Wenn man im Europapokalmodus das Hinspiel zuhause mit 0:3 verliert, dürfte man gemeinhin als ausgeschieden gelten. Dass der SV Ornbau jedoch nicht abzuschreiben und die Sache noch nicht gegessen sei, war Stegaurachs Trainer Ismail Yilmaz vor Beginn der Partie durchaus klar. Daher betonte er auch vehement, dass seine Mannschaft vor dem Rückspiel defensiv wach und präsent sein muss, um die hohe offensive Qualität des Bezirksligisten in den Griff zu bekommen. Denn auch wenn das Ergebnis des Hinspiels deutlich war, zeigte Ornbau über 90 Minuten eine starke Vorstellung und erspielte sich trotz langer Unterzahl mehrere klare Chancen, deren ineffiziente Verwertung nun diese schwere Ausgangssituation für den SVO und ihren Trainer Thomas Seibold mit sich brachte. Dennoch stellte auch er deutlich klar, dass seine Mannschaft sich noch nicht aufgegeben hat und man mit kontrollierter Offensive so viel Druck aufbauen wollte, dass die Aurachtaler Probleme bekommen würden. Daher konnte man sich auf ein temporeiches und spannendes Spiel freuen, in welchem der Underdog mit vielen mitgereisten Anhängern das Unmögliche noch erreichen und das 0:3 aus dem Hinspiel vergessen machen wollte.
Im Duell der Kapitäne wird der unheimlich fleißige Stegauracher Spielführer Bernd Oberst (u.) von Ornbaus Sven Reinhardt (o.) zu Fall gebracht.
Hendrik Kowalsky
Die Partie begann dann auch wie erwartet, Ornbau versuchte vom Anstoß weg, viel Tempo ins Spiel zu bringen und presste bereits in den ersten Augenblicken mit seinen dynamischen Außenspielern auf die Hintermannschaft Stegaurachs. Der Landesligist aber machte seine Sache zunächst gut, verstand es, den Gegner nicht ins Rollen und keine schnellen Tempogegenstöße aufziehen zu lassen, wodurch es zunächst auch kaum nennenswerte Offensivszenen des Bezirksligisten zu notieren gab. Stegaurach hingegen kam in der sechsten Minute durch einen Eckball von Kapitän Bernd Oberst zu seiner ersten Chance, die zum Tor gezogene Hereingabe aber klatschte nur auf den Querbalken, SVO-Schlussmann Julian Bischof schien schon geschlagen. In der Folge schafften die Aurachtaler es dann, das Tempo so gut es ging herauszunehmen und damit die Ornbauer Bemühungen zu untergraben, sie stellten defensiv sehr gut zu, ließen sich nicht allzu tief fallen und machten es den spielstarken Gästen damit schon im Mittelfeld sehr schwer, die nötigen Lücken für ihr Angriffsspiel zu finden. So passierte lange Zeit nichts, viele Fouls unterbrachen den Spielfluss und es sprach wenig dafür, dass die rund 450 Zuschauer, darunter ein Großteil aus Ornbau, hier noch eine Sensation zu sehen bekämen. In der 31. Minute schien der Deckel dann endgültig drauf zu sein, denn als SpVgg-Rechtsaußen einen Querschläger aufnehmen und schön Richtung Grundlinie ziehen konnte, brachte er eine gute Flanke auf den einlaufenden Patrick Braun, der Danke sagte und aus acht Metern zum 1:0 für die SpVgg Stegaurach einschob! Ein solider Treffer nach schöner Vorarbeit von Kraus, nervenstark abgeschlossen von Braun, damit schien die Sache gegessen. Doch der Gegentreffer schien die tapfer kämpfenden Ornbauer an der Ehre gepackt zu haben, die Elf von Trainer Thomas Seibold ging nun noch mehr Risiko, schob bereits am Strafraum mit mehreren Akteuren auf die Stegauracher Viererkette und erzwang dadurch einige Ballverluste, weshalb sie nun das die Kontrolle über das Spiel gewannen. Die ersten kleineren Chancen sollten daher nicht ausbleiben und als in der 40. Minute endlich mal die Lücke gefunden und Andreas Engelhardt den mitgelaufenen Aaron Lederer zentral im Strafraum in Szene setzte, hatten die gut 250 Gästefans schon den Torschrei auf den Lippen. Doch Lederer schienen die Nerven zu flattern und so setzte er seinen Schuss aus sieben Metern knapp am linken Pfosten vorbei, ein Abspiel auf den besser postierten Patrick Pfahler wäre zwingend notwendig gewesen. Als es langsam in Richtung Halbzeitpause ging, schien der Glaube beim SVO allmählich zu weichen, doch in der zweiten Minute der Nachspielzeit passierte es, nach einem feinen Zuspiel von Lederer auf Engelhardt bewies die einzige Sturmspitze der Gäste Kaltschnäuzigkeit und traf aus zehn Metern ins linke Eck zum 1:1-Ausgleichstreffer! Mit dem Pausenpfiff kamen die Gäste also zurück und hielten damit das Fünkchen Hoffnung bei den Gästen am Brennen, weshalb man sich nach Ende des ersten Durchgangs noch auf spannende weitere 45 Minuten freuen konnte.
Sven Reinhardt (re.) bedrängt hier Patrick Braun, kann den Stegauracher Flügelspieler aber nicht vom Ball trennen.
Hendrik Kowalsky
Nach Wiederbeginn bot sich zunächst ein ähnliches Bild wie zu Beginn des Spiels, Ornbau versuchte, das Tempo möglichst hoch zu halten und zog ein starkes Pressing auf, doch der Stegauracher Abwehrverbund stand stabil und ließ kaum gefährliche Szenen zu. Dies änderte sich nach etwa einer Stunde, Ornbau schlug nun vermehrt hohe Bälle hinter die letzte Linie und kam dadurch plötzlich zu der einen guten Gelegenheit, doch weder Engelhardt (62.), noch Pfahler (64.) netzten ein. Die wohl beste Torchance aber vergab Sebastian Neuner, der in der 70. Minute nach starker Vorarbeit von Pfahler sechs Meter vor dem Tor nur noch einschieben musste, das Leder aber über den Querbalken setzte. Spätestens jetzt schien jede Hoffnung für Ornbau verloren und als in der 73. Minute Stegaurachs Marius Kraus von der rechten Außenbahn eine zweite starke Flanke schlug und diesmal den links freien Philipp Hörnes fand, der aus zehn Metern das 2:1 für die SpVgg markierte, wussten wohl alle Akteure, dass die Partie gelaufen war. Doch nach einem Signal des Assistenten nahm Schiedsrichter Björn Söllner den Treffer plötzlich wieder zurück, angeblich hatte bei einem Einwurf kurz zuvor eine Ornbauer Auswechslung begonnen, Schiedsrichter Söllner das weiterlaufende Spiel dabei aber nicht unterbunden. Wütende Proteste der irritierten Stegauracher waren das Resultat einer äußerst kuriosen und wohl auch falschen Entscheidung des Unparteiischen, denn ein Pfiff, der die Auswechslung angekündigt hätte, war nicht zu vernehmen. So blieb es also beim 1:1 und die aufkommende Hektik schien den SVO nochmal zu einer letzten Serie von Angriffen zu motivieren, die Bälle flogen nun im Sekundentakt in Richtung Stegauracher Gefahrenzone und in der 79. Minute resultierte aus einem weiteren langen Ball auch das 2:1 für den SV Ornbau, denn dieses Mal konnte sich Patrick Pfahler am linken Strafraumeck behaupten, lief auf den herausstürzenden SpVgg-Schlussmann Patrick Zeh zu und tunnelte ihn schließlich ganz cool aus neun Metern! Groß gejubelt wurde aber nicht, noch immer fehlten zwei Treffer zum möglichen Weiterkommen und so wurde das Leder schnell zum Mittelkreis befördert, was sich nur eine Minute später lohnen sollte. Denn als Stegaurach vom Anstoß weg einen Fehlpass spielte und das Leder vom Bezirksligisten sofort wieder in Richtung Strafraum geschlagen wurde, tauchte erneut Pfahler auf, setzte sich wieder am linken Strafraumeck durch und scheiterte zunächst an Zeh, brachte den Abpraller aber tatsächlich im Kasten zum 1:3 unter! Nun verwandelte sich die Aurachtaler Sportanlage in ein Tollhaus, die Ornbauer Fans brachen in brachiale Jubelstürme aus und bei den Hausherren schienen sich die größten Ängste zu bestätigen, das Wunder schien möglich! Noch gute zehn Minuten waren zu absolvieren und innerhalb von zwei Zeigerumdrehungen entwickelte sich aus dem vorentschiedenen Rückspiel ein hochemotionaler Krimi, der nun in die Schlussphase ging. Die Gäste warfen nun alles nach vorne, Stegaurach dagegen igelte sich in der eigenen Hälfte ein und klärte die Bälle nur noch möglichst hoch und weit. In der 84. Minute sorgte dann eine verunglückte Freistoßflanke von Florian Lederle für große Torgefahr, seinen sich gefährlich auf das Tor senkenden Ball konnte Zeh aber noch über den Querbalken lenken. Die Gastgeber schienen stehend k.o. und versuchten, sich über die Zeit zu retten, zeigten in dieser Phase aber ihre ganze Cleverness und so brachte Stegaurach das 1:3 und damit das eine Törchen Vorsprung aus dem Hinspiel letztlich über die Zeit, denn in den verbleibenden Minuten konnte der SVO sich keine weitere Torchance erarbeiten, weshalb es nach dreiminütiger Nachspielzeit beim knappen Weiterkommen für die SpVgg Stegaurach blieb.
Am Ende setzten sich die Aurachtaler nach dem klaren Erfolg im Hinspiel nur denkbar knapp durch und mussten dabei gewaltig zittern, denn der SV Ornbau stellte seine Qualitäten mehr als deutlich unter Beweis. Dass es jedoch überhaupt so weit kommen konnte, ist sicherlich einer der Punkte, an dem SpVgg-Trainer Ismail Yilmaz ansetzen wird, denn in den ersten 30 Minuten ließ der Landesligist so gut wie nichts zu und setzte die taktischen Vorgaben perfekt um, was auch in den ersten 20 Minuten nach der Halbzeitpause begann. Doch jeweils gegen Ende beider Halbzeiten schienen die Körner der jungen Aurachtaler aufgebraucht und die Fehler schlichen sich ein, aus denen der SV Ornbau Kapital schlug. Letztlich sollte es für den Favoriten aber knapp reichen und so darf Stegaurach sich nun am kommenden Mittwoch in der zweiten Runde mit dem TSV Ebensfeld messen, ein Duell, welches wohl kaum weniger Emotionalität als das heutige bieten wird. Für den SV Ornbau hingegen ist der Traum von der Landesliga geplatzt, grämen muss man sich in Mittelfranken aber nicht. Denn die Mannschaft zeigte über 180 Minuten ein ganz starkes Gesicht und kann sich mit seiner Offensivstärke definitiv auch in der kommenden Spielzeit im Aufstiegskampf etwas ausrechnen, so sie denn vor allem im Angriff zusammenbleibt. Schlussendlich war die Hypothek aus dem Hinspiel für den SVO zu groß, die Leistung des Teams aber verdient jede Anerkennung. Dies gilt jedoch eindeutig nicht für einen Teil der mitgereisten Gästefans, der nach Abpfiff eine länger andauernde Auseinandersetzung mit Ordnungskräften, heimischen Anhängern und Spielern entfachte, an dessen Ende sogar die Schwester eines Stegauracher Akteurs körperlich heftig attackiert wurde. Ein erbärmliches Ende eines spannenden Fußballnachmittags, welches die Frage offen lässt, ob bei einigen Anhängern die Anzahl der Umdrehungen im Bierbecher größer als zwischen den Ohren war und dem ansonsten starken Auftritt der Ornbauer Zuschauer einen mehr als faden Beigeschmack verpasst.
Spielbericht eingestellt am 01.06.2015 06:09 Uhr