Von Michael Kämmerer
Die Abtswinder Luft sieht mancher als Auslöser für den flirrenden Spielverlauf
Das Aufeinandertreffen zwischen Abtswind und Memmelsdorf taugte als Verfolgerduell. Dem Sieger lachte die Nähe zur Spitze. Doch das Unentschieden mit seinem aufregenden Spielverlauf ließ beide Seiten nicht nur auf der Stelle treten. Es ließ beide Seiten auch etwas ratlos zurück. Memmelsdorfs Trainer Rolf Vitzthum machte sich im Anschluss an die neunzig Minuten so seine Gedanken, weshalb seine Spieler einen nach seinem Sinnesempfinden seltsamen Auftritt hingelegt hatten und mit dem Kopf wohl nicht ganz bei der Sache waren: „Vielleicht lag es an der Luft in Abtswind.“ Es schien fraglich, ob Vitzthums Deutung den Gegebenheiten vor Ort gerecht wurde. In Abtswind brauchen Fußballer nicht die Nase zu rümpfen: Schließlich ziehen durch das Kräuterdorf nur angenehme Düfte, die belebende Wirkung haben und für Wohlbefinden sorgen. Vielmehr dürfte manchem die Partie selbst auf den Magen geschlagen sein, die mit ihrem 2:2-Endergebnis keinem als Stimmungsaufheller dienen konnte. „Ich bin extrem enttäuscht“, stellte Abtswinds Michael Herrmann fest. Der Kapitän, der in der Rolle des „Aggressive Leader“, des positiv aggressiven Anführers, versuchte, die Mitspieler mitzureißen, hatte sich wie der Rest der Truppe mehr von dem Auftritt gegen den einstigen Bayernligisten versprochen. Statt den Trainer als Anweiser von außen zu bemühen, sollten die Spieler selbst sich auf dem Platz die nötige Verbalunterstützung geben. Doch Thorsten Götzelmanns Tonfall machte später deutlich, dass das Spielgeschehen ihm nicht nur auf die Stimme geschlagen hatte, sondern auch aufs Gemüt. „Wir haben noch Luft“, sagte der Abtswinder Übungsleiter. Damit monierte er nicht etwa, dass sein Team sich nicht restlos verausgabt habe, statt atemlos durch die Nacht zu kommen. Götzelmann meinte die Leistungsschwankungen, die sich im Saisonverlauf verschiedentlich zeigten und die sich auch am Samstag nicht in Konstanz wandelten. Abtswind benötigte erst eine dürre erste Halbzeit, um in Schwung zu kommen und Fehler zu korrigieren. Vor allem ging es darum, das Gegentor egalisieren, das die Hausherren als Ballast mit sich schleppten. Die Bürde war entstanden, als die Abtswinder das Spiel zu halbherzig und uninspiriert angingen. Satt Druck und Tempo zu entfalten, Räume zu erobern und den Ball nach vorne zu bekommen, war vieles zu kurz gedacht. Prompt missriet Fabian Mauderer ein Zuspiel, folgte Florian Warschechas fataler Rettungsschuss, so dass Memmelsdorfs Tobias Seifert hoch und weit ins leere Tor traf (18. Minute). Damit waren die Gästechancen nicht mal ausgeschöpft: Fabio Jensch und wiederum Seifert mit einem Hauch aus Pfosten und Latte nahmen das Abtswinder Gehäuse bedrohlich unter Beschuss (38.). Manuel Schwarm, der zentrale Drahtzieher, ließ gar nur mit einer Körperbewegung mehrere Gegner schlecht aussehen, ehe er an Florian Warschecha nicht mehr vorbeikam (45.). Denn was Abtswind entgegensetzte, waren lichte Momente: Jonas Wirths Flug knapp über die Graswurzel beim Kopfball endete mit einer harten Landung statt im Hochgefühl (36). Mehr Präzision besaß da schon der Versuch von Daniel Hämmerlein, dem Ball die Stirn zu bieten (40.). Und Jürgen Endres wählte den halbhohen Abschluss, der Memmelsdorfs Torsteher Jürgen Jensch die Parade erleichterte (41.). Abtswinds Verwandlung vollzog sich in der Pause. Die Zäsur wirkte, als hätte das Team den vielfach bemühten Schalter umgelegt. „Wir haben Alarm gemacht und uns das Spiel zurückgeholt“, beschrieb Thorsten Götzelmann den zweiten Abschnitt, in dem sich die hausgemachten Fehler mit einem Mal abstellen ließen. Pascal Kamolz, eingewechselt für Fabian Mauderer, führte sich mit einer Großchance ein (48.). Daniel Hämmerlein machte eine Flanke unbeabsichtigt zum knapp vorbeistreichenden Torschuss (49.). Und dann trat eine Spielart hervor, die in der Vergangenheit lange vernachlässigt geblieben war und die sich neuerdings als Stärke abzeichnet: Adrian Graf hatte mit dem Siegtreffer gegen Bayern Kitzingen den Anfang gemacht, dass auch Ecken ein zulässiges Mittel zum Torerfolg sind. Mathias Brunsch schuf die nächste Gefahrenlage, die Memmelsdorfs Stanimir Bugar auf der Torlinie erst im zweiten Anlauf beseitigt hatte (52.). Daniel Hämmerlein bewegte sich wenig später mustergültig bei einer Ecke zum Ball, hielt den Kopf dagegen und traf zum verdienten 1:1-Ausgleich (56.). Tolga Arayici steigerte gar noch die Abtswinder Emotionen, brauchte dafür aber mehr Gefühl denn Kraft, als er mit einem wohlüberlegten Schlenzer zur Führung traf (72.). Alles schien wieder in bester Ordnung. Zumal der Drang am Gegner zehrte, der zunehmend an körperliche Grenzen stieß. Fabio Jensch verdrehte sich das Knie und schied aus. Andere zerrten sich die Muskeln oder wurden von Krämpfen geplagt, so dass die Gäste minutenlang nur mit neun oder zehn Mann auf dem Rasen standen. Selbst Abtswinds Masseur Johann Schäfer kam dem Gegner zu Hilfe. Währenddessen klatschte Przemyslaw Szuszkiewiczs Freistoß an die Latte (81.), und im Gegenzug deutete nichts auf eine unheilvolle Situation. Doch irgendwie musste Nicolas Wirsching dem Memmelsdorfer Markus Beiersdorfer in die Beine gekommen sein, dass es Elfmeter gab. Manuel Schwarm verwandelte zum 2:2 (83.), doch viel kurioser war, dass er sich dabei verletzte und aufgeben musste. In der Nachspielzeit ergab sich für Nicolas Müller und den deutlich angeschlagenen Yannick Weiß gar noch die doppelte Großchance, allein vor dem Tor für den Memmelsdorfer Sieg zu sorgen (Warschecha rettete). Als schließlich Pascal Kamolz und Gäste-Schlussmann Jensch aneinandergerieten, entlud sich die letzte Energie in helle Aufregung. „Es gibt so Tage“, meinte Rolf Vitzthum. An der Abtswinder Luft dürfte es nicht gelegen haben.
Spielbericht eingestellt am 05.10.2015 11:04 Uhr