von Michael Kämmerer
Beim Pokalspiel steht die Verbindung nach China
TSV Abtswind – Viktoria Aschaffenburg 3:6 (1:4)
3:6 – das klingt nach einer Abfuhr. Doch in Wahrheit war’s gar nicht so deutlich, wie das Ergebnis vermuten lässt. Erst in den letzten Minuten holte Viktoria Aschaffenburg nochmals zum Doppelschlag aus. Zuvor war der TSV Abtswind, der ein Pausen-1:4 wegsteckte, drauf und dran, den Ausgleich zu erzielen. Unterm Strich aber zog der Bayernligist dank seiner individuellen Güteklasse in die nächste Pokalrunde ein.
Aschaffenburgs Jochen Seitz war hocherfreut. Seine Mannschaft hatte die vermutete Belastungsprobe in Abtswind nach einer zwischenzeitlichen Zitterpartie gemeistert und war ins Achtelfinale des Toto-Pokals eingerückt. Neben den Abtswinder Glückwünschen zum Sieg erhielt der 40 Jahre alte Ex-Profi, unter anderem in Diensten des VfB Stuttgart, FC Schalke 04 und 1. FC Kaiserslautern, noch über Umwege eine Aufwartung aus dem fernen Osten von seinem ehemaligen Trainer und Förderer: Felix Magath, gebürtiger Aschaffenburger und seit 2016 verantwortlich für den chinesischen Erstligisten Shandong Luneng, schickte Grüße nach Abtswind, übermittelt von Masseur Detlef Müller auf das Handy von TSV-Manager Christoph Mix. Detlef Müller aus Laub, der viele Jahre als Sporttherapeut für Eintracht Frankfurt und Stuttgart in der Bundesliga unterwegs war und sich danach um die Abtswinder Akteure gekümmert hatte, folgte vergangenes Jahr seinem Kumpel Felix Magath nach China.
Jochen Seitz, der sich am Dienstagabend Bratwurst und Weinschorle schmecken ließ, gefiel es augenscheinlich in Abtswind. Mit seinem Kollegen Petr Skarabela hatte er auch einen, mit dem er in Erinnerungen an vergangene Profijahre schwelgen konnte, als beide – Seitz mit Unterhaching, Skarabela mit Fürth – Ende der Neunziger im Aufstiegskampf der zweiten Liga aufeinandertrafen. Vielleicht gibt es nach dem Duell im Pokal nächste Saison ein Wiedersehen in der Bayernliga, wie Seitz in den Raum stellte. Allerdings hörten das die Aschaffenburger Fans, die der öffentlichen Pressekonferenz nach dem Spiel lauschten, nicht so gerne. Sie sähen die Viktoria lieber wieder in der Regionalliga, aus der der traditionsreiche Klub 2016 abgestiegen war. Beim angestrebten Bayernliga-Aufstieg legte Seitz Abtswind einen persönlichen Wunsch nahe – natürlich versehen mit einem Augenzwinkern: Man möge doch bitte nicht gegen seinen Heimatverein TSV Heimbuchenthal gewinnen. Der sympathische Seitz hatte nicht zuletzt aufgrund des Weiterkommens im Pokal allen Grund entspannt zu sein.
Auf Seiten der Abtswinder überwog in den Minuten nach dem Schlusspfiff zweifellos die Enttäuschung, nach dem Aufeinandertreffen vor zwei Jahren (1:3) erneut nicht die Überraschung geschafft zu haben. Dennoch konnten die Hausherren erhobenen Hauptes vom Rasen gehen. Sie hatten dem Favoriten in der zweiten Halbzeit einen packenden Pokalkampf geliefert. Mit etwas Fortune wäre bei der Aufholjagd sogar der Ausgleich zum 4:4 gelungen. Die Hoffnung war zurück, nachdem es zur Pause nach einer klaren Angelegenheit ausgesehen hatte. Mit 4:1 führten die Gäste, die in vielen Aktionen schneller agierten als der Gegner. In der achten Minute wehrte Nicolas Wirsching einen Eckball direkt zu Nils Herdt ab. Der junge Stürmer, bis zum Sommer im Nachwuchs der Frankfurter Eintracht ausgebildet, zögerte nicht und wuchtete das Leder zur Aschaffenburger Führung ins Tor. Außer dem Weitschuss von Michael Herrmann, der Schlussmann Ricardo Döbert beinahe überrascht hätte, kam von Abtswind offensiv lange nichts. Was gewiss auch daran lag, dass Pascal Kamolz nicht zum Einsatz kam.
Den Premium-Angreifer plagten die Schulter und ein steifer Hals. „Das hätte heute nichts gebracht“, sagte Trainer Petr Skarabela. „Er wird aber am Sonntag in Unterpleichfeld auflaufen können.“ Dafür gab es für die Hausherren in der Defensive reichlich Beschäftigung. Aschaffenburg zog das Tempo an und schob mal eben zwei sehenswerte Treffer nach: Jonas Fritsch legte in die Mitte, wo Christian Breunig das Leder volley unter die Latte zimmerte (23. Minute). Beim nächsten Angriff stand es 3:0, als Breunig für Herdt die Vorarbeit leistete und der kompromisslos abschloss (25.). Abtswind zeigte sich von so viel Offensivkraft angeschlagen. Gökhan Aydin und Daniel Cheron gaben schon kurz darauf die nächsten gefährlichen Schüsse ab. Ein herrlicher Freistoß von Adrian Dußler zum 1:3 (36.) ließ bei Abtswind die Zuversicht zurückkehren, die durch Christian Breunigs 1:4 mit dem Pausenpfiff wieder zerstört wurde. Die Sache schien nach der Hälfte erledigt. Skarabela („Der Glaube war noch vorhanden“) stellte mit Beginn des zweiten Durchgangs um.
Der junge Lukas Wirth, der hinten rechts verteidigt und gegen den ausgebufften Gökhan Aydin einen schweren Stand hatte, räumte seinen Platz. Michael Herrmann rutschte zurück auf seine angestammte Position, und der eingewechselte Peter Mrugalla übernahm nach längerer Verletzung die Außenbahn. Die Maßnahme sorgte für Belebung. Mrugallas erster Antritt auf der rechten Seite wirbelte die Defensive der Gäste durcheinander. Daniel Endres vollstreckte den Rückpass an den Sechzehner mit einem knallharten Schuss zum 2:4 (52.). Über die Flügel machte Abtswind nun gehörig Dampf. Steffen Barthel vergab die überlegte Vorarbeit von Philipp Hummel, den die Aschaffenburger nicht in den Griff bekamen. „Er war unser bester Mann“, sagte Petr Skarabela. Nicolas Wirsching dagegen machte es danach besser und schob Hummels Ball ins lange Eck – nur noch 3:4 (54.). Und noch genug Zeit für Abtswind, um daran anzuknüpfen. „Wir haben gegen die schnellen Abtswinder Außenbahnspieler die Seiten nicht dicht bekommen“, stellte Jochen Seitz fest. „Unsere Außenverteidiger waren zu offensiv eingestellt und sind überrascht worden von langen Bällen hinter die Abwehr.“
Die Gäste waren angeschlagen und verunsichert: Torhüter Ricardo Döbert hatte bei einem Pressschlag mit Philipp Hummel Glück (62.). Es war die Zeit, in der sich die Begegnung zu einem Pokalfight entwickelte. Die Aussicht auf den Ausgleich hielt sich bis kurz vor Schluss. Nach wiederholtem Foulspiel musste Abtswinds Adrian Graf mit Gelb-Rot vom Feld. Beim folgenden Freistoß sorgte Gökhan Aydin mit dem 5:3 für die Entscheidung (87.), die nach dem 6:3 durch Daniele Toch (88.) dann doch zu deutlich ausfiel. „Es tut weh, dass wir die erste Hälfte vergeigt haben“, sagte Petr Skarabela. „Eine Klasse höher geht es anders zur Sache.“ Mit dem Einzug ins Pokalachtelfinale bleibt die Belastung für die Viktoria hoch. Die nächsten Wochenspiele warten. „Wir hatten nach der verpassten Relegation zur Regionalliga nur eine kurze Pause und Vorbereitung, so dass wir auf dem Zahnfleisch gehen“, sagte Jochen Seitz, der nur über vierzehn gesunde Feldspieler verfügte. Mit seinem Team will er auch dieses Jahr wieder im Aufstiegsrennen mitmischen.
Spielbericht eingestellt am 25.08.2017 14:22 Uhr