Amateursport nach Pause: Das böse Erwachen droht auf dem Sportplatz - fussballn.de
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Artikel veröffentlicht am 29.04.2021 um 11:30 Uhr
Amateursport nach Pause: Das böse Erwachen droht auf dem Sportplatz
Seit einem halben Jahr nun ist gerade der Mannschaftssport im Amateurbereich nahezu komplett auf Eis gelegt. In einem beispiellosen Ausmaß ist der Breitensport aus dem gewohnten Training gerissen. Der Wiedereinstieg könnte gravierende und irreparable Folgen haben. Mediziner warnen vor einer unentdeckten Krankheit in Kombination mit einer nicht mehr gewohnten körperlichen Belastung. 
Von Marco Galuska
Eine "Bedenkminute" könnte helfen, um manche Gedenkminute zu vermeiden.
fussballn.de
Irgendwann - in hoffentlich nicht allzu ferner Zukunft - wird der Tag kommen, an dem die Rückkehr auf den Sportplatz wieder nahezu uneingeschränkt erlaubt ist. Die Freude über die Ausübung des so sehr vermissten Hobbys könnte aber an der ein oder anderen Stelle in einem Trauerfall münden. Denn es sind zwei außerordentliche und in jenem Ausmaß besonders gefährliche Komponenten, die mitspielen, wenn es wieder auf den Platz geht.

Über 145.000 Fußballmannschaften im DFB - die wenigsten durften trainieren


Rund 88.000 Sportvereine gibt es in Deutschland. Im vergangenen Jahr wurden über 24 Millionen Mitglieder gezählt. Über 7 Millionen Mitglieder gehören dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) an, allein 1,6 Millionen dem Bayerischen Fußball-Verband (BFV). Rechnet man die verschwindend geringe Anzahl der Profimannschaften weg, die weiter im Spielbetrieb geblieben sind, so bleiben noch genügend Amateurvereine unter den vom DFB im vergangenen Jahr über 145.000 gezählten Mannschaften, auf die neben der wirtschaftlichen und strukturellen Herausforderung noch größere Probleme warten, die in der öffentlichen Debatte von Politik und Verbänden bei all den Forderungen nach Öffnungen deutlich zu kurz kommen.

Ein halbes Jahr wurde auch der Fußball komplett aus Training und Spielbetrieb gerissen. Ein Umstand, den man seit dem Ende des 2. Weltkrieges nicht mehr vorfand. Noch nie gab es auch eine dermaßen große Anzahl an sportartspezifisch-untrainierten Fußballern. Doch nicht nur die fehlende Fitness allein ist problematisch, gerade auch der Grund für die Zwangspause wird mitspielen, wenn wieder trainiert wird. Und dabei geht es dann für den einen oder anderen um deutlich mehr als "nur" muskuläre Verletzung aufgrund ungewohnter Belastung.

Sportler sollten Folgeschäden nach Covid-19 nicht unterschätzen

Die Folgeschäden einer Covid-19-Erkrankung können gerade bei jüngeren Menschen und Sportlern tückisch sein, warnt Professor Martin Halle, Direktor der Präventiven Sportmedizin und Sportkardiologie der TU München, im Interview mit Spiegel Online: "Bei der Lunge merken Sie, wenn etwas nicht stimmt. Sie husten oder haben Atemnot. Das Herz spüren Sie nicht. Gerade bei Jüngeren, auch bei Sportlern, ist das eine große Gefahr. Sie spüren nicht, dass das Herz ein Problem hat und trainieren einfach weiter.

Die Myokarditis, die Herzmuskelentzündung, zählt zu den führenden Ursachen des plötzlichen Herztods bei Sportler*innen unter 35 Jahre. Die Hauptursache stellt hierbei ein Virusinfekt dar, der die oberen Luftwege und den Verdauungstrakt betrifft. "Im Rahmen einer COVID-19 Erkrankung werden im Rahmen schwerer Verläufe fulminante Myokarditiden beschrieben", schreibt das German Journal of Sports Medicine in einem Positionspapier führender Sportmediziner, zu denen auch Professor Tim Meyer, bei der DFL Leiter der „Task Force Sportmedizin/Sonderspielbetrieb“, zählt.

Die Ambulanz für präventive Sportmedizin und Sportkardiologie im Universitätsklinikums rechts der Isar der Technischen Universität München hat seit Beginn der Pandemie viele Athleten begleitet, die an Sars-CoV-2 erkrankt waren. Die Mediziner mahnen zur außerordentlichen Vorsicht: "Eine sogenannte Sporttauglichkeitsuntersuchung inklusive Ruhe-EKG empfehlen wir selbst bei einem symptomfreien Verlauf, denn Covid-19 führt auch zu einer Entzündung der BlutgefäßeSportler sollten Covid-19 nicht unterschätzen, auch wenn sie keine Symptome hatten“, sagt Professor Halle. Denn wer asymptomatisch an Covid-19 erkrankt und weiter intensiv trainiert, riskiert unter anderem eine Herzmuskelentzündung.

Schätzung: 35.000 der Corona-Infizierten in Deutschland leiden an Langzeitfolgen

Ein falscher Ehrgeiz oder ein generell sorgloser Umgang nach einer derart langen Sportpause kann grundsätzlich für jeden äußerst gefährlich sein. Problematisch wird es obendrein, wenn Covid-19-Erkrankungen überhaupt nicht erkannt oder nachuntersucht wurden. "Wir müssen aufpassen, dass auch bei jungen Sportlern das Herz wieder gut funktioniert und sich keine Herzmuskelentzündung festgesetzt hat. Das kriegt man über ein EKG oder eine Blutentnahme heraus", empfiehlt der Schweriner Internist und Infektiologe Dr. Karsten Wursthorn in einem Beitrag des NDR, der sich ausführlich über Corona-Langzeitfolgen bei Sportlern beschäftigt.

Professor Tobias Welte, der die Long Covid Ambulanz an der Medizinischen Hochschule Hannover leitet, teilt die Langzeitfolgen von Corona-Erkrankungen in zwei Gruppen ein, zum einen gäbe es die strukturellen Organschäden an Lunge und Herz, zum anderen die generelle Erschöpfung, Belastungsmangel, Müdigkeit, bleibende Riech- und Geschmacksstörungen. Welte schätzt, dass etwa ein Prozent der Infizierten unter Corona-Langzeitfolgen leiden. Das wären in Deutschland rund 35.000 Menschen.

Die Forschung steht bei den Ursachen der Beschwerden von Long-Covid noch am Anfang. Die Tatsache, dass vor allem zunächst leicht erkrankte, jüngere Menschen von Long-Covid betroffen sind, deutet daraufhin, dass ein besseres Immunsystem zu derartigen Störungen führt. "Sars-CoV-2 veranlasst das Immunsystem teilweise zu einer Überreaktion, das könnte eben bei Jüngeren häufiger und intensiver der Fall sein", so Welte. Geimpfte erholen sich von Long-Covid laut erster Studien besser. "Die Impfung könnte eine Art 'Re-Formatierung des Immunsystems' hervorrufen. Das ist schon ein Hoffnungsschimmer, der sich da abzeichnet", sagt der Mediziner.

Versteckte Herzmuskelentzündung und mangelnde Kontrolle bei Hobbysportlern

Die Schäden an Lunge oder Herz sind grundsätzlich behandelbar. Prominente Beispiele gibt es bei Leistungssportlern wie Fußball-Nationalspieler Ilkay Gündogan, Weltmeister-Ringer Frank Stäbler oder Eishockey-Profi Janik Möser. Gerade das Beispiel des 25-jährigen Möser schreckt auf: Der Wolfsburger Eishockeyspieler hatte einen sehr milden Corona-Verlauf erlebt. Nur durch einen Zufall bemerkte sein Mannschaftsarzt Axel Gänsslen beim Belastungs-EKG einen ungewöhnlichen Wert. Er schickte den Spieler zur weiteren Untersuchung an die Charité nach Berlin, wo man eine Herzmuskelentzündung diagnostizierte. "Wir waren maximal überrascht. Es war ein absoluter Weckruf für uns, weil er sich topfit gefühlt hat und dennoch etwas Gefährliches vorliegen kann, das wir ohne eine Untersuchung nicht erkannt hätten", berichtet Gänsslen.

Experten vermuten durch die Pandemie einen erheblichen Anstieg von unerkannten Fällen an Herzmuskelentzündungen. Eine professionelle medizinische "Rund-um-die-Uhr-Betreuung", wie sie Profisportler haben, ist im Bereich der Hobby- und Amateursportler jedoch eine absolute Ausnahme. Gerade für die Amateursportler empfiehlt sich ein langsamer Aufbau mit der Herzfrequenz als Kontrollparameter. Welte erklärt: "Die größte Gefahr beim Long-Covid-Syndrom ist gerade bei sportlich aktiven Menschen, dass viele nach der Erkrankung versuchen, ihre Leistung wieder zu schnell zu steigern. Und dies ist unter mangelnder Kontrolle gefährlich. Denn der Hobbysportler sieht nicht, wenn der Leistungsaufbau nicht stimmt. Die schwersten Rückfälle gab es bei denen, die sich zu früh überfordert haben."

Der Weg zum Arzt samt Checkup ist mehr als nur ratsam, ehe es wieder richtig auf dem Platz losgehen soll. Denn zumindest indirekt betroffen von Covid-19 sind durch die Zwangspause letztlich alle Amateurfußballer.

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Sport nach Covid-Erkrankung

Die Experten raten bereits bei symptomfreien SARS-CoV-2–positiven Sportler*innen zur Durchführung eines Ruhe-EKG. Bei symptomatischen Verlauf der Erkrankung sollte zusätzlich ein Belastungs-EKG durchgeführt werden.


Sporttauglichkeitsuntersuchung

Die Sportpause alleine gibt keine vollständige Sicherheit. Um gesundheitliche Risiken durch einen zu frühen Wiedereinstieg ins Training zu minimieren, sollte nach gründlich auskurierter Covid-19-Erkrankung unbedingt ein internistisch-kardiologischer Gesundheitscheck erfolgen. Auf diese Weise lässt sich eine eventuelle Mitbeteiligung des Herzens (etwa eine Herzmuskelentzündung) oder der Lunge (beispielsweise einen Lungenentzündung) prüfen. Außerdem sollten verschiedene Blutwerte bestimmt werden, unter anderem, um die Entzündungswerte zu ermitteln.

Mögliche Bestandteile der Sporttauglichkeitsuntersuchung
-    Anamnese und körperliche Untersuchung
-    Labor (Bestimmung mehrerer Blutwerte)
-    Ruhe-EKG
-    Belastungs-EKG
-    Herz-Ultraschall (Echokardiographie)
-    Stress-Echokardiographie (Herz-Ultraschall unter Belastung)
-    Spirometrie (kleine Lungenfunktionsprüfung) bzw. Bodyplethysmographie (große Lungenfunktionsprüfung)
-    Spiroergometrie (Atemgas- und Lungenfunktionsmessung unter Belastung)

Quelle: https://www.sport.mri.tum.de/de/sport-nach-covid-19.html

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