Von Matthias Ley
„In der zweiten Halbzeit sind wir viel stärker zurück ins Spiel gekommen, gleichen aus, haben den Siegtreffer auf dem Fuß und verlieren unglücklich mit 1:2. So läuft das manchmal.“ Kahls Trainer Thomas Raupach nach Abpfiff. Währenddessen schwebt Abtswinds Interimstrainer Timo Katzenberger auf maximalem Adrenalinpegel. „Wie meine Jungs zurück gefightet haben, das hat meinen absoluten Respekt. Deshalb haben wir auch verdient gewonnen.“ Mit leichter Verspätung trifft Abtswinds Fanbus in Kahl ein und sieht sofort eine ganz dicke Torchance der Viktoria. Kahls Rechtsaußen Enrico Puglisi wuchtet einen Eckball per Kopf auf die Latte. Kurz darauf verzieht er aus 15 Metern halbrechte Mittelstürmerposition. Timo Katzenberger, Abtswinds Torwarttrainer und heute voll verantwortlich für den erkrankten Coach Thorsten Götzelmann, reagiert etwas dünnhäutig an der Linie, gibt lautstark erste taktische Anweisungen. Die Anfangsphase gehört klar den Gastgebern. Doch nach und nach löst sich Abtswind aus der Umklammerung und generiert so etwas wie Spielkontrolle. Wenn man auf dem schwer bespielbaren Rasen von solchem sprechen kann. Die Beute ist der gerade Ballführende, der die Pille reaktionsschnell weitergeben muss. Beide Seiten interpretieren dieses „gegen den Ball spielen“ denkbar konsequent, brachial ohne unfair zu sein. In einer rasanten Partie spielt sich vieles im Mittelfeld ab. Aus dem Nichts geht Abtswind in Führung. Nahe der Mittellinie postiert bringt Abtswinds Mittelfeldspieler Tolga Arayici einen ruhenden Ball weit aufs Kahler Tor. Vom langen Pfosten aus legt Thilo Wilke quer in die Zentrale. Cristian Dan verpasst, aber Jürgen Endres steht goldrichtig und trifft gegen die Flugrichtung von Kahls Keeper Simon Stadtmueller. „Nach dem Gegentreffer brauchten wir einige Zeit, um uns zu schütteln. Das hat länger gedauert, als es eigentlich gebraucht hätte.“ Kahls Trainer Thomas Raupach analysiert die erste Hälfte. „Aber in der zweiten Halbzeit haben wir brutal Druck gemacht“ spricht es aus in seiner ruhigen Art und untertreibt dabei schamlos. Auch unterstützt durch Abtswinds offene Spielweise. Spätestens mit der Einwechselung von Pascal Kamolz als zweiter Spitze neben Cristian Dan spielen beide Seiten offenes Visier. „Nach dem Seitenwechsel war klar, dass Kahl etwas aufmachen muss. Warum wir dann auch so offen gespielt haben, überrascht auch mich“ meint Abtswinds Torwart Florian Warschecha, der am Ausgleich durch Tim Müller mal so was von nichts zu halten bekam. Der Plot ist kurz erzählt: Kahl drückt, erobert auf Höhe Mittellinie den ball und schaltet blitzschnell um. Ein weiter Ball auf Gökhan Aydin, Ablage in den Rückraum, ein platzierter Schuss des frei stehenden Tim Müller. So simpel kann es gehen. Nach dem Anschlusstreffer bekommt die Heimelf Oberwasser. Die klassische zweite, dritte Luft peitscht Gökhan Aydin und Kollegen nach vorn. Abtswind stemmt sich vehement gegen diese Flut. Die Abwehr verrichtet Schwerstarbeit. Mehrere Male steht Abtswinds Torwart im Mittelpunkt, pariert einen unmöglichen, spät einsehbaren Schuss von Dennis Rung. Den wuchtigen Kopfball von Alexander Grod wischt er gerade noch so ins Aus. Spätestens der doppelte Torabschluss von Gökhan Aydin zwingt Abtswinds Keeper zu einer Volleyball ähnlichen Einlage. Mitten in diesem biblischen Chaos zieht Jasko Colovic ab Richtung leerem Tor. Die Riesenchance, der Tausendprozenter, der sich nur selten ergibt. Und der Ball wird vom liegenden Mitspieler über die Latte gelenkt. Slapstick vom Allerfeinsten. Kahl hat die Chancen, geht volles Risiko und bekommt hinten den Genickschlag. Wieder ist es ein ruhenden Ball. Tolga Arayici zirkelt die Pille auf den zweiten Pfosten. Carl Murphy legt quer, Pascal Kamolz zieht sofort ab. Reaktionsschnell pariert Kahls Torwart Simon Stadtmüller per Fußabwehr. Abtswinds Pascal Kamolz reagiert am schnellsten und köpft den Ball wieder in den 5-Meter-Raum. Jonas Wirth trifft per Seitfallzieher. Danach bersten die Gäste in einer Adrenalin geschwängerten Gefühlsexplosion. Die letzten Minuten präsentieren pure Hektik, aber nichts Konkretes oder Zählbares. Es bleibt beim knappen Auswärtserfolg der Gäste, die sich somit auf den 4. Tabellenrang vorschieben. Kahls Trainer resümiert mit einem ergebenen Schulterzucke fachlich trocken. „Wir müssen das Ergebnis so hinnehmen und werden schon eine passende Reaktion geben im nächsten Spiel Wenn wir so weiterspielen wie in der zweiten Hälfte, dann werden wir die kommenden Spiele gewinnen.“
Spielbericht eingestellt am 15.03.2016 16:13 Uhr