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Artikel veröffentlicht am 31.01.2015 um 06:00 Uhr
Anfängerkurs der SR-Gruppe MSP: Mit Regel 12 das Spiel beherrschen
Obwohl sie nicht nur Applaus erfahren, können weder Mannschaften noch Zuschauer im Spiel auf sie verzichten: die Schiedsrichter. Dabei ist nur den wenigsten Kritikern klar, wie umfassend und komplex die Schiedsrichterei wirklich ist. Der Anfängerkurs der Schiedsrichtergruppe Main-Spessart brachte wieder zehn neue Männer und Frauen an der Pfeife hervor. anpfiff.info war hautnah beim Intensivkurs in Steinfeld dabei.
Von Sebastian Werner

Es war schon eine etwas seltsame Atmosphäre, als sich eine Gruppe noch nicht
identifizierbarer Personen vor dem Sportheim des SV Steinfeld einfand. Es war fast stockdunkel, nur ein paar Glimmstengel tanzten durch die Dunkelheit. Da man nicht wusste, wer da etwa fünf Meter weiterstand, verharrt man einfachweiter in der Dunkelheit. Es war in etwa so wie in einem Wartezimmer, in dem man, wenn möglich, immer einen Platz zum Nebenmann freiließ, um nicht unnötigerweise Konversation betreiben so müssen. Dies änderte sich auch kaum als Mehmet Arslan kurz vor 19 Uhr auf dem Parkplatz vorfuhr. Der Lehrwart ließ die Teilnehmer zum Anfängerkurs der Schiedsrichtergruppe Main-Spessart ins Sportheim ein.

Von 12 bis Mitte 30

Licht ins Dunkel kam noch nicht, denn es dauerte einige Zeit, bis der Lichtschalter des Steinfelder Sportheims gefunden war. Nun zeigte sich, wer den Mut hatte, sich ans Schiedsrichterwesen heranzuwagen, im Wissen, sich dabei nicht das dankbarste Hobby ausgesucht zu haben. Denn ist nun einmal so, dass ein unauffälliger, guter Schiedsrichter selten die verdiente Anerkennung findet, während über vermeintlich falsche Entscheidungen noch lange nach einem Spiel diskutiert oder geschimpft wird. Im bunten Teilnehmerfeld tummelten sich zukünftige Schiedsrichter mit albanischer, türkischer und deutscher Herkunft im Alter zwischen 12 und Mitte 30. Auch zwei junge Damen schlossen sich der Neulingsgruppe an.

Hinten von links: Tarik Özdemir (Beisitzer), Helmut Brach (Ehren-Obmann), Mehmet Arslan (Lehrwart), Benjamin Bertelt, Sebastian Werner, Simon Keller, Özcan Gencal, Jon Mehana
vorne von links: Berkant Gencal, Cedrik Jäger, Lisa Yaman, Lea Yaman, Lorenz Höfler
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Erst Arbeit, dann Vergnügen

Helmut Brach, Urgestein und Obmann der früheren Schiedsrichtergruppe Karlstadt, eröffnete den ersten Abend. Mittlerweile ist er nur noch im organisatorischen Bereich tätig. Er verteilte Formulare und ließ diese von den Teilnehmern ausfüllen. Personen mit größerem Misstrauen als die Anwesenden hätten vielleicht etwas abwehrend reagiert, als gleich zu Beginn Kontodaten abgefragt und die Erhebung von 60 Euro Teilnahmegebühr angekündigt wurde. Letztlich war es aber allen Recht, dass der bürokratische Aufwand gleich anfangs und schnell abgehandelt wurde. Immerhin erhielten die Teilnehmer das Regelwerk des BFV an die Hand.

Sodann ergriff Mehmet Arslan, Lehrwart der Schiedsrichtergruppe, das Wort. Der
46-Jährige, seit knapp 18 Jahren aktiver Schiedsrichter, stellte sich vor und begrüßte die Anwesenden. Arslan, der einst selbst aktiv Fußball spielte, ehe ihn eine Verletzung zum Karriereende zwang zeigte sich erfreut über die zehn Neulinge. Dass elf Anmeldungen vorlagen und sich somit einer kurzfristig gegen den Dienst an der Pfeife entschied, mochte die Stimmung des einstigen Bezirksliga-Schiedsrichters nicht wirklich trüben. Bevor Arslan den Neulingslehrgang vorstellen konnte, meldete sich noch der aktuelle Schiedsrichter-Obmann Bernd Kuger zu Wort.

Begrüßungskomitee: Helmut Brach (Organisation) und Mehmet Arslan (Lehrwart)
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Kuger, der seit 1988 pfeift, beschrieb den aufmerksamen Teilnehmern das Schiedsrichterwesen und stellte vor allem die positiven Seiten des „schönsten Hobbys der Welt“ dar. Das Schiedsrichterwesen bietet enorm viele Facetten, da es nicht nur zur Persönlichkeitsbildung, sondern auch zur Entschlussfreudigkeit beträgt. „Man profitiert daher auch im Privatleben davon“, erklärt Kuger. Was es in einer Fußballmannschaft so nicht gibt, ist das generationenübergreifende Miteinander. Hier ist die Schiedsrichtergruppe Main-Spessart ein Paradebeispiel, da zwischen dem jüngsten und ältesten Schiedsrichter gut 60 Jahre liegen. „Es geht nicht nur ums Pfeifen“, ergänzt Kuger, „die Gemeinschaft der Schiedsrichter, insbesondere der Schiedsrichtergruppe Main-Spessart ist beeindruckend.“

Mit Herz, Pfiff und Verstand

Bernd Kuger
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Die gemeinsamen Treffen zu Lehrabenden und der Austausch zwischen Jung und Alt von Erfahrungen ist ein sehr fruchtbares Vermitteln zwischen den Generationen, bei denen es auch mal lustig zugeht. „Die Mischung aus Ernsthaftigkeit und Spaß stimmt bei uns einfach“, berichtet Kuger stolz. Daher gibt Kuger auch das mögliche zukünftige Motto der Gruppe aus: „Kompetenz mit Herz, Pfiff und Verstand!“ Als Lehrwart Arslan erneut übernahm, wurde den Teilnehmern schnell klar, worauf sie sich mit ihrer Anmeldung zum Einsteigerkurs eingelassen hatten. Regelexperte Arslan, zu dessen Team auch Manuel Steigerwald und Nico Scheiner, die Spitzenschiedsrichter der Main-Spessart-Gruppe gehören, stellte das folgende Programm vor.

Aus der Vorstellungsrunde ging hervor, dass viele Teilnehmer die Anmeldung als Versuch ansahen, als eine Art Schnupperkurs, um zu sehen, ob die Schiedsrichterei ein interessantes Hobby sein könnte. Dass es der SR-Gruppe ernst war, zeigte sich daran, dass Arslan die Gruppe in den folgenden zehn Tagen sechsmal bestellte, um das Regelwerk zu vermitteln und den Regeltest zu absolvieren. „Regelkenntnisse sind das A und O eines Schiedsrichters“, ermahnte Arslan gleich zu Beginn und empfahl ein regelmäßiges Wiederholen der Regeln und der Testfragen. Nach der Regelkunde wird am Ende des Ausbildungsmarathons ein Regeltest geschrieben. Dabei muss der Prüfling 30 Fragen beantworten, zehn davon im Multiple-Choice-Verfahren.

Bestimmt, aber herzlich - Schiedsrichter-Lehrwart Mehmet Arslan
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Die Theoriestunden

Um Schiedsrichter zu werden müssen vierzehn Theoriestunden abgeleistet werden, in denen die siebzehn Regeln des Fußballs thematisiert werden:

1)      Das Spielfeld
2)      Der Ball
3)      Zahl der Spieler
4)      Ausrüstung der Spieler
5)      Der Schiedsrichter
6)      Die Schiedsrichter-Assistenten
7)      Dauer des Spiels
8)      Beginn und Fortsetzung des Spiels
9)      Ball in und aus dem Spiel
10)    Wie ein Tor erzielt wird
11)    Abseits
12)    Verbotenes Spiel und unsportliches Betragen
13)    Freistöße
14)    Strafstoß
15)    Einwurf
16)    Abstoß
17)    Eckstoß

An konkreten Situationen muss der Neuling seine Regelkenntnis unter Beweis stellen und vor allem auf persönliche und Spielstrafen achten. Später folgt dann noch der Leistungstest, bei dem die neuen Schiedsrichter 1000 Meter in acht Minuten laufen müssen. Zumindest diese Ankündigung sorgte nicht für Entsetzen. In den folgenden Tagen, in denen manch ein Teilnehmer öfter in Steinfeld war als zu Hause, brachte Mehmet Arslan seinen Schützlingen in lockerer, aber konzentrierter Atmosphäre die Regeln näher. Mit ansprechenden Powerpoint-Präsentationen wurde die Regelkunde optisch aufgebessert und verständlicher dargestellt, auch wenn die Technik dem Familienvater den einen oder anderen Streich spielte.

Anschaulichkeit wird groß geschrieben. Powerpoint sei Dank!
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Besonders die Regeln 12 und 13 sind der Knackpunkt des Regelwerks. „Wer Regel 12 kennt, beherrscht das Spiel“, dozierte Arslan und erklärte, dass ein regelsicherer und folglich souverän auftretender Schiedsrichter keine Probleme mit der Spielleitung hätte. Dagegen führten Unsicherheit und Inkonsequenz zu Unverständnis und Ärger. Das Wissen um persönliche und Spielstrafen sei daher das Kernstück des Regelwerks und unbedingt zu beherrschen. Diese wichtigen Regeln wurden den Neulingen an einem Samstagmorgen vermittelt, so dass ausreichend Zeit zur Besprechung und Vertiefung blieb. Besonders bei diesen Regeln, aber auch bei allen anderen Paragraphen konnten die Teilnehmer jederzeit nachfragen.

Vertrauensschiedsrichter

Lehrwart Arslan ging mit Sachkenntnis darauf ein. Dass Regelkenntnis alleine aber nicht ausreicht, dass das Schiedsrichterwesen auch Schattenseiten hat, dies wurde den Schiedsrichter-Anwärtern klar, wenn nicht schon vorher, als sich die beiden Vertrauensschiedsrichter, Steffen Vorstoffel und Simone Brand, vorstellten. Sie zeigten mögliche Konfliktfelder auf, die sowohl auf Platz als auch im Privatleben auftreten können. Als Einzelkämpfer unter der Beobachtung von zum Teil mehr als 100 Zuschauern können mental schwierige Situationen entstehen, vor allem für junge, noch wenig erfahrene Schiedsrichter. „Die meisten Schiedsrichter, die wieder aufhören, tun dies im ersten Jahr“, muss Kuger zugeben.

Daher hat er diese neue unabhängige Instanz ins Leben gerufen, die zwischen Vorstandschaft und Schiedsrichtergruppe vermitteln sollen, aber auch bei allen anderen Problemen ihren Leuten mit Rat und Tat zur Seite stehen. „Wir haben ganz einfach ein Nachwuchsproblem“, hat Kuger das Problem erkannt. „Der Verlust der jungen Schiedsrichter tut besonders weh, da sie die Zukunft sind.“ Oft beschleiche die Jungs das Gefühl, alleine zu sein und alleine gelassen zu werden. Da auch immer wieder Probleme mit der Führungsriege oder mit Einteilen auftreten und der „Respekt vor der Obrigkeit“ da sei, seien die Vertrauensschiedsrichter eine wichtige Neuerung. In der Tat ist die Angst vor dem Obmann nicht zu unterschätzen.

Abschließender Regeltest

Lehrwart Mehmet Arslan, Tarik Özdemir
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Denn nur Weniges ist in unserer Gesellschaft verpönter, als das Zeigen von Schwächen. Zum Abschluss des Lehrgangs stand der Regeltest auf dem Programm. Eine gewisse Nervosität und die vor allem bei den jüngeren Teilnehmern war schon zu verspüren, als Arslan die Prüfungsbögen verteilte und die Teilnehmer sich eifrig ans Ankreuzen und Beantworten machten. Hierbei machte es sich bezahlt, dass Arslan in der letzten Stunde vor dem Test noch einmal Musterprüfungsfragen gemeinsam beantworten ließ.

Dies sorgte für eine gewisse Sicherheit und Beruhigung. Nach einer knappen Dreiviertelstunde stand auch fest, dass alle zehn Teilnehmer, wenn zum Teil auch nur knapp die geforderten 50 Punkte erreicht hatten. Der Gruppe Main-Spessart stehen daher ab sofort zehn neue Jungschiedsrichter zur Verfügung. Lehrwart Arslan, Vize-Obmann Tarik Özdemir und Helmut Brach beglückwünschten die neuen Schiedsrichter und wünschten Gut Pfiff bei den ersten Einsätzen, die in der Rückrunde zunächst in der U13-Jugend folgen werden. Gleich am folgenden Tag wurden die Neulinge der Gemeinschaft beim Lehrabend vorgestellt und mit einem warmen Applaus willkommen geheißen.

Erste eigene Erfahrungen

Der Aufnahme in die Gruppe folgt nun die Wahrheit auf dem Platz. Nachdem man zunächst noch einen erfahrenen Schiedsrichter begleiten, seine Vorbereitung auf und Leitung eines Spiels beobachten wird, dürfen die neuen Schiedsrichter ihre ersten eigenen Erfahrungen sammeln. Erst da wird sich vermutlich zeigen, wer wirklich dauerhaft an der Pfeife bleiben wird oder wer gar das Zeug dazu hat, in den Leistungsbereich und den Förderkader zu rutschen. Einer aber war der Lehrgang aber auf jeden Fall: eine persönliche Erfahrung, die einem neue Perspektiven auf den Fußball bietet und ein Appetithappen auf das „schönste Hobby der Welt“.

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