Von Rudi Dümpert
„Aschaffenburg ... ein Stück Lebensfreude“, stand in großen Lettern auf dem Mannschaftsbus der Gäste vom Untermain direkt vor dem Eingang zur Sportanlage, und jeder Zuschauer konnte, vielleicht sollte es lesen. Über den Wahrheitsgehalt auf Fußball bezogen konnte sich dann jeder überzeugen bei der 0:3-Heimniederlage der Aubstädter in der Bayernliga Nord. „Wir waren uns der Schwere der Aufgabe bewusst“, bekannte Viktoria-Trainer Slobodan Komljenovic hinterher. „Und glauben Sie mir, selbst wenn es anders ausgesehen haben sollte: Meine Mannschaft musste heute 100 Prozent geben – jedenfalls in der ersten Halbzeit. Wenn man dann 2:0 führt, ist das eben so, dass man sich etwas zurücknimmt.“ Es hatte ab der vollen Stunde tatsächlich so ausgesehen, als wären nicht nur die Gäste, sondern auch die Aubstädter mit diesem Zwischenergebnis zufrieden gewesen, als hätte die Viktoria bei Bedarf jederzeit noch 10 oder 20 Prozent draufpacken können und dass 100 Prozent von Aubstadt einfach zu wenig waren gegen diese Top-Mannschaft, die mit ihrer Torausbeute diesmal sogar unter ihrem Durchschnitt der letzten sechs Wochen geblieben war.
So sah es jedenfalls TSV-Coach Josef Francic, der sichtlich bemüht war, die Relationen zwischen „dieser Mannschaft und uns, die wir eine Arbeiter-Mannschaft sind und immer 120 Prozent bringen müssen, zurechtzurücken. „Ich kann meinen Spielern nichts vorwerfen. Sie haben alles gegeben, was sie zur Zeit können.“ Und genau das hätte nur dann gereicht, wenn einige Dinge anders gelaufen wären, als sie gelaufen sind. 20 Minuten lang hatten die Aschaffenburger den Gegner kommen lassen und getestet, wozu er fähig sein würde. Dann kam es nach einem langen Ball in die Schnittstelle der TSV-Abwehr zum Kopfballduell Christian Köttler, einer, der nie ein Kopfballduell verliert, gegen Florian Pieper. Und dann zeigte sich, warum „ich meiner Vorstandschaft so dankbar bin", so Komljenovic, „dass sie einige Spieler zu uns geholt hat, die normalerweise nicht in dieser Liga spielen.“
Pieper und Köttler stiegen hoch, der Ellbogen ging raus, Köttler blieb am Boden liegen und Pieper konnte sich mutterseelenallein die Ecke aussuchen zum 0:1: Ein Knackpunkt mit doppelter Bedeutung. Das unterscheidet eben eine Spitzen- von einer Kellermannschaft, diese Effektivität, die Führung bei der ersten Chance. Und wie macht so eine Mannschaft weiter? Sie setzt nach und das 0:2 oben drauf bei der zweiten Chance. Einen Freistoß, was für ein Wort für einen solchen Kunstschuss, zirkelte mit Björn Schnitzer ein weiterer überdurchschnittlicher Spieler aus 25 Metern über die Mauer in die Ecke. Wieder nichts zu halten für Keeper Christian Mack, der seit seiner Rückkehr ins TSV-Tor mit diesem und dem späteren 0:3 gegen Amberg und Aschaffenburg von insgesamt acht Chancen sechs Gegentore eingeschenkt bekam. „Wir sind außer den Treffern kaum noch zu einer Chance gekommen“, mühte sich Komljenovic den Ball weiter flach zu halten und dem Verlierer Respekt entgegenzubringen. „Wenn du gegen eine so ballsichere Mannschaft wie unsere spielst und immer nur nachrennen musst, fällt das doppelt schwer.“ Es war indes nicht nur das Nachrennen, das Kraft kostete, sondern immer wieder diese Ballverluste, wenn man sich mal weit genug dem Gäste-Strafraum genähert hatte. „Wenn es uns gelungen wäre, das 1:2 zu machen, wäre vielleicht noch was gegangen“, grübelte Francic. In der Tat hatte Benkenstein eine gute Kopfballchance, Grell wurde aus nicht erkennbaren Gründen zurückgepfiffen, und besonders Hümmer hatte „das dickste Brett“, kam etwa zehn Meter vor dem Tor aber in Rücklage und knallte den Ball übers Tor. Es war also kein Stillhalteabkommen, sondern ein Aufbäumen mit begrenzten Mitteln und etwas Pech garniert. Als der Kapitän Daniel Werner (32.) und Daniel Leicht (67.) draußen waren, kam nicht mehr Qualität ins TSV-Spiel. Lange hatte es keinen Betrieb mehr vor dem Aubstädter Strafraum gegeben, da setzte sich Mike Kirchner im Laufduell auf der linken Seite gegen Kirsten durch und hob wie mit dem Lineal gezogen die Kugel Björn Schnitzer auf den Kopf, der zum 0:3-Endstand einnickte. „Ich habe den Komljenovic (24 Länderspiele) immer im Fernsehen bewundert“, sagte Josef Francic ehrfürchtig, „und heute sitze ich als Trainerkollege neben ihm.“ Diese Ehrfurcht war seinen Spielern allerdings auch anzumerken.
Spielbericht eingestellt am 09.11.2014 19:02 Uhr