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Artikel veröffentlicht am 17.09.2019 um 14:00 Uhr
Keller Schiri: Der Weg zum Videobeweis
Schon jetzt steht fest: Der Inhalt dieses Buches wird verfilmt. Und zwar an jedem Spieltag in der Fußball-Bundesliga. Fußballgötter, Fans und Journalisten starren dann wie gebannt auf den Hauptdarsteller: VAR - dem Video Assistant Referee. Und damit ist klar, worum es geht: um den Videobeweis im Millionengeschäft Fußball, der einen ganz anderen Blickwinkel auf das Spiel hat als der Hauptschiedsrichter mittendrin.
Von PM / MG
Gerd Lamatsch, Autor und Schiedsrichter mit Bundesliga-Erfahrungen, schreibt in seinem neuen Buch über die Video-Schiedsrichterei.
mococo / Stefan Schwarz
Wenn man Gerd Lamatsch, Autor und Schiedsrichter mit Erfahrungen bis in den Profibereich persönlich trifft, spürt man seine große Leidenschaft für den Fußball und seine emotionale Verbundenheit mit dem Sport, der weltweit die Massen mobilisiert. Über 1.850 Spiele hat er in seiner Karriere geleitet und begleitet. Er war Assistent und Coach – ein Mann also, der weiß, worüber er schreibt und spricht.

Gerd Lamatsch ist nach wie vor aktiver Schiedsrichter im Amateurfußball.
Uwe Kellner

Es gibt nichts Schlimmeres für einen Schiedsrichter, als wenn er nach dem Spiel im Fernsehen sieht, dass er eine klare Fehlentscheidung getroffen hat, während Millionen Zuschauer auf dem Bildschirm den Videobeweis quasi live präsentiert bekommen. Auch die Zuschauer im Stadion wissen mehr als der Schiedsrichter, und der ist letztlich der Gelackmeierte, weil er keinerlei technische Unterstützung hat.

Mindestens 80 Prozent der klaren Fehlentscheidungen werden korrigiert


Klingt eigentlich nach einem klaren Bekenntnis zum Videobeweis. Aus Lamatschs Sicht jedenfalls ist schwer vermittelbar, dass das Gewinnen oder Verlieren eines Spiels bzw. der Auf- oder Abstieg einer Mannschaft und nicht zuletzt das wirtschaftliche Überleben eines Vereins von einer technisch nicht unterstützten Schiedsrichterentscheidung abhängt. Kein Wunder, denn Lamatsch zeigt in seinem Buch auf, dass mindestens 80 % der klaren und dramatischen Fehlentscheidungen durch den Video-Schiri korrigiert werden.

Aber so einfach ist die Sache dann doch wieder nicht. Das weiß Experte Lamatsch natürlich auch, und deshalb beleuchtet er den (Wettbewerbs-)Konflikt zwischen dem Schiedsrichter im Videoraum und dem Hauptschiedsrichter auf dem Platz. „Es ist nicht klar definiert, wann der Schiedsrichter im Videoraum eingreifen und die Entscheidungen des Hauptschiedsrichters auf dem Platz beeinflussen darf. Der Ermessensspielraum ist sicherlich groß, und deshalb plädiere ich dafür, dass die betroffenen Mannschaften selbst darüber entscheiden dürfen, ob das Verhalten der Spieler auf dem Platz überprüft wird oder nicht.“

Der Schiri mit Leidenschaft zeigt in seinem Buch einige Stellschrauben auf, um den VAR attraktiver zu machen. Immerhin sollte mit der Einführung des Videobeweises alles gerechter, schöner und besser werden. „Gefühlt“ ist allerdings das Gegenteil eingetreten – zum Beispiel (insbesondere seit 2018) auch im Hinblick auf die Frage, wie das Handspiel als Regelverstoß geahndet werden soll und darf.

Forderung nach Netto-Spielzeit

Gerd Lamatsch
mococo / Stefan Schwarz

Lamatsch mag klare Worte – auch zu einem Randthema. In seinem Buch hat er zudem die Belange der Fußballfans im Blick und fordert die Einführung einer reinen Netto-Spielzeit wie beim Eishockey: Ist der Puck nicht im Spiel, wird die Zeit angehalten. Die Zuschauer bekommen also immer genau 60 Minuten reine Spielzeit zu sehen.
Und im Fußball? Lamatsch: „Wir reden heute von 90 Minuten Spielzeit, aktiv werden davon aber nur ca. 55 bis 60 Minuten gespielt, und das ist ein Witz. Würde endlich die reine Spielzeit eingeführt, gehörten taktische Spielchen oder Zeitschinderei der Vergangenheit an.

Fazit: Ein superspannender Lesestoff für Fußballbegeisterte, die mehr über
Schiedsrichterentscheidungen und die Hintergründe wissen möchten. 
Erhältlich online über Amazon!



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Das Buch

Keller Schiri - Der Weg zum Videobeweis
Taschenbuch, 128 Seiten
Verlag: epubli
ISBN: 9783748584858
Über Amazon erhältlich


Kurzportrait

Gerd Lamatsch (Jahrgang 1959) stammt aus Nürnberg. Schon als Schüler und junger Fußballer interessierte er sich für das Amt des Schiedsrichters und legte im Alter von 16 Jahren die amtliche Prüfung beim Bayerischen Fußballverband (BFV) ab. Mittlerweile ist er seit über 43 Jahren auf den Fußballplätzen in ganz Deutschland unterwegs und hat über 1.850 Amateur- und Bundesligaspiele aktiv begleitet. Immer mit im Gepäck: Die Leidenschaft für den Fußball und für das, was er tut.

Deniz Aytekin – heute einer der internationalen TOP-Schiedsrichter, der im Juli 2019 erstmals zum DFB-Schiedsrichter des Jahres gewählt wurde– hat sich als ganz junger Kollege bei Lamatsch an der Linie in der Bayernliga- und Regionalliga seine ersten Sporen verdient.

Lamatsch kann auf viele Erfolge zurückblicken. Und noch heute leitet er Spiele in der Kreisklasse, in der A-Klasse und im Junioren-, Frauen- und Seniorenbereich. Sein Heimatverein ist der TB Johannis 88 in Nürnberg.

Lamatsch über Lamatsch

„Ich bin ein absoluter Gerechtigkeitsfanatiker. Das bedeutet aber nicht, dass ich keine Fehler mache (denn jeder Mensch macht Fehler). Die größte Genugtuung empfinde ich, wenn ich nach einem harten Spiel vom Platz gehe und beide Mannschaften sagen: „Schiri, klasse Leistung. Danke!“
Ich bin glücklich, wenn ich ein Spiel objektiv im Sinne der Regeln leiten und damit zu einem gerechten, fairen und damit sportlichen Ergebnis für alle Seiten beitragen konnte.“

Dramatischstes Ereignis als SR

Gerd Lamatsch wurde auf dem Spielfeld von einem Spieler geschlagen und dann unter Polizeischutz vom Platz eskortiert.

Der Grund für den Ausraster des Spielers? Er war mit einer einzigen Entscheidung nicht einverstanden – im Gegensatz zum Schiri wollte er ein strafbares Stürmer-Handspiel gegen sich vor dem Tor gesehen haben.


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