Von Rudi Dümpert
Ist das Glas halb voll oder halb leer nach einem Unentschieden? Für Haibachs Trainer Klaus Hildenbeutel „halb leer, wenn man zur Halbzeit 2:0 führt und in der Nachspielzeit schon wieder zwei Punkte verliert, wie vor einer Woche gegen Regensburg. Allerdings hätte ich vorher das Unentschieden unterschrieben, weil wir um die Stärken von Aubstadt wissen.“ Und TSV-Trainer Josef Francic: „Halb voll, wenn man gegen diesen in der ersten Halbzeit bärenstarken Gegner ein 0:2 aufgeholt hat. Halb leer, wenn ich unsere drückende Überlegenheit und unsere Torchancen in der zweiten Halbzeit sehe. Aber ich muss meiner Mannschaft ein Kompliment machen. So sehr ich im ersten Abschnitt von ihr enttäuscht war, in dem bei uns gar nichts gepasst hat, unsere schlechteste Halbzeit diese Saison, so sehr muss ich sie loben, wie sie sich dann zusammen gerauft hat. Wir haben uns in der Pause geschworen, entweder mit 0:5 untergehen oder noch einen Punkt holen. Also doch halb voll.“
Was noch hinzu kommt: Beide Mannschaften blieben auch im vierten Spiel ungeschlagen und Aubstadt hat seine Tabellenführung verteidigt: Ein Novum. Wie gehabt bleibt diese Alemannia aber der Angstgegner der Grabfelder. Warum, dieses Geheimnis wollte Hildenbeutel nicht lüften: „Das gibt es im Fußball manchmal zwischen zwei Mannschaften, ohne dass es dafür eine Erklärung gibt.“ Die Abschter müssen wahrscheinlich noch lange grübeln, warum sie am Samstag im ersten Abschnitt einfach keinen Zugriff aufs Spiel bekamen und die Dominanz sonstiger Heimspiele vermissen ließen. Vielleicht wäre es einfacher geworden, wenn Martin Thomanns Schuss in der 3. Minute nicht von Patrick Farbmacher für den geschlagenen Torwart Patrick Emmel von der Linie gekratzt worden wäre. Oder wenn Mike Dellinger wenigstens einen seiner tollen Sprints besser abgeschlossen hätte.
Das war in den überlegen geführten ersten 20 Minuten. Dann drehte sich das Blatt, Haibach nahm das ganze Heft in die Hand, presste den TSV immer tiefer in die eigene Hälfte hinein, ohne dass diesem wenigsten Entlastungsangriffe gelungen wären. Erst touchierte ein Kopfball des gefährlichen Christian Huth den Außenpfosten. Dann war Christian Breunig nach einem Freistoß von Arwed Kellner mit dem Kopf zur Stelle – 0:1. Ausgerechnet ein Standardtreffer, den Francic für seine Mannschaft gebucht hatte. „Völlig ungewohnt für unsere Abwehr, dass wir mit unseren langen Kerls da nicht hin kommen.“ Als würde man genau diesen Breunig nicht kennen, der seit Jahr und Tag in Aubstadt mindestens ein, manchmal zwei Tore schießt!
Nicht genug damit: In diese Schockstarre hinein fiel auch noch das 0:2 nur vier Minuten später. Diesmal bediente Breunig den Torschützen Huth. Damit war das Bett für die Haibacher gemacht. Obwohl noch eine knappe Stunde zu spielen war: Zwei Tore gegen diesen Gegner aufholen, das kann nur eine stabile, selbstbewusste Spitzenmannschaft. Der Anschlusstreffer schien bereits gefallen, als Leicht mit einem langen Diagonalball Schebak erreichte, der eigentlich alles richtig machte, mit einem Kontakt annahm und sofort abzog. Wie allerdings Lukas Fröhlich noch das Bein dazwischen bekam, war symptomatisch für die ganze zweite Halbzeit, für das gefühlte Dutzend von hoch- bis hundertprozentigen Chancen. Irgendwie kam immer ein Bein aus der Wand an den Ball, gegen die die Abschter anrannten. Und sie machten das nicht mit der Brechstange, sondern geduldig und sauber über die Flügel – und bekamen ihren späten Lohn doch noch dafür.
Francic hatte zur Halbzeit für den Angreifer Schebak den Abwehrspieler Benkenstein gebracht, damit eine Kettenreaktion von internen Verschiebungen ausgelöst: Und alles richtig gemacht. Dadurch durften u.a. Rützel auf seine geliebte Sechs und Leicht ins Angriffszentrum zurück. Rützels Elfer nach Foul von Ephraim Uworuya an Dellinger brachte psychologisch günstig schnell das 1:2. Was dann folgte, „war eine reine Abwehrschlacht meiner Mannschaft“ (O-Ton Hildenbeutel), eine Dreiviertelstunde volles Risiko gehende und an ihre Chance glaubende Aubstädter im Dauer-Vorwärtsgang Richtung Alemannen-Tor. Und weil die Gäste gar so demonstrativ Zeit schindeten, ließ diese der Schiri satt nachspielen und Christian Köttler doch noch den Ausgleichstreffer köpfen – 90.+3! Verdient? Das wäre ein Dreier für Aubstadt auch gewesen. Aber besser Glas halb voll als Flasche leer.
Spielbericht eingestellt am 02.08.2015 09:53 Uhr