§93 erst ab 1. Juli rechtssicher: Absteiger per Quotient scheint angreifbar! - fussballn.de
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Artikel veröffentlicht am 31.03.2021 um 12:15 Uhr
§93 erst ab 1. Juli rechtssicher: Absteiger per Quotient scheint angreifbar!
Mit der Meldung vom gestrigen Dienstag beschäftigt sich der BFV nun auch nicht mehr allein hinter verschlossenen Türen mit einem Szenario, das greifen wird, wenn die Saison nicht mehr vollständig beendet werden kann. Der im vergangenen August in die Spielordnung implementierte §93, der einen notwendigen Abbruch regeln soll, bietet durchaus rechtliche Angriffsfläche, besonders das Thema Abstieg erscheint heikel.
Von Marco Galuska
BFV-Spitze im April 2020: Abbruch nur nach außerordentlichen Verbandstag

Um die Problematik zu verstehen, die bei all den Überlegungen zum Spielbetrieb auf Bayerns Fußballplätzen in Pandemie-Zeiten mitspielen, muss man knapp ein Jahr zurückblicken. In einem Mediengespräch erklärte die BFV-Spitze am 17. April 2020 deutlich, warum man den Vereinen eine Saisonverlängerung ab dem 1.9.2020 vorschlagen werde. Ein wesentlicher Aspekt war dabei auch das Haftungsrisiko, das der Verband eingehen würde, wenn es zu einem Abbruch kommen sollte. Unmissverständlich wurde damals kommuniziert, dass ein solches Szenario nicht ohne einen außerordentlichen Verbandstag vollzogen würde.

Gedankenspiele des BFV im April 2020.
Screenshot: fussballn.de

Rund zwei Drittel folgten im Anschluss schließlich in einer per Vereinspostfach gestarteten Umfrage der Richtung des Verbandes. Bayern war damit einerseits ein Vorreiter, letztlich aber auch der einzige Landesverband, der sich gegen eine Abwicklung der Saison 2019/20, aber für eine Verlängerung entschied, und die Saison 2020/21 ausfallen ließ.

Da die Wahrscheinlichkeit einer Abwicklung des Spieljahrs am Grünen Tisch täglich zunimmt, lohnt sich ein Blick auf die Regelung, die im vergangenen Jahr in den 20 anderen Landesverbänden getroffen wurden. Es gab eine recht eindeutige Linie: Per Quotient wurde eine Abschlusstabelle berechnet und damit zwar Aufsteiger, aber keine Absteiger ermittelt.

Abstieg scheint bei einem Abbruch rechtlich angreifbar

Dass es Aufsteiger, aber keine Absteiger geben soll, erscheint auf dem ersten Blick ungerecht, hat aber einen juristischen Hintergrund. Bei einem Aufstieg wird eine Mannschaft besser gestellt als sie möglicherweise bei einem regulären Saisonende gewesen wäre. Die Annahme würde also zugunsten des Aufsteigers ausfallen. Bei einem Abstieg würde man eine Mannschaft aber schlechter stellen (sofern der Abstieg nicht auch rechnerisch schon klar wäre) als bei einem regulären Saisonabschluss. Und im Unterschied zu einem verpassten Aufstieg eines Releganten, der in seiner Klasse verbleibt, würde der Verein herabgestuft.

Ausführlich behandelte im April 2020 die Uni Linz mit einem Rechtsgutachten im Auftrag des Österreichischen Fußballverband (ÖFB) auch grundsätzliche Fragen zu Auf- und Abstieg. Auch hier wurde herausgearbeitet: "So stellt ein Abstieg auch eine gravierende Sanktion für einen sportlichen Misserfolg (eine „Herabstufung“ des betreffenden Vereins, der in der nachfolgenden Saison in einer unteren Liga antreten muss, womit neben den sportlichen auch schwerwiegende wirtschaftliche Konsequenzen verbunden sein können) dar." Im Ergebnis äußert der Gutachter der Uni Linz erhebliche Bedenken, wenn eine Saison anders als vor dem Start festgelegt beendet wird: "Ein Abstieg aufgrund eines solcherart geänderten Spielmodus bringt erhebliche rechtliche Risiken mit sich, sodass dies nur dann ratsam wäre, wenn alle potenziell betroffenen Vereine mit der Änderung einverstanden sind."

Landesverbände in Deutschland verzichteten auf Absteiger per Quotient

Entsprechend beriefen sich beispielsweise die Verbände aus Westfalen, Hessen sowie die drei Landesverbände aus Baden-Württemberg explizit auf eingeholte Rechtsgutachten, die den Kurs "Aufsteiger ja, Absteiger nein" bekräftigten. In Deutschland fand sich im vergangenen Jahr tatsächlich nur im Saarland eine Ausnahme, die zu einem Abstieg führte. Kurios dabei, der Vorschlag aus dem Vorstand des Saarländische Fußballverband (SFV) sah eigentlich ebenfalls keine Absteiger vor, mit der Begründung, "dass ein Abstieg in der Regel für die Vereine schwerer wiegt als ein Nichtaufstieg." Doch auf einem außerordentlichen Verbandstag stimmten die Vereine aus dem Saarland - selbst zur Überraschung des Verbandes - dafür, dass zumindest die Tabellenletzten absteigen sollen.

Unterm Strich bleibt jedoch festzuhalten, dass es bislang in Deutschland keine Absteiger per Quotient gab, ohne dass darüber auf einem außerordentlichen Verbandstag abgestimmt wurde.

§93 der Spielordnung erst ab 1. Juli 2021 "rechtssicher"

Da keine Spielordnung vor Corona-Zeiten einen Abbruch im Zuge einer Pandemie geregelt hatte, galt es diese Lücke zu füllen. Der BFV-Vorstand - laut Satzung nach dem Verbandstag das zweithöchste Organ des Verbandes - hatte im August 2020 den §93 in die Spielordnung aufgenommen. Der BFV berichtete auf seiner Verbandsseite darüber unter dem Titel "§93: BFV-Vorstand regelt Saisonwertung bei höherer Gewalt".

In der Meldung heißt es: "Mit der einstimmig beschlossenen Ergänzung der Spielordnung trägt der BFV-Vorstand der bis dato so nicht gekannten Situation Rechnung und verabschiedet eine rechtssichere Regelung für die Zeit ab dem 1. Juli 2021." Der für Rechts- und Satzungsfragen zuständige BFV-Vizepräsident Reinhold Baier sagt: „Wir haben diese Regelung ausdrücklich für die Zukunft getroffen.“ Ausdrücklich wird im Beschluss unter §93 (5) der Spielordnung darauf hingewiesen, dass die erlassene Vorschrift „nicht für die bereits erfolgte Unterbrechung und Verlängerung des Spieljahres 2019/2020“ gilt. Allerdings: „Sollte jedoch das verlängerte Spieljahr 2019/2020 aufgrund einer staatlichen oder kommunalen Verfügungslage oder höherer Gewalt auch bis zum 30.06.2021 nicht beendet werden können, gelten für die dann notwendige Abwicklung des Spieljahres 2019/2020 die Regelungen dieser Vorschrift.

Bei Abbruch droht Klage

Der §93 der Spielordnung erscheint für die Abwicklung der Saison 2019/20 demnach alles andere als rechtssicher. Zum einen wurden die Anpassungen während der Saison, ohne einen außerordentlichen Verbandstag, vorgenommen. Zum anderen wurde jene Regelung vor allem für die Zeit nach dem 30. Juni 2020 getroffen. Eine rechtssicher Regelung gibt es - wie Baier in der BFV-Meldung aus dem August 2020 selbst betonte - wohl erst ab dem 1. Juli 2021, wenn eine neue Saison beginnt.

Um weiteren Schaden vom bayerischen Amateurfußball zu nehmen, gilt es demnach eine Lösung zu finden, bei der eben nicht mit einer Klagewelle zu rechnen ist. Mit Absteiger per Quotient stehen die Aussichten dafür eher schlecht. Ein erstes Beispiel fand sich schon während der Online-Tagung der Bayernliga, als Tabellenschlusslicht TSV Nördlingen rechtliche Schritte angekündigt hatte, sollte die Quotienten-Regel für den Abstieg greifen.

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§93 (1) BFV-Spielordnung

Sonderregelung bei notwendigem Abbruch des Spieljahres aufgrund staatlicher oder kommunaler Verfügungslage oder höherer Gewalt

Kann ein Spieljahr aufgrund einer staatlichen oder kommunalen Verfügungslage oder höherer Gewalt nicht bis zum festgelegten Spieljahresende beendet werden, wird dieses unter den nachfolgenden Regelungen abgebrochen und gewertet, sofern bei 75% der Mannschaften aus der jeweiligen Spielgruppe mindestens 50% der Verbandsspiele ausgetragen bzw. durch die Sportgerichte gewertet wurden.

Ansonsten wird die Saison für die Mannschaften aus der betroffenen Spielgruppe annulliert. In diesem Fall kommt es nicht zum Vollzug der amtlich veröffentlichten Auf- und Abstiegsregelung

Reicht die Anzahl der Wochenendspieltage aufgrund einer Unterbrechung des Spieljahres durch behördliche Auflagen nicht mehr aus, so sind zusätzliche Spiele während der Woche auszutragen (§ 59 Nr. 5 gilt entsprechend). Sollte ein Verein nicht die Voraussetzungen bzw. die Möglichkeit haben, Spiele unter der Woche auszutragen, ist zudem eine Verlegung des Spiels auf eine andere, vom BFV benannte Spielstätte, möglich.

Die Ansetzung der nicht ausgetragenen Spiele erfolgt durch die spielleitende Stelle. Von § 13 Nr. 8 kann abgewichen werden.

Als Abbruchtag gilt jener Tag, den der Verbands-Vorstand aufgrund einer staatlichen oder kommunalen Verfügungslage oder aufgrund Verhinderung durch eine höhere Gewalt festlegt und nach dem keine weiteren Spiele mehr stattgefunden haben.


§93 (3) BFV-Spielordnung

Meisterschaft

3.1. Mannschaftsabmeldungen

Mannschaftsabmeldungen ab dem Tag des Abbruchs können nicht mehr berücksichtigt werden. Die Regelungen zur Wertung von Mannschaftsabmeldungen bis einen Tag vor dem Abbruch beziehen sich unverändert auf den regulären Restspielplan.

3.2. Amtliche Tabelle

Die Feststellung der amtlichen Tabelle erfolgt anhand der Quotientenregelung. Der Quotient errechnet sich dabei aus der Anzahl der Punkte geteilt durch die Anzahl der absolvierten und der von einem Sportgericht gewerteten Spiele. Der Quotient wird stets auf zwei Nachkommastellen gerundet (kaufmännisch). Die Reihung der Mannschaften innerhalb einer Tabelle erfolgt nach absteigenden Quotienten. Die Mannschaft mit dem größten Quotienten innerhalb einer Spielgruppe ist Erstplatzierter.

Bei Quotientengleichheit zweier Mannschaften werden nachstehende Kriterien in der aufgeführten Reihenfolge zur Ermittlung der Platzierung herangezogen:

a) Spielergebnis des direkten Vergleichs (nur bei Hin- und Rückspielen zählt der Europapokalmodus)

b) Nach dem Subtraktionsverfahren ermittelte Tordifferenz in der jeweiligen Abschlusstabelle

c) Höherer Wert, der sich aus der Anzahl der erzielten Tore dividiert durch die Anzahl der absolvierten Meisterschaftsspiele ergibt (Torquotient).

d) Höherer Wert, der sich aus der Anzahl der erzielten Siege dividiert durch die Anzahl der absolvierten Spiele einer Gruppenphase ergibt

e) Losentscheid

Bei Quotientengleichheit von drei oder mehreren Mannschaften werden nachstehende Kriterien in der aufgeführten Reihenfolge zur Ermittlung der Platzierung herangezogen.

a) Sondertabelle aus den direkten Vergleichen (Wertung anhand der Quotientenregelung)

b) nach dem Subtraktionsverfahren ermittelte Tordifferenz aus der Sondertabelle

c) höherer Wert, der sich aus der Anzahl der im Rahmen der Sondertabelle erzielten Tore dividiert durch die Anzahl der im Rahmen der Sondertabelle absolvierten Meisterschaftsspiele ergibt (Torquotient)

d) Rückgriff auf die Gesamttabelle der Liga

aa) nach dem Subtraktionsverfahren ermittelte Tordifferenz
bb) höherer Wert, der sich aus der Anzahl der im Rahmen der Sondertabelle erzielten Tore dividiert durch die Anzahl der im Rahmen der Sondertabelle absolvierten Meisterschaftsspiele ergibt (Torquotient).
cc) höherer Wert, der sich aus der Anzahl der erzielten Siege dividiert durch die Anzahl der absolvierten Meisterschaftsspiele ergibt.

3.3. Auf- und Abstieg

Die Auf- und Abstiegsregelungen, wie in den amtlichen Teilen auf www.bfv.de veröffentlicht, behalten ihre Gültigkeit. Abweichende oder ergänzende Regelungen sind zu beachten und haben ihre Gültigkeit.

Der unwiderrufliche Verzicht auf das direkte Aufstiegsrecht ist spätestens eine Woche nach Bekanntgabe des Abbruchs schriftlich zu erklären. Der Verzicht auf die Ligazugehörigkeit ist ebenfalls spätestens eine Woche nach Bekanntgabe des Abbruchs schriftlich zu erklären.

3.4. Relegationsspiele

Die Austragung von Relegations- und Entscheidungsspielen entfällt unabhängig von abweichenden oder ergänzenden veröffentlichten Regelungen. Die Mannschaften verbleiben in ihrer Spielklasse.

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