Von vfr-fussball.net, Stefan Schmiedel
Als im November 1952 die späteren Fußball-Weltmeister Fritz Walter, Toni Turek, Werner Kohlmeyer, Horst Eckel, Josef Posipal, Max Morlock, Ottmar Walter und Hans Schäfer den Rasen des Augsburger Rosenausstadions zum Länderspiel gegen die Schweiz betraten, waren wohl die meisten Eltern der Akteure des Spiels “FC Augsburg II gegen VfR Garching” im Jahre 2016, noch nicht mal geboren.
Dass einer der aktuellen Spieler an historischer Spielstätte, an den Kern dieser Mannschaft, die im Volksmund als “Augsburger Elf” betitelt wurde und vor einer Kulisse von 64.586 Zuschauern einen 5:1 Sieg feiern durfte, vor der Partie dachte, darf und muss bezweifelt werden.
Es war auch nicht zu erwarten, dass die Weber-Schützlinge in die Geschichte des Fußballs als “neue Augsburger Elf” eingehen könnten. Eine Parallele zum unvergesslichen Fritz Walter gab es dann doch… Das Wetter!
Ein Unentschieden bei einsetzenden Fritz-Walter-Wetter
Gegen 11:30 Uhr machte sich der Garchinger Tross in Richtung Augsburg auf den Weg. Trainer Daniel Weber hatte einige Sorgen mit im Gepäck. Ungewöhnlich angespannt wirkte er auf der Busfahrt in die Fuggerstadt. Grund dazu gab es allemal.
Erneut gab es einen personellen Ausfall zu beklagen. Erneut in der Defensivabteilung. Lediglich der Zeitpunkt der Absage war neu. Daniel Suck musste am Spieltag selbst einsehen und verkünden, dass er gesundheitlich nicht in der Lage ist, der Mannschaft zu helfen. Die Sorgenfalten des Trainers galten somit wohl der Überlegung, wie die Defensive des Aufsteigers zu stabilisieren sei, ohne den bislang zuverlässigen und nicht aus der Startelf wegzudenkenden “Sucki”.
Im Vergleich zur Vorwoche stand mit Florian Mayer, der in der Parie gegen den FC Bayern II krankheitsbedingt nicht mitwirken konnte, wieder ein etatmäßiger Innenverteidiger mehr zur Verfügung. Man durfte aber nicht davon ausgehen, dass er über 90 Minuten das Tempo eines Regionalligaspiels problemlos durchhalten würde. Bewundernswert, dass sich “Flo” überhaupt schon wieder zur Verfügung stellte.
Darüber hinaus mussten mindestens drei weitere Spieler die Zähne zusammen beißen, die unter normalen Umständen, wohl besser eine Pause verordnet bekommen hätten. Keine leichte Ausgangssituation also.
Nach einem freundschaftlichen Plausch der Garchinger Trainer mit ihre Gegenüber, dem ehemaligen Nationalspieler Christian Wörns, konnte die Partie pünktlich um 14 Uhr von der erfahrenen Damen-Bundesliga Schiedsrichterin Angelika Söder – die bereits das Auswärtsspiel der Garchinger in Hof leitete – angepfiffen werden.
Für den nicht zur Verfügung stehenden Daniel Suck rutschte Giovanni Goia in die Startelf. Dieser machte nach anfänglichen Unsicherheiten bis zu seiner Auswechslung das bislang beste Spiel für den VfR und gegen seinen “alten” Verein, in dessen Jugendabteilung er ausgebildet wurde. Ihr bestes Spiel für den VfR gelang den meisten anderen – diesmal ganz in schwarz gekleideten – Garchingern, zumindest in den ersten 45 Minuten, nicht.
“Erst hatten wir kein Glück und dann kam auch noch Pech dazu…”
Augsburg war von Anfang an optisch überlegen. Was die Reserve-Mannschaften der namhaften Proficlubs an Qualität in den eigenen Reihen hat, ist jedesmal wieder beeindruckend. In sehr hohen Tempo läuft der Ball mit nur wenigen Kontakten sicher durch die eigenen Reihen. Nicht weniger beeindruckend ist, wie sich die Aufsteiger aus Garching immer wieder zur Wehr setzen und die spielerische Vorteile des Gegners durch Willen und Leidenschaft ausgleichen.
Und doch wirkte das Spiel der Gäste aus dem Münchner Norden an diesen Tag etwas träger, etwas zäher, etwas fehleranfälliger. Man versuchte hoch zu stehen und den Gegner früh anzulaufen. Gleichzeitig läuft man aber auch immer Gefahr bei einem Ballverlust einen schnellen Gegenangriff hinnehmen zu müssen. Ballverluste und kleinere Fehler schlichen sich gegen die Augsburger mehr als gewohnt ein. Ein ums andere Mal kamen die beiden schnellen Sturmspitzen zum Abschluss. Gut, dass Garching einen Daniel Maus im Tor stehen hat. Unser Fels in der Brandung!
Im Spielaufbau war Garching zumeist nach langen Bällen auf die Außen gefährlich. Mehrfach konnte so die Augsburger Hintermannschaft in Bedrängnis gebracht werden. Leider wurde es hierbei nur zu selten torgefährlich. In der 18. Spielminute war es Florian de Prato, der das 1:0 aus Garchinger Sicht auf dem Schlappen hatte. Leider auf dem falschen. Mit links und höchsten Einsatz hatte er quasi freie Bahn auf das Tor der Gastgeber, da deren Torhüter nach einer Rettungsaktion gegen Mike Niebauer noch wieder zwischen seinen Pfosten stand.
Diese Aktion war eine der letzten von Florian de Prato in diesem Spiel. Er war einer der angeschlagenen Spieler, von denen eingangs die Rede war. Nach eigenen Bekunden wäre er heute eigentlich nicht aufgelaufen, wenn die personelle Situation eine andere gewesen wäre. Im Grunde kann er links, wie rechts. Aber dieser eine Torabschluss mit links übte wohl zu starke Kräfte aus das ledierte Standbein aus, so dass er anschließend nur mit Mühe wieder auf die Beine kam. Nach einem weiteren verunglückten Torschuss siegte der Schmerz über den Willen und Flo musste in der 22. Minute das Feld verlassen. Für ihn kam der zuvor erwähnte Florian Mayer.
Augsburg mit der Halbzeitführung
Der Führungstreffer der Augsburger nur eine Minute später hatte im Grunde nichts mit der Auswechslung des “Garchinger Hirns” zu tun. Es passte nur einfach ins Bild an diesem Tag der schlechten Nachrichten. Zu zögerliches Zweikampfverhalten im linken Mittelfeld führte von einer Rettungsaktion zur nächsten, ehe sich ein Innenverteidiger der Gäste zu früh zu Boden begab und die Augsburger Stürmer letzten Endes leichtes Spiel hatten. Den Schuss aus sieben Meter Torentfernung konnte auch die Garchinger “Krake”, Daniel Maus, nicht mehr entschärfen. 1:0 für den FCA.
Die nächsten Szenen gehörten den Gästen. Chancen durch Stefan de Prato, Manuel Eisgruber nach Ecken oder aus dem Spiel heraus waren aber entweder zu ungenau oder zum Teil einfach nicht mutig genug. Diesen hätte man sich als Zuschauer mit schwarz-weißer Brille in dieser Phase des Spiels mehrfach gewünscht. Einfach… das sagt sich so leicht… einfach mal den Abschluss suchen, ohne noch einen Haken zu schlagen. Das kann zwar dazu führen, dass der Ball neben oder über das Tor geht, aber das würde Kontersituationen gegen pfeilschnelle Augsburger Stürmer vermeiden.
Womit auch schon der weitere Eindruck der restlichen ersten Hälfte beschrieben wäre. Leichtfüßig und ballsicher überliefen die Augsburger ein ums andere Mal die Garchinger Mittelfeld- und Abwehrreihe und kamen gefühlt im Minutentakt zum Torabschluss. Der knappe Vorsprung zur Pause war aus Sicht der Gastgeber mehr als verdient.
Eine Spielhälfte mit drei völlig unterschiedlichen Phasen
Die zweite Hälfte begann im Grunde, wie die erste endete. Die Augsburger waren nun aber noch noch drückender, noch zielstrebiger. Und Garching schien zu taumeln, wie ein angeschlagener Boxer. Wenn in den ersten 15 Minuten der zweiten Halbzeit ein oder zwei weitere Treffer für die Hausherren gefallen wären… im Grunde hätte sich niemand beschweren können.
Zum Glück kam es anders: Nach einer Ecke von der linken Seite konnte die FCA-Abwehr noch klären. Der abgewehrte Ball landete auf der rechten Angriffsseite des VfR und wurde postwendend in den 16er zurück geflankt. Wie aus dem Nichts schraubte sich Dennis Niebauer halb liegend hoch zum Ball und köpfte sehenswert und unhaltbar zum überraschenden Ausgleich ein. 1:1 – noch 30 Minuten bis zum Abpfiff.
Durch dieses Tor war im Prinzip der Spielverlauf etwas auf den Kopf gestellt. Richtig verdient hatte es sich die Weber-Truppe zu diesen Zeitpunkt noch nicht. Aber das holte sie im Anschluss nach. Vergessen waren die verletzungsbedingten Ausfälle. Vergessen war die spielerische Überlegenheit des Gegners. Vergessen war jedweder Respekt vor großen Namen. An die Weltmeister von 54 hatte ohnehin niemand gedacht…
Vielleicht war es das einsetzende Fritz-Walter-Wetter, welches das Garchinger Spiel ein anderes werden ließ. Plötzlich glaubten die Spieler wieder an sich und fingen an zu kämpfen. Nicht, dass sie das in den ersten 60 Minuten nicht hätten missen lassen. Aber nun war es ein anderes Kämpfen. Ein sichtbares. Es wurde ein anderes Spiel. Bis zum Abpfiff in der 93. Spielminute entwickelt es sich zum offenen Schlagabtausch. Beide Mannschaften hatten ihre Gelegenheiten und beide Mannschaften hätten das Spiel im Grunde noch gewinnen können.
Die größten Gelegenheiten für den VfR hatten dabei Georg Ball, dessen Kopfball, nach einem Freistoß aus dem Mittelfeld heraus, leider nur auf dem Tornetz landete und der eingewechselte Alexander Rojek, der etwas zu lang zögerte, als er den Ball freistehend vor dem gegnerischen Tor in den 16er gespielt bekam. Mit etwas mehr Mut und Esprit wäre er vor dem Torhüter an den Ball gekommen und der Spielverlauf wäre komplett auf den Kopf gestellt worden.
So blieb es beim 1:1 Unentschieden und zufriedenen Gästen. Das war wieder ein sehr hart erkämpfter Punkt. Die Art und Weise, wie der Aufsteiger an historischer Spielstätte auftrat, verlangt höchsten Respekt. Tabellenplatz 5 am 11. Spieltag mit 17 Punkten und einem ausgeglichenen Torverhältnis sprechen hier eine deutliche Sprache.
Punktgewinn für Garching
Vielleicht wären die Walters, die Tureks, die Kohlmeyers, die Eckels, die Posipals, die Morlocks, und die Schäfers auch etwas stolz auf den VfR Garching von 1921 gewesen. Wir wissen es nicht. Die mitgereisten Fans und Zuschauer waren es allemal. Und auch die beiden Trainer konnten mit der Punkteteilung sehr gut leben. Der eine mehr, der andere weniger…
Spielbericht eingestellt am 14.10.2016 15:25 Uhr