte des Hans Röslein beginnt, für einen Fusballnarren geradezu standesgemäs, an einem Sonntag im August. Genauer gesagt war es der Kärwa-Sonntag 1951 als in Georgensgmünd der heutige Schiedsrichterobmann des Kreises Nürnberg-Frankenhöhe das Licht der Welt erblickte. Doch der Weg von Schnuller zur Pfeife vollzog sich nicht so schnell wie man aus heutiger Sicht glauben mag. „Ich habe früher nie daran gedacht, jemals Schiedsrichter zu werden!“, beteuert Röslein rückblickend.
Im Alter von fünf Jahren verschlug es die Familie Röslein aus beruflichen Gründen – der Vater war leitender Angestellter bei der Bahn – nach Nürnberg in die Bauernfeindstrase. Die Faszination des in unmittelbarer Umgebung liegenden Fusballplatzes erwischte Röslein dann endgültig 1963. Beim ESV Rangierbahnhof kickte der „Fusballer mit Leib und Seele“ unter Jugendtrainer Franz Wurzinger in der Schülermannschaft mit solch Grösen wie Dieter „Jogi“ Lieberwirth und Gerhard Hummel, die später auch für den ruhmreichen FCN die Fusballstiefel schnürten.
Hans Röslein (oben, 4. v.l.) blieb dem ESV Rangierbahnhof seit Jugendzeiten treu. In der Schülermannschaft der Rangers kickte er u.a. mit Gerhard Hummel (unten 2. v.l.) und Dieter Lieberwirth (unten 3.v.l.), der später beim FCN in der Bundesliga Karriere machte.
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Die Fusballkarriere Rösleins endete im Herrenbereich abrupt im November 1977. Beim Spiel seiner „Rangers“ bei der DJK BFN wurde der Vorstopper vom Verletzungspech heftig heimgesucht. Vom Bruch des Schien-, Waden- und Schlüsselbeins in einer Szene (!) erholte sich der passionierte Kicker schlieslich nicht mehr richtig und hängte im Alter von 26 Jahren vorzeitig die Fusballschuhe an den Nagel. Enttäuscht war Röslein etwas darüber, dass die Bindung zur Mannschaft relativ schnell abriss. Getreu dem Motto „aus den Augen, aus dem Sinn“.
Mit dem Fusball einfach so abzuschliesen fiel Röslein aber nicht gerade leicht. So führten die Spaziergänge mit der Gattin am Wochenende letztlich nicht ganz zufällig an manchen Sportplätzen vorbei. Wie es der Zufall (oder war es Bestimmung?) wollte, wurde im März 1978 in der Tagespresse vom damaligen Kreisschiedsrichterobmann Alfred Neufeld für einen Neulingslehrgang geworben. Nach längerem Überlegen und Zureden seiner Frau entschloss sich Röslein schlieslich doch, den Lehrgang mitzumachen. Es wurde der Grundstein zu einer beispiellosen Schiedsrichter- und Funktionärslaufbahn.
Das „Schiedsrichter-Virus“ lies den talentierten Pfeifenmann fortan nicht mehr los. Nach absolvierter Prüfung im April 1978 leitete Röslein seine erste Partie „an einem Sonntagmorgen um 8.45 Uhr am Krugsportplatz bei DJK Bayern“, wie sich das wandelnde Fusball-Lexikon noch genau an die erste seiner inzwischen fast 1500 Partien als Unparteiischer erinnert. „Keiner der Spieler und Zuschauer wollte glauben, dass das mein erstes Spiel war“, bekam der frisch gebackene Referee grose Anerkennung für sein Debüt. Doch der langjährige KSO Neufeld war bekannt dafür, seine Schiedsrichter an der kurzen Leine zu führen, so dass Röslein zunächst weiterhin nur in unteren Klassen pfeifen durfte. Inzwischen lebte der Vater zweier Töchter in Schwabach in unmittelbarer Nachbarschaft zum Schiedsrichterobmann Rösch (Kreis Jura). Dieser verfolgte das Talent des Neulings an der Pfeife daher etwas genauer und war überrascht, dass Kollege Neufeld diesen dennoch weiterhin nur für untere Klassen einteilte. Als dann Rösch bei Röslein anklopfte, ob dieser nicht lieber im Kreis Jura pfeifen möchte, schrillten auch bei Neufeld die Alarmglocken, obwohl Röslein klarstellte: „Ich bin Nürnberger und bleibe in Nürnberg.“
Schiedsrichter Röslein Mitte der 1980er bei der Platzwahl.
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Vielleicht war es auch dieses Bekenntnis, das als Initialzündung für den rasanten Aufstieg des für damalige Verhältnisse noch jungen Unparteiischen sorgte. 1979 leitete Röslein bereits Spiele der A-Klasse (heutige Kreisliga), der höchsten Liga im Kreis. Und nur ein Jahr später, im August 1980, pfiff der talentierte Referee sein erstes Spiel („SK Heuchling gegen ASV Pegnitz“) auf Bezirksebene. „Die Zeit in der Bezirksliga Anfang der 80er Jahre war etwas ganz besonderes“, blickt Röslein schwärmend auf Teams wie SC 04 Schwabach, TSV Neustadt/Aisch, TSV Südwest oder FSV Bad Windsheim, der den Spitznamen „Cosmos“ trug, da dort Fusballgrösen wie Coach Fred Hofmann oder die Profis Uli Pechtold und Rudi Sturz an Land gezogen wurden.
Rösleins Talent als Unparteiischer war unbestritten und so leitete er durchweg Partien in der höchsten Klasse des Bezirks. Auch bei der zur Saison 1988/89 neu eingeführten Bezirksoberliga war der Nürnberger Schiedsrichter vertreten. Über 250 Spiele leitete Röslein insgesamt auf der Bezirksliste – eine Leistung, die zum Jahrtausendwechsel von Bezirksschiedsrichterobmann Eugen Keller geehrt wurde. Aber nicht nur auf Bezirksebene leitete Röslein, auch in der Landesliga schrillte die Pfeife des Referees, der im übrigen Knut Kircher aufgrund seiner natürlichen Autorität als Vorbild sieht, von 1988 bis 1997. Bis zu seinem 50. Geburtstag – zu dem der Nürnberger Mundart-Liedermacher „Kellermo“ einen eigenen Song mit dem Titel „Der Boss aller Pfeifen“ textete – im Jahr 2001 blieb Röslein aktiv an der Spitze des Bezirks. Stolz immer noch zu den Top-Referees Mittelfrankens zu gehören, sah der leidenschaftliche Pfeifenmann es an der Zeit, im Bezirk Platz für junge Schiedsrichtertalente zu machen und so manche verheisungsvolle Karriere entsprechend zu fördern.
Apropos Karriere. Angesprochen auf Highlights entgegnet Röslein, dass für ihn „jedes Spiel ein Highlight“ wäre, dass er mit dem „notwendigen Ernst“ angehe. Fragt man genauer nach, so sprudeln doch manche Höhepunkte aus der langen Schiedsrichter-Laufbahn hervor. 1997 befanden sich die Vorzeigeklubs der Region, 1. FC Nürnberg und SpVgg Greuther Fürth, in der Regionalliga und kämpften dort erfolgreich um den Aufstieg in die 2. Bundesliga. Da die weiterhin unter Profibedingungen geführten Vereine aber keine automatische Starterlaubnis für den DFB-Pokal hatten, startete die Qualifikation auf Bezirksebene. Wenig überraschend kam es dann zum Bezirkspokalfinale im Nürnberger Frankenstadion am 4.6.1997. In der Chronik finden sich die damaligen Trainernamen „Willi Entenmann (FCN) und Armin Veh (Greuther Fürth)“, die dem „SR Röslein (Schwabach)“ eine hervorragende Leistung attestierten. Erleichtert dieses prestigereiche Derby so gut über die Bühne gebracht zu haben, war neben dem Unparteiischen auch der Bezirksschiedsrichterobmann Adolf Springer, der im Vorfeld der Partie darauf pochte, einen seiner Referees einzusetzen und damit im Clinch mit dem Süddeutschen Obmann Manfred Amerell lag, weil dieser einen Bundesliga-Schiedsrichter für das ungewöhnliche und wohl einmalige Bezirksfinale einteilen wollte.
Illustre Runde: Beim Abschiedsspiel von Andreas Köpke im ausverkauften Nürnberger Frankenstadion waren Röslein und Deniz Aytekin (r.) die Assistenten von Fifa-Referee Bernd Heynemann (2.v.r.).
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Nachdem Röslein 2001 aus der BOL Abschied nahm, war der Chef der Nürnberger Schiedsrichter noch einmal mittendrin in der grosen Fusballwelt. Am 15.7.2001 beendete Andreas Köpke mit einem Abschiedsspiel im ausverkauften Frankenstadion seine aktive Laufbahn. Die Partie, an der Fusball-Grösen wie Klinsmann, Völler oder Riedle teilnahmen, wurde geleitet vom FIFA-Referee Bernd Heynemann mit seinen Assistenten Hans Röslein und dem heutigen Bundesliga-Schiedsrichter Deniz Aytekin – die ARD übertrug die Partie live.
Auch wenn Röslein immer wieder in Kontakt mit dem Profigeschäft kam, wie z.B. bei Einsätzen in der Bundesliga-Reserverunde (Mitte der 90er Jahre wurden Vorspiele zur Bundesliga ausgetragen) oder Freundschaftsspielen (u.a. mit Eusebio), ist er vor allem stolz darauf, durch seine Einsätze in Kreis, Bezirk und Verbandsebene über die Jahre „fast jeden Sportplatz“ kennen gelernt und viele Bekanntschaften dabei geschlossen zu haben. So fällt es Röslein auch nicht schwer, inzwischen wieder auf Kreisebene zu pfeifen: „Jeder hat einmal unten angefangen und man sollte nie vergessen, woher man kommt!“
Der Amtsantritt als Kreisschiedsrichterobmann 1989. Seit dieser Zeit steht Röslein der Gruppe Nürnberg und dem Kreis Nürnberg-Fürth, seit 2006 dem Neukreis Nürnberg-Frankenhöhe vor.
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Neben der Spielleitung auf dem Platz ist Röslein seit 1989 auch Kreisschiedsrichterobmann in Nürnberg/Fürth bzw. wurde er nach der Kreisreform im Jahr 2006 zum Obmann des neuen Spielkreises Nürnberg-Frankenhöhe gewählt. Mit viel Leidenschaft und Herzblut führte der „Nürnberger Schiedsrichter des Jahres 1993 und 2000“ nicht nur seine Nürnberger Gruppe sondern setzt sich auch für die Belange der Referees in seinem Kreis engagiert ein. Das gelungene 90jährige Jubiläum der Nürnberger Schiedsrichtervereinigung, das im Oktober gebührend gefeiert wurde, zeigte einmal mehr, dass die Wahl, nach dem gesundheitsbedingten Ausscheiden von Alfred Neufeld, auf Hans Röslein sicherlich keine Fehlentscheidung der Pfeifenmänner war. Ausgezeichnet mit dem Ehrenwimpel des Bezirks Mittelfranken und der DFB-Verdienstnadel war der Schiri-Boss schwer beeindruckt: "Da haben alle dicht gehalten. Keiner hat was davon gesagt, das hat mich schon ins Mark getroffen." Auch wenn es wohl keine Steigerung mehr geben dürfte, hat Röslein doch weiterhin den Ehrgeiz, die Gruppe und den Kreis, der „so gros wie das Saarland“ ist, weiter voranzubringen, das Erlebte weiterzugeben und talentierte Unparteiische zu unterstützen. "Es wäre mein Wunsch, einen Nürnberger Spitzenschiedsrichter für die Bundesliga herauszubringen", verrät der 58jährige eines seiner Ziele und ist stolz auf seine Referees. So stehen mit Sven Bode, Michael Geiler und dem Schiedsrichter des Jahres 2008, Andreas Heidt, aktuell drei Nürnberger auf der Verbandsliste.
Die Schiedsrichterkollegen und Jugendspieler des ESV Rangierbahnhof, dessen Vorsitzender Rößlein von 2001 bis 2004 war, standen Spalier als ihr Boss 2002 seine Petra heiratete.
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Doch eine Leidenschaft schafft mitunter auch Leiden. „Mit so einer Tätigkeit sind natürliche erhebliche Einschnitte ins Privatleben verbunden, die mitunter auch persönliche Opfer fordern“, deutete Rößlein auf „einen Faktor“ hin, der das Ende seiner ersten Ehe 1998 bedeutete. Seit 2002 ist der nimmer müde Schiedsrichter nun mit seiner sehr verständnisvollen Frau Petra verheiratet und lebt mit ihr im gemeinsamen Haus in Worzeldorf, dessen Hobbyraum voll mit Wimpeln, Urkunden, Vereinsnadeln und sonstigen Relikten aus dem über 30jährigen Amt an der Pfeife.
Wie die persönliche Zukunft aussehen soll, darüber hat der Logistiker natürlich schon einige Vorstellungen. Aus beruflicher Sicht möchte er seinen kontinuierlichen Weg weitergehen. Am 30.9.2014 würde er nach über 45 Jahren wohl endgültig in den verdienten Ruhestand gehen, natürlich bei der Firma Siemens, bei der er einst als Fernmeldemonteur gelernt hatte und für die er aktuell als Leiter einer Logistik-Lieferstelle tätig ist.
Wie lange Rößlein noch aktiv auf dem Platz zu sehen sein wird, definiert der Sportsmann, der sich mit regelmäßigen Joggen fit hält so: „Ich muss beim Einlaufen das innere Kribbeln spüren, sonst kann ich die Leistung auf dem Platz nicht bringen. Solange das noch da ist, und ich mich nicht plage, mache ich gerne weiter. Es steht für mich aber auch fest, dass ich mit 65 sicher keine Herren-Mannschaft mehr pfeifen werde. Der Amateurfußball hat fitte Schiedsrichter verdient und bevor ich von der Mittellinie ein Abseits pfeife, würde ich ganz sicher vorher aufhören“, möchte Rößlein vor allem Gesund bleiben und den richtigen Zeitpunkt vom aktiven Pfeifen erwischen, und weiß dabei: „In Erinnerung bleibt wie Du aufhörst!“.