Artikel vom 18.05.2022 14:00 Uhr
Sonja Kienzler sagt Servus beim BFV und startet ein neues Kapitel in ihrer beruflichen Laufbahn bei der UEFA.
Mit großem Applaus wurde Sonja Kienzler, die „gute Seele“
und zugleich Kopf der BFV-Bezirksgeschäftsstelle Mittelfranken in Nürnberg, auf
dem Bezirkstag des Bayerischen Fußball-Verbandes in Fürth verabschiedet. Fast acht Jahre
liefen bei Kienzler die Strippen im mittelfränkischen Amateurfußball zusammen, in
einem Monat beginnt für die Ansbacherin ein neues Kapitel in Diensten der UEFA.
Der Fußballsport in Ansbach hat erst in den letzten knapp 40
Jahren die Führungsrolle eingenommen. Vorher war der Feld- und Hallenhandball
dominierend und für viele ältere Mitbürger waren die zwei Deutschen Meisterschaften
(1960 und 1962) im Feldhandball das Nonplusultra der Ansbacher Sportgeschichte.
Aber Ansbacher Sportler im höheren Leistungsbereich waren nach den Handballern
auch nicht gerade üppig vertreten. Georg Volkert, Andreas Wolf, Robert Stempfle,
Erich Grau und die Ansbacher Grizzlies zum Beispiel machten national Furore.
Ab 20. Juni 2022 ist Ansbach auch auf internationaler Ebene
vertreten. An diesem Tag beginnt Sonja Kienzler ihren Dienst bei der UEFA, der
am 15. Juni 1954 in Basel gegründeten Europäischen Fußballunion. Der Sitz der
UEFA ist in der französischsprachigen Schweiz im knapp 22.000 Einwohner großen Städtchen Nyon am Nordwestufer des Genfer Sees. Die UEFA
umfasst 55 Vollmitgliedstaaten und hat mit Aleksander
Ceferin einen Slowenen zum Präsidenten.
„UEFA coach development program for women“ – so heißt das
Programm, das nun Sonja Kienzler koordinieren soll. Federführend und Chef des
Programms ist der Deutsche Frank Ludolph und so hat Kienzler schon mal keine
Sprachprobleme, wenn sie sich über die Durchführung verständigen soll. Das Programm
soll dazu führen und hat das Ziel, dass mehr Frauen Trainerlizenzen machen und
dann auch vermehrt in den europäischen Topligen an der Seitenlinie auftauchen.
Das Programm beinhaltet mehrere Bausteine, zum Beispiel ein
Trainerinnen-Mentoren-Programm oder die UEFA-Konferenz für die Trainer*innen der
Frauen-Nationalmannschaften.
Große Bühne am Bezirkstag: Sonja Kienzler wurde vom BFV-Präsidenten Rainer Koch (links) und dem Bezirksausschuss Mittelfranken gebührend verabschiedet.
fussballn.de / Schlirf
Seit frühester Kindheit begeisterte Fußballerin
Wie kommt man nun zu so einem Engagement? Sonja Kienzler ist
seit ihrer frühesten Kindheit begeisterte Fußballerin und schon als Kleinkind
bestimmte der Fußball ihr Leben. Mit fünf Jahren begann sie bei der SpVgg
Ansbach zu kicken und war dort das erste Mädchen im Verein bei den Trainern
Peter Hillermeier und Bayram Verimli. 1998 wurde der Wechsel zum SV Weinberg in
die Juniorinnen-Abteilung vollzogen. Zweitspielrecht gab es damals noch nicht,
denn mit dem hätte sie U15-Bayernliga bei den Jungs spielen können. Beim SVW
erlebte Kienzler dann den Aufstieg von der Frauen-Bayernliga über die
Frauen-Regionalliga in die 2. Liga Süd, in der sie dann zwei Jahre aktiv war.
Ihr Abitur baute Kienzler 2007 am Platengymnasium Ansbach
mit den Leistungskursen Sport und Chemie. Danach absolvierte sie ein FSJ
(Freiwilliges Soziales Jahr) in München, die ersten vier Monate bei „Bunt kickt
gut“, einer interkulturellen Straßenfußballliga in München. Die Tätigkeit
umfasste hälftig Praxis und Büroarbeiten. Die weiteren acht Monate war dann der
BFV (Bayerischer Fußballverband) der Träger. DFB-Mobil, Feriencamps und
Minispielfelder waren nun das Aufgabengebiet der FSJlerin. Außerdem baute Sonja
Kienzler 2008 ihre B-Lizenz und den Jugend-Elite-Trainerschein in der
Sportschule Hennef und dies mit den Frauenfußball-Weltmeisterinnen Nadine Angerer,
Annika Krahn, Inka Grings, Melanie Behringer und Sonja Fuß.
Nach dem FSJ ist vor dem Studium und dies absolvierte
Kienzler an der Universität Bayreuth mit dem Abschluss als Sportökonomin B.Sc.
(Bachelor of Science). Nach zwei Jahren Studium erhielt Kienzler ein Stipendium
für ein Jahr in den USA an der „Gardner Webb University“ in Boiling Springs,
North Carolina. Der Lufthansa-Flug von Frankfurt nach Charlotte, der auf Grund
von Turbulenzen ein wenig unruhig verlief, blieb im Gedächtnis von Sonja
Kienzler ebenso haften wie das Jahr als Spielerin in der „First Division – 1.
College-Liga (NCAA= National Collegiate Athletic Association)“. Nach dem Jahr
in den USA ging es wieder zurück nach Bayreuth an die Universität. Im Fußball
stand die 2. Liga mit dem SV Weinberg auf dem Stundenplan und nach dem
Studiumabschluss wurde Sonja Kienzler ab Oktober 2012 Leiterin der BFV-Geschäftsstelle
des Bezirks Oberfranken in Bayreuth mit dem Umzug ein Jahr später nach Bamberg.
Im Juli 2014 folgte der Wechsel zum Bezirk Mittelfranken als Leiterin der
BFV-Geschäftsstelle, wo sie mit ihrem Abschied zur UEFA nun die Verantwortung an ihre Nachfolgerin Lisa Wich, ebenfalls Fußballerin beim SV Weinberg, übergeben wird.
Sonja Kienzler war fast zehn Jahre - zunächst in Oberfranken, ab 2014 in Mittelfranken - das Gesicht der BFV-Bezirksgeschäftsstelle.
Markus Schütz
Auswahl-Trainerin und Volunteer
„Sonja Kienzler war schon immer sehr ehrgeizig und strebte
fast nach der Perfektion“, so ihre langjährige Trainerin Petra Amslinger. Und
nachdem Kienzler 2019, wieder in Hennef, ihre Trainer-A-Lizenz (u.a. mit
Melanie Behringer und Halil Altintop) erfolgreich absolvierte, schien der Weg
an die Seitenlinie vorgezeichnet. So ist sie nun Regio-Auswahl-Trainerin
Nordbayern und Trainerin der U16-Bayern-Auswahl (weiblich). Auch Weiterbildung
neben der Tätigkeit in der BFV-Geschäftsstelle Mittelfranken war und ist
angesagt. „Stillstand ist Rückschritt“, so das Motto der jungen Frau, die bei
der EM 2021 vier Wochen als Volunteer agierte. „Dies war eventuell eine gute
Vorbereitung für die Frauenfußball-Weltmeisterschaft 2023 in Neuseeland“, so
Kienzler, die das andere Ende der Welt schon bei einer Urlaubstour erforschte
und im nächsten Jahr, falls es ihr Job zulässt, in Neuseeland vor Ort sein
möchte.
Mit hauptsächlich zum Wechsel in die Schweiz hat
beigetragen, dass Kienzler im letzten Jahr an einem neunmonatigen Seminar, das
meist in den Abendstunden online durchgeführt wurde, für das „Certificate in
Football Management“ teilnahm. Drei Präsenzwochenende in Nyon, London
(Tottenham & Wembley Stadium) und wieder Nyon standen an und dies trug auch
einen großen Teil dazu bei, dass Sonja Kienzler nun bei der UEFA gelandet ist.
Was aus ihrem Ehrenamt als 2. Vorsitzende der Trainergemeinschaft
Mittelfranken wird, steht noch in den Sternen. Die erste Frau auf diesem
Posten möchte diesen nicht aufgeben – wie fast alles in ihrem bisherigen Leben
ist ihr auch dieser Spagat zuzutrauen.