„Ein 2:0 würde ich sofort unterschreiben“, gaben beide Coaches vor dem Spiel selbstbewusst als Wunschergebnis an. Während die Partie für den Verein TSV Schammelsdorf und viele seiner Spieler jedoch das bislang größte Highlight ihrer Karriere darstellt und die Kauder-Elf folglich ohne jeden Druck in die Begegnung gehen konnte, geht es für den einstigen Bayernligisten darum, nach vierzehn Jahren den Gang zurück in den Bezirk zu vermeiden. „Wir wollen das Spiel machen, dominant auftreten und dabei nach vorne mit viel Ballbesitz kombinieren“, gab demnach auch Gäste-Trainer Florian Narr-Drechsel die Devise aus. Obgleich die SpVgg nur einen Sieg aus den letzten sechs Spielen feiern konnte, sprach Selbstbewusstsein aus den Worten der Ostoberfranken. „Spaß haben, genießen und dabei auf Sieg spielen“, ließ Co-Trainer Fabian Kemmer auf Schammelsdorfer Seite verlauten, so dass bei besten äußeren Rahmenbedingungen alles für ein Fußball-Spektakel angerichtet war.
Vor dem anstürmenden David Wich deckt der TSVler Michael Massak den Ball ab.
Markus Schütz
Das wurde es im ersten Durchgang zwar noch nicht, doch von vorsichtigem Abtasten konnte ebenso keine Rede sein. Keine zwei Zeigerumdrehungen waren vergangen als Matthias Schneider schon eine Gerull-Chance mit starker Parade um den Pfosten wickeln musste. Schammelsdorf baute seinen Abwehrriegel etwa auf Höhe der Mittellinie auf, wobei Pascal Herbst und Michael Pitzer als zentraler Offensivmann den Gegner im Spielaufbau anliefen. Der versuchte ein weitgehend variables Spiel anzulegen. Vereinzelte lange weite Bälle flogen zwar auch über das Mittelfeld hinweg, doch Selbitz war bemüht, die schnellen Flügelspieler in Position zu bringen. Insbesondere Marcel Findeiß definierte seine Außenverteidigerposition sehr offensiv. Robin Renger im Zentrum gab oft den Ballverteiler und der ebenso varianten- wie temporeiche Pascal Vuckov – vor Saisonbeginn erst aus der Kreisliga von Rehau gekommen – stellte die TSV-Hintermannschaft nicht nur einmal vor größere Probleme. Just in der Phase, in der sich die Hausherren mehr zutrauten und das Geschehen offener gestalteten, kamen sie zwar durch zwei Pitzer-Freistöße, die gefährlich knapp über den Querbalken zischten auch zu zwei guten Möglichkeiten, konnten sich aber bei der markanten Abschlussschwäche der Gäste bedanken, nicht mit einem Rückstand in die Kabinen gehen zu müssen. Hätte Christoph Kaschel in der 18. Minute als er im Abschluss viel zu lange zögerte, schon aussichtsreich einnetzen können, so vergab ein allzu überraschter Gerull die größte Chance, als er einen Kopfball aus drei Metern in die Arme des am Boden liegenden Hüters nickte (28.). Jener Tjark Gerull bekam wenig später im Zweikampf mit Dominik Kauder derart unglücklich einen Schlag ins Gesicht, dass er mit einer Kieferverletzung noch im Laufe der ersten Halbzeit ausgetauscht werden musste. So schlug die Stunde von Topscorer Albert Pohl, der von der Bank kam und im weiteren Spielverlauf zu einem der Akteure aufsteigen sollte, die den Unterschied ausmachten.
Gästeakteur David Wich (li.) drängt hier erfolgreich den Schammelsdorfer Johannes Wörner ab.
Markus Schütz
„Durch die Umstellung auf eine Spitze und die Hereinnahme von Pohl haben wir wieder für mehr Entlastung sorgen können“, attestierte auch Trainer Narr-Drechsel seinem Torjäger eine mehr als ordentliche Partie. In der setzte zunächst wieder Flügelflitzer Vuckov die Akzente, als er das 0:1 mit einem sehenswerten Dribbling über rechts vorbereitete, das Leder im Strafraum von Renger zurück bekam und schließlich zu Fall gebracht wurde. Maximilian Lang, in der regulären Saison bereits einmal vom Punkt erfolgreich, ließ sich die Chance nicht entgehen und netzte überlegt zur Gäste-Führung ein (53.). Die hätte Vuckov nach einer Unachtsamkeit des ansonsten sehr zuverlässigen Lukas Witterauf, der zwar meist mit Defensivaufgaben beschäftigt war, diese jedoch umsichtig löste, nicht ausbauen können, sondern müssen. Als er in der 63. Minute jedoch sogar schon Hüter Matthias Schneider umspielt hatte, rutschte er beim Abschluss mit seinem schwächeren rechten Fuß weg und vergab so einen absoluten Hochkaräter. Ergebnistechnisch rächte sich das umgehend. Einen Wörner-Schuss von der Strafraumgrenze blockte Maximilian Lang mit der Hand, so dass Referee Björn Wöllner, der der Partie ein äußerst umsichtiger und souveräner Leiter war, zum zweiten Mal auf Strafstoß entschied. Bei diesem sollte sich die zweimalige Spielbeobachtung des TSV durch die Gäste im Vorfeld bezahlt machen, denn Torsteher Andreas Schall ahnte die Ecke, konnte den Elfmeter von Pascal Herbst jedoch nur zur Mitte abwehren, wo der Goalgetter im Nachschuss den Ausgleich besorgte (65.). Mit diesem Zwischenstand ging es in die Schlussminuten, in denen Selbitz zunehmend Oberwasser gewann. Bei den Gastgebern kam Spielgestalter Michael Massak nicht wie gewohnt zur Entfaltung und fand mit seinen Zuspielen auf die Außenbahn gegen aufmerksame Selbitzer zu selten den eigenen Mann. So belohnte sich der Gast für sein Engagement durch einen fulminanten Treffer von David Wich. Der 20-Jährige tankte sich am rechten Flügel beherzt durch, zog auf Matthias Schneider zu und als alles mit einem Rückpass auf den mitgelaufenen Vuckov rechnete, nagelte Wich das Leder aus spitzem Winkel per Vollspann ins kurze Eck unter die Latte (85.). Doch damit nicht genug. Als Ohland in der 88. Minute in eine flache Hereingabe des eingewechselten Pohl grätschte, erwischte er mit seinem abgefälschten Ball Hüter Schneider auf dem falschen Fuß. Das Eigentor des Käpt‘n führte zum 1:3, das nun noch einmal alle Kraftreserven des TSV mobilisierte. Do or die, lautete nun die Devise der Gastgeber, die – für Konter offen – von Glück reden konnten, nicht das vierte Gegentor kassiert zu haben, ehe Johannes Wörner, einer der auffälligsten im Dress des TSV, der unbekümmert manch gelungene Offensivaktion setzte und konzentriert nach hinten mitarbeitete, zum 2:3 verkürzte. Bedient von Pascal Herbst spitzelte er das Spielgerät über den herausstürzenden Torwart hinweg in der Nachspielzeit zum Hoffnungssschimmer in die Maschen. Selbst in jener 92. Minute fand die turbulente und an Höhepunkten reiche Schlussphase noch kein Ende. „Ja. Ich sehe den Ball nicht kommen und dann springt er mir klar an den Oberarm“, gibt Michael Pitzer auf Nachfrage nach Schlusspfiff unumwunden zu, dass das Unparteiischengespann in der letzten Aktion des Spiels gut und gerne ein drittes Mal Elfmeter hätte pfeifen können. Die Regelwidrigkeit des TSV-Zehners blieb indes ungeahndet, so dass Selbitz zwar mit der deutlich besseren Ausgangsposition in das Rückspiel am kommenden Sonntag geht, Schammelsdorf aber längst nicht aller Chancen beraubt ist.
Einen Schritt vor Pascal Herbst (li.) kommt hier Selitz' Marcel Findeiß an den Ball.
Markus Schütz
Spielbericht eingestellt am 23.05.2019 22:51 Uhr