Von Matthias Ley
Wieder einmal stellt Leinach Abtswind ein Bein und sich mit allem in den Weg
Leicht auf dem Papier, schwer auf dem Platz – das taugte als schlichte Zusammenfassung des Duells zwischen dem TSV Abtswind und dem FC Leinach. Wenn ein Spitzenteam gegen das Schlusslicht nicht mehr als ein Unentschieden schafft, ist die Überraschung groß. Klingt nach Rückschlag. „Rückschlag? Nein!“, entgegnete Abtswinds Trainer Thorsten Götzelmann. Im Moment des Schlusspfiffs gehen auf der einen Seite unweigerlich die Köpfe nach unten. Auf der anderen Seite blickt man in glückliche Gesichter. Und das, obwohl das Spiel keinen Sieger hervorgebracht hat. So ist das eben, wenn zwei ungleiche Mannschaften aufeinandertreffen, die sich ein Unentschieden geliefert haben. Der FC Leinach, schau an!, bis zu diesem Samstag Landesliga-Schlusslicht, ist nach der Winterpause zum Favoritenschreck geworden. Erst Kickers Würzburg II, dann Bayern Kitzingen und jetzt der TSV Abtswind – sie alle brachten es nicht fertig, das abstiegsbedrohte Team zu knacken. Immer hieß es am Ende 1:1. Gerade Abtswind ist für den Klub aus dem Würzburger Land mit guten Erinnerungen verbunden. In den letzten vier Jahren holten die Leinacher im Kräuterort immer mindestens einen Punkt. Warum das so ist? „Kann ich mir nicht erklären“, sagt Trainer Berthold Göbel. Wer sich das System und die Taktik ansieht, mit der der 47-Jährige seine Mannschaft auf den Platz schickt, erkennt recht schnell, worin der Erfolgsfaktor liegt: Leinach verteidigt auf Teufel komm raus gegen spielstarke Konkurrenten und hofft auf den einen Glücksmoment, der Zählbares verheißt. So war das gegen Würzburg, so war das gegen Kitzingen, so war das auch gegen Abtswind. „Wir wollten nicht mitspielen, wie das andere vor uns getan haben“, gab Göbel offen zu. Mitspielen – das hatten sie im Hinspiel vor eigener Kulisse vor. Prompt setzte es mit dem 0:5 eine Abfuhr. In Leinach haben sie dazugelernt. Die steigende Formkurve führte dazu, dass die Blau-Weißen nicht mehr das Tabellenende zieren. Das Selbstvertrauen ist ausgedehnt wie nie zuvor, das Erreichen der Relegation das große Ziel. Einer, der dem Team neue Impulse gegeben hat, ist Malte Schulze-Happe. Ende August, als die Ersatzbank sein Platz werden sollte, floh der Schlussmann kurz vor Zuschlagen des Transferfensters aus Abtswind. In Leinach wurde er zur Stütze und zur Ikone des Aufbruchs. „Malte hat uns herausgeholfen. Er ist einer, der fast fehlerlos spielt, immer da ist, die Mannschaft führt und sie weiterbringt“, stimmt Göbel eine Hymne des Lobes auf den 37-Jährigen an, der durch sein extrovertiertes Auftreten aber auch polarisiert. „Dann gibt er einen aus, und alles ist wieder gut.“ Spieler von Format besitzt Leinach nicht viele. Was die Mannschaft spielt, schaut nicht attraktiv aus und unterscheidet sich von Abtswind um Längen. Und dennoch: „Du stehst als Trainer draußen und denkst dir: Heieiei!“, sagte Abtswinds Thorsten Götzelmann zerknirscht. „Dann klingelt es. Batsch!“ Auf dieses Batsch spekulierte der Außenseiter mit Geduld. Einer der Freistöße aus dem Halbfeld, die so unkalkulierbar sind, dass sie tückisch werden können, fand den Kopf von Leinachs Philipp Christ. Der lange Kerl machte das Beste aus der Situation, die sich am langen Pfosten zutrug und das 1:1 bedeutete (77. Minute). So blieb Abtswind zu wenig Zeit, um adäquat zu reagieren. Mehr als ein Kopfball des überaus freistehenden Nicolas Wirsching kurz vor dem Ende sprang in der letzten Verzweiflung nicht heraus. Es war aber auch eines dieser grotesken Spiele: Abtswind hatte andauernd den Ball. „Zu 98 Prozent“, taxierte der Leinacher Trainer Göbel. Aber Chancen, echte Tormöglichkeiten, wurden aus dieser Überlegenheit nicht. Als Thilo Wilke nach etwas mehr als zwanzig Minuten blitzschnell und ebenso gescheit reagierte, um dem hinterhältigen Schuss Patrick Gnebners die entscheidende Wendung zu geben, war das der erste Versuch, der sich als Torchance einordnen ließ. „Ich war nicht sicher, ob der Ball von Patrick reingeht“, erklärte der Schütze des 1:0. „Deshalb habe ich zur Sicherheit mein Füßchen hingehalten.“ Füßchen begegneten den Abtswindern viele. Nicht selten standen die Gäste vielbeinig vor ihnen und brachten alle Feldspieler hinter das Leder. Manchmal ballte sich das Geschehen auch einfach wie in einem F-Jugendspiel, wenn alle sich gleichzeitig auf die Kugel stürzen. „Wir müssen sie beim Umschalten schnell erwischen“, verlangte Thorsten Götzelmann, der dann doch immer sehen musste, wie jemand den Steuerknüppel zu langsam umlegte, zumal sich mit Automatik erst recht nichts bewegen ließ. Abtswind musste es mit Kniffen versuchen, mit Überraschendem: einer flachen Ecke ans Sechzehnmeter-Eck zum Beispiel oder einem gelupften Ball hinter die Abwehr und zur Abwechslung mit einem Steilpass in die Spitze. Nichts ist nämlich so berechenbar wie der immer gleiche Trott. Doch trotz aller Varianten: Leinach behielt in der Abwehr die Organisation. Abtswind brauchte derweil den zweiten Treffer. Simon Pauly hatte ihn auf dem Fuß, aber der Druck auf dem Schuss war so berechenbar, dass Malte Schulze-Happe parierte (52. Minute). Dann legten der Schlussmann und Mitspieler Daniel Härth beim missratenen Abstoß gemeinsam für Pascal Kamolz auf. Doch bevor sich der Abtswinder Angreifer versah, warf sich Schulze-Happe auf den Ball (70.). „Es ist gegen einen solchen Gegner ungemein schwer, Druck auszuüben und Räume zu finden“, stellte Thorsten Götzelmann fest. Der unwegsame Platz, wie so viele andere derzeit von den winterlichen Wetterkapriolen malträtiert, machte es nicht einfacher, den Ball astrein zu beherrschen. Gleichwohl mochte der Trainer sein Team nach zwei vorangegangenen Erfolgen nicht anfechten: „Spielerisch war das kein Rückschritt. Mich macht nur das Ergebnis traurig.“
Spielbericht eingestellt am 21.03.2016 15:31 Uhr