Corona macht es möglich. Es war ein wenig ein Spiel zwischen den Zeiten. Im Viertelfinale des Toto-Pokal 2020/21 standen sich der Bayernligist TSV Abtswind und Drittligist Türkgücü München gegenüber. Beide Teams starteten kürzlich in die Vorbereitung auf die Saison 2021/22. Die Elf aus der Landeshauptstadt nahm die Partie aber keineswegs auf die leichte Schulter. Der aufstrebende Verein möchte erstmals in die Hauptrunde des DFB-Pokal einziehen. Im Vorjahr scheiterte man dabei letztlich vor Gericht. Zunächst gelang es im vergangenen Sommer sogar das Pokalspiel zwischen Schalke und Schweinfurt auf Amtswegen zeitweilig zu verhindern. Die „Schnüdel“ bekamen den Platz, den die Münchner von Türkgücü als Tabellenführer der unterbrochenen Regionalliga Bayern-Saison eigentlich für sich beansprucht hatten. Eine zähe Geschichte, die mittlerweile längst zu den Akten gelegt wurde. Dieses Jahr möchte sich der Verein den Einzug in den DFB-Pokal nicht mehr nehmen lassen.
Severo Sturm mit dem Torriecher. Der 21-Jährige tunnelte Türkgücü-Schlussmann René Vollath bei zwei seiner drei Treffer.
Steffen Krapf
Das war auch auf dem strahlenden Grün in der Kräuter Mix Arena von der ersten Minute an zu spüren. Die Elf des neuen Cheftrainers Petr Rude übernahm von Beginn weg die Spielkontrolle. Das Heimteam, das am Sonntagnachmittag ganz in Weiß auflief, hatte in der Anfangsphase große Mühe das hohe Spieltempo Türkgücüs anzunehmen. Das führte dazu, dass die Elf von Coach Claudiu Bozesan lange die Räume in der Defensive nicht eng halten konnte und dazu auch kaum richtig in die Zweikämpfe kam. Offensiv fand Abtswind zunächst überhaupt nicht statt. In der 20. Minute köpfte der 1,92 Meter lange Alexander Sorge die Münchner nach einem von Philip Türpitz getretenen Standard verdient in Führung. Türpitz, der vom Drittliga-Aufsteiger Hansa Rostock in diesem Sommer zu Türkgücü wechselte, zeigte sich im ersten Durchgang besonders spielfreudig. Fast in der nächsten Aktion nach dem 0:1, legte er mit einem starken Abschluss aus 16 Metern das 0:2 nach.
Nach dem Doppelschlag nahm Türkgücü deutlich Tempo aus ihrem Offensivspiel. Nach ein paar „Schock-Minuten“ kämpfte sich Abtswind allmählich zaghaft in die Partie und kam vor dem Pausenpfiff auch zu ersten Torabschlüssen. In der 34. Minute hätte Frank Hartlehnert den Anschlusstreffer, in Folge einer starken Einzelaktion von Severo Sturm, köpfen müssen. Der Ball landete jedoch denkbar knapp über dem Gehäuse von Münchens Keeper René Vollath.
Mit vereinten Kräften verteidigt: Abtswinds Keeper Felix Reusch packt sich den Ball. Abwehrspieler Adrian Graf wäre in seinem Abschiedsspiel für den TSV auch zur Stelle gewesen.
Steffen Krapf
Nach dem Seitenwechsel zeigte sich die Kräuterelf stürmischer und vor allem treffsicherer. Keine zwei Zeigerumdrehungen nach Wiederanpfiff verkürzte Sturm nach einer schönen Einzelaktion zum 1:2 (47.). Es entwickelte sich – zur Freude der Zuschauer, unter denen auch gut 50 Gäste-Fans für ordentlich Stimmung sorgten – ein offener Schlagabtausch zwischen dem Fünft- und dem Drittligisten. Von einem Zweiklassenunterschied war nun stellenweise nichts mehr erkennen. Abtswinds isländischer Stürmer Gudmundur Hafsteinsson eroberte sich in der 50. Minute den Ball kurz vor dem gegnerischen Strafraum erst hervorragend, scheiterte dann aber im Abschluss alleine vor Vollath mit einem Schuss ans Außennetz.
Im Gegenzug zeigte sich die Qualität der Profis. Münchens Stürmer Peter Siliskovic demonstrierte gnadenlose Effizienz. Siliskovic stellte mit seinem Treffer zum 1:3 (51.) den alten Abstand wieder her. Anschließend parierte Abtswinds Torhüter Felix Reusch einen Türpitz-Distanzschuss glänzend. Die neuerliche Drangphase Türgücüs wurde dann aber doch noch in Zählbares umgewandelt. Wieder konnte Abtswind einen gegnerischen Standard nich gut verteidigen – wie schon beim 0:1 – und wieder war Alexander Sorge per Kopfballtreffer zur Stelle (60.). Nun drohte der offene Schlagabtausch zum Schützenfest auf Kosten des Außenseiters zu verkommen.
Der eingewechselte Moritz Kuhn erhöhte nach einer starken Einzelleistung auf 1:5 (66.). Anschließend ging der Gast wieder etwas vom Gaspedal herunter. Die aufopferungsvoll kämpfenden TSV-ler verkürzten in der Schlussphase noch einmal durch zwei Treffer des groß aufspielenden Severo Sturm (78., 89.) auf 2:5 und 3:5. Der letzte Treffer gelang sogar in Unterzahl. Zehn Minuten vor Spielende flog der eingewechselte Ali Koller mit Gelb-Rot vom Spielfeld.
Adrian Dußler vom TSV Abtswind im Zweikampf mit Türkgücüs Leroy-Jacques Mickels.
Steffen Krapf
Geschenkt bekam der Favorit aus München in der Kräuter Mix Arena nichts. Verdient weitergekommen ist er trotzdem. Für Türkgücü München lebt nach einem seriösen Auftritt bei der Pflichtaufgabe der Traum vom DFB-Pokal. Für den TSV Abtswind war es „zwischen den Zeiten“ eine schöne Gelegenheit, um die Abgänge Nicolas Wirsching, Marcel Ruft und Adrian Graf – die allesamt auch noch einmal auflaufen durften – gebührend zu verabschieden (Jürgen Endres, Daniel Endres und Jonas Wirth waren nicht persönlich vor Ort) und gleichzeitig war das Duell mit dem Drittligisten ein gelungenes Highlight vor der anstehenden dritten Bayernliga-Saison des Klubs – ganz zur Freude der 320 Zuschauer, die ein durchweg unterhaltsames Spiel geboten bekamen.
Spielbericht eingestellt am 21.06.2021 00:29 Uhr