Von einem absoluten Highlight für den SSV Kasendorf hatte Abteilungsleiter Claus Deller im Vorfeld der 2. Toto-Pokalrunde gesprochen. Der Bezirksligist hatte sich nach dem überraschenden Erstrundensieg gegen Bayernligist Don Bosco Bamberg mit Kickers Würzburg einen Drittligisten geangelt. Bei idealen Fußballwetter wollten sich knapp 1.000 Zuschauer das Duell David gegen Goliath nicht entgehen lassen. Bei vier Ligen Unterschied wäre ein knapper Sieg für die Schwarz-Weißen bereits ein Erfolg. "Für uns ist es nicht das einfachste, sondern das coolste Spiel des Jahres", sagte der Kasendorfer Coach Christoph Wächter vor der Partie und vertraute dabei erneut jener Strategie, die bereits gegen Don Bosco zum Erfolg führte und verzichtete auf langes Videostudium. Das hätte auch wenig Sinn gemacht. Schließlich veränderte Gästecoach Michael Schiele seine Elf im Vergleich zum jüngsten Erfolg gegen Preußen Münster auf nicht weniger als neun Positionen. Lediglich Kapitän Sebastian Schuppan und Patrick Sontheimer liefen erneut von Beginn an. Ansonsten gab der Kickers-Coach der zweiten Garde eine Chance sich zu zeigen. Anders die Situation beim Underdog aus Kasendorf: Da hätte Christopher Wächter gerne jeden seiner Kicker zum Einsatz gebracht.
Yassin Ibrahim (rot) setzt sich gegen Jermaine Mullen durch.
Thomas Nietner
Die Devise des Außenseiters war von Beginn an klar: In die Zweikämpfe kommen, mit jedem Duell Selbstvertrauen gewinnen und lange die Null halten. Das gelang den Kasendorfer ganz gut. Mit jeder Spielminute, mit der man den Favoriten vom eigenen Tor fernhalten konnte, legte die Wächter-Elf immer mehr die anfängliche Aufregung ab. Vor allem Keeper Dejan Cukaric vermittelte früh den Eindruck, dass es eine richtig starke Partie von ihm werden würde. "Wenn man erst einmal auf dem Spielfeld steht, dann ist es egal, wer der Gegner ist", wusste Christoph Wächter. Dennoch knackten die Würzburger die Kasendorfer Hintermannschaft erstmals nach einer Viertelstunde. Hüseyin Cakmak brachte die Kickers in Führung. Einen höheren Rückstand verhinderte der Kasendorfer Schlussmann, auch wenn er wenig später gegen Domenic Baumann erneut hinter sich greifen musste. "Wir haben den Torwart in der ersten Hälfte regelrecht warm geschossen", sah Kickers-Coach im weiteren Spielverlauf zwar mehrere Gästechancen, aber keinen weiteren Treffer mehr. Die vereitelte entweder Dejan Cukaric oder die vielbeinige Kasendorfer Hintermannschaft, der es gelang, weitgehend die Ordnung zu halten. Nach einem Ballverlust schlug dann die große Stunde von Jermain Mullen: Der Flügelflitzer startete von der Mittellinie aus durch und hämmerte den Ball vom Strafraum unter die Latte. Was folgte waren die Emotionen, die den Fußball ausmachen: Ein Torschütze, der sein Glück kaum fassen konnte, und jubelnde Zuschauer wie man sie im Saisonverlauf selten in der Bezirksliga sieht. Das hatte Gänsehautatmosphäre. "Das ist das Schöne am Fußball", genoss auch Christoph Wächter jenen Moment. Hatte man zuvor noch kurz den Eindruck, dass das Spiel seinen erwarteten Ausgang nehmen sollte, hielten die Kasendorfer die Partie bis zur Halbzeit offen. Das honorierten die Zuschauer mit viel Applaus, als Schiedsrichter Christopher Schwarzmann zum Pausentee bat.
Michael Fuchs (schwarz) bleibt gegen Hüseyin Cakmak cool.
Thomas Nietner
"Dass wir die Partie bis zur Pause offen halten, macht mich stolz", sagte Christoph Wächter nach dem Spiel. Warum sollte dem Außenseiter nicht sogar eine Überraschung gelingen? In jenem Glauben schickte der Kasendorfer Coach seine Elf in die zweite Halbzeit. Aber schon früh nach dem Seitenwechsel zeichnete sich ab, dass der Überraschungscoup ausbleiben sollte. Die Mainfranken spielten sich in der Hälfte des Bezirksligisten fest und zogen der Wächter-Elf mit dem dritten Treffer schnell den Zahn. Verteidiger Matthias Hacker fälschte einen Schuss von Hüseyin Cakmak unhaltbar in die eigenen Maschen ab. Fortan ließ der Drittligist den Ball in den eigenen Reihen wie beim Handball um den Strafraum der Würzburger Strafraum kreisen. Der Kasendorfer Hintermannschaft gelang es aber, die Abschlüsse in Grenzen zu halten. "Die Mannschaft hat bis zum Schluss alles gegeben", rechnete Christoph Wächter seiner Elf dies hoch an. Und auch die Zuschauer honorierten den Kampf des Bezirksligisten. Vor allem Schlussmann Dejan Cukaric verdiente sich immer wieder Szeneapplaus. Der war auch Torschütze Jermaine Mullen sicher, als der zwanzig Spielminuten vor dem Ende das Spielfeld verließ. Ein guter Traum war ihm für die folgende Nacht nach seinem sehenswerten Treffer wohl sicher. Die Kickers spielten die Partie in der Schlussphase locker runter und legten durch Niklas Zulciak noch einen Treffer nach. Mit seinem sehenswerten Abschluss vom Strafraum in das Tordreieck machte der Würzburger dabei Jermain Mullen durchaus Konkurrenz um das schönste Tor des Abends.
Drei gegen einen: Die Heimelf macht um Dominik Schorn, Matthias Pistor und Björn Korzendorfer macht das Spielfeld gegen Patrick Sontheimer eng.
Thomas Nietner
"Es fühlt sich nicht wie eine Niederlage an", sagte Dejan Cukaric. Nach dem Schlusspfiff waren sich die Kasendorfer dem Applaus und den Schulterklopfern der Zuschauer sicher. Der Bezirksligist hatte sich teuer und vor allem gut verkauft - und vor allem äußerst fair. Der Schiedsrichter musste kaum eingreifen und verteilte keine einzige gelbe Karte. Das ist in einem Pokalspiel durchaus nicht immer die Regel. "Wir haben unsere Pflicht erfüllt", zählte für Kickers-Coach Michael Schiele dagegen in erster Linie das Erreichen der nächsten Runde. Seine Elf leistete sich lediglich einen Fehler, der zwar prompt bestraft wurde, ansonsten aber ließ der Favorit nichts weiter anbrennen und spielte die Partie in der zweiten Hälfte souverän runter. Die Kasendorfer haben nach jener Begegnung aber Blut geleckt. Auch in der nächsten Saison wollen sie wieder im Toto-Pokal mitkicken und einen Großen herausfordern. Da ist der Tabellenzweite der Bezirksliga bereits auf einem guten Weg. Im Kreispokal stehen die Kasendorfer erneut im Halbfinale.
Spielbericht eingestellt am 21.08.2019 22:27 Uhr