Artikel vom 19.11.2020 11:00 Uhr
BFV Schatzmeister Jürgen Faltenbacher
Die Folgen der Covid-19-Pandemie treffen auch den Haushalt des
Bayerischen Fußball-Verbandes (BFV) mit voller Wucht, Schatzmeister
Jürgen Faltenbacher geht aktuell trotz massiver Einsparungen
von einem Fehlbetrag in Höhe von 2,5 Millionen Euro für 2020 aus.
Von
Sebastian Baumann
/ PM BFV
Außerdem
muss der BFV der Tatsache Rechnung tragen, dass der Spielbetrieb
aktuell erneut bis mindestens 31. Dezember ausgesetzt ist und hat daher
auch die ohnehin schon seit 1. Mai geltende
Kurzarbeit für sein hauptamtliches Personal nach dem erneuten
Sport-Lockdown nochmals ausgeweitet. Im Schnitt wird die Arbeitszeit der
rund 80 festangestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um etwa 60
Prozent reduziert.
Der
größte der 21 Landesverbände unter dem Dach des Deutschen Fußball-Bundes
(DFB) hatte nach ersten Schätzungen als Folge des stark
beeinträchtigten Spielbetriebs bereits im Frühjahr Einbußen
von bis zu 7,5 Millionen Euro im laufenden Haushaltsjahr prognostiziert
und seitdem versucht, das Defizit im Interesse seiner fast 4600 Vereine
überall dort zu minimieren, wo es möglich ist und den Rotstift
angesetzt. Nach heutigem Stand fehlen dem Verband
Einnahmen in Höhe von mehr als 6,5 Millionen Euro, dem gegenüber stehen
Einsparungen von rund vier Millionen Euro.
„Es gibt keinen Bereich bei
uns im Hause, der von den drastischen Sparmaßnahmen nicht betroffen ist.
Aber das ist unsere Pflicht. Uns sind Einnahmen
in einer schwindelerregenden Höhe von aktuell fast sechseinhalb
Millionen Euro weggebrochen, das ist nahezu ein Drittel des gesamten
Haushalts. Das ist im Übrigen nicht unser Geld, sondern das unserer
Mitglieder. Dank unserer in normalen Zeiten guten Einnahmensituation,
die wir in den vergangenen Jahren in vielerlei Hinsicht innovativ und
kreativ forciert haben, ist es uns gelungen, dass an jedem Euro, den wir
wieder in den Amateurfußball investieren, vergleichsweise geringe 30
Cent durch die Abgaben der Vereine getragen
werden. Das wird gerne schnell vergessen“, sagt BFV-Schatzmeister
Jürgen Faltenbacher im bfv.de-Interview.
„Bedingt
durch die neuerliche Aussetzung des Trainings- und Spielbetriebs in
ganz Bayern, der elementaren Aufgabe des BFV, fallen unterschiedliche
Aufgaben nicht mehr in dem Maße an, wie das zu
normalen Zeiten der Fall ist“, betont Jürgen Faltenbacher:
„Entsprechend bleibt uns in weiten Teilen kein anderes Mittel als die
Kurzarbeit auszuweiten, um diesem Umstand gerecht zu werden. Unser
ausdrücklicher Dank gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
sowie dem Betriebsrat, die unsere Entscheidung erneut mittragen und uns
entgegenkommen. Bei den Modalitäten zur Kurzarbeit wurde
berücksichtigt, dass die Erreichbarkeit aller Fachabteilungen und der
sieben Bezirksgeschäftsstellen weitgehend gewährleistet ist.“
Das komplette Intervierew können Sie hier nachlesen:
Welcher Aufgabenbereich bereitet Ihnen aktuell mehr Sorgen: Finanzen oder Spielbetrieb?
Jürgen Faltenbacher: Um es gleich vorwegzusagen, bin nicht ich
es alleine, der Entscheidungen zu treffen hat und sich tagtäglich mit
aller Kraft den Herausforderungen stellt und versucht, diese bestmöglich
– und damit im Sinne unserer Mitglieder – zu lösen. Ich kann
Entscheidungen in meinen Ressorts und zusammen mit unseren
hauptamtlichen Mitarbeitern vorbereiten, aber wir treffen diese
gemeinsam, alle zusammen im Vorstand. Natürlich sind beide Bereiche
massiv von den Auswirkungen der Corona-Pandemie betroffen. Wie jeder in
unserer Gesellschaft müssen wir lernen, mit dieser so nicht gekannten
und hoffentlich auch nicht wiederkehrenden Situation umzugehen – da
tragen wir alle zusammen eine sehr große Verantwortung. Wir müssen uns
verabschieden, Lösungen pauschal nach richtig oder falsch zu
kategorisieren. Für diese außergewöhnliche Lage gibt es keine
Patentlösung, wir tragen Verantwortung und treffen Entscheidungen, die
wir für bestmöglich halten.
Zum Beispiel, die Saison nicht wie in allen anderen 20
Landesverbänden abzubrechen und eine neue Spielzeit zu beginnen, sondern
diese fortzusetzen?
Jürgen Faltenbacher: Ja, wir waren schon im März davon
überzeugt, dass dies die bestmögliche Lösung unter allen schlechten ist.
Wir haben damals deutlich gesagt, dass wir auch weitere pandemische
Rückschläge in Form von Sportverboten bekommen können. Wenn sich damals
die Virologen und Experten in einer Sache einig waren, dann darin, dass
uns alle eine zweite Welle vorhergesagt haben. Also war es für uns
wichtig, diese Expertise zu berücksichtigen. Zum anderen war es uns ein
sehr großes Anliegen, nicht zwei Spielzeiten in Folge kaputtzumachen,
sprich zu Wertungen am grünen Tisch gezwungen zu werden. Im Falle eines
Abbruchs, auch das haben wir stets klargemacht, hätten wir zwangsläufig
Wertungen vornehmen müssen, etwa Tabellenplätze nach einer
Quotienten-Regelung berechnen müssen. Das widerspricht unserem
Grundgedanken. Sportliche Entscheidungen gehören für mein Dafürhalten
auf dem Platz getroffen. Diese beiden Aspekte haben uns und übrigens
auch die überwältigende Mehrzahl der Vereine dazu bewogen, so zu handeln
wie wir das getan haben. Unsere Lösung hat den Vorteil, dass wir im
April, Mai 2021 extrem viele hochattraktive, wertige Spiele haben
werden: Auf-, Abstieg, Relegation, Entscheidung im Ligapokal. Damit
verknüpfen wir die Hoffnung, dass es die Attraktivität des
Amateurfußballs insgesamt steigert. Ich möchte nicht wissen, welche
Diskussion wir jetzt führen würden, hätten wir abgebrochen, nur
Aufsteiger zugelassen, aber keine Absteiger ermittelt und damit
überfüllte Ligen und eine Unmenge an Spieltagen in einer sehr kurzen
Zeitspanne. Viele haben schon vergessen, dass die Staatsregierung den
Spielbetrieb bei uns hier in Bayern erst ab dem 19. September wieder
zugelassen hat. Selbst ohne das jetzt neuerlich verhängte Sportverbot
wäre eine reguläre Saison nicht machbar gewesen. Das wird spätestens
jetzt auch allen klar, die von unserem Weg anfangs vielleicht nicht ganz
überzeugt waren.
Trotzdem ist die Saison jetzt wieder unterbrochen und es gibt keine Garantie, dass sie tatsächlich zu Ende gebracht werden kann.
Jürgen Faltenbacher: Ja, das stimmt. Garantien gibt es in der
aktuellen Situation gar keine. Genau das macht es ja auch so extrem
schwierig für alle Beteiligten, die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Aber das wird von uns zurecht erwartet, dieser Erwartung wollen wir
natürlich auch gerecht werden. Und wenn es darum geht, die Saison
sportlich zu Ende zu bringen, sehe ich unseren Weg absolut bestätigt,
denn die Wahrscheinlichkeit dafür ist bei uns deutlich höher als dort,
wo jetzt noch 30 und mehr Spieltage anstehen. Bei uns sind es Stand
jetzt noch zwischen sechs und 14.
Dazu aber auch noch Spiele im neuen Liga-Pokalwettbewerb!
Jürgen Faltenbacher: Ja, klar. Entsprechend haben wir auch die
Durchführungsbestimmungen für den Liga-Pokal-Wettbewerb gestaltet.
Oberste Priorität – und das war von Anfang an so auch klar kommuniziert
worden – hat der Ligen-Spielbetrieb der Saison 2019/20, den es zu retten
gilt, damit wir hoffentlich zum 1. Juli 2021 wieder in geordnete Bahnen
übergehen können. Wir haben Bezirken und Kreisen deshalb bewusst
völlige Freiheit bei der Ausgestaltung des Liga-Pokal-Modus‘ gewährt und
dabei auch in den Statuten individuell geregelt, wie wir im Falle einer
neuerlichen Zwangspause damit umgehen. Es gibt etwa Regelungen zur
vorzeitigen Wertung oder zur Verkürzung des Liga-Pokals, um nur zwei
Beispiele zu nennen. Diese Regelungen passgenau den unterschiedlichen
Fortschritten in den einzelnen Spielebenen für einen Re-Start im
Frühjahr 2021 anzugleichen, wird jetzt die Aufgabe sein. Wenn ich
vereinzelt lese, dass der Ligapokal in Teilen schon jetzt eine Farce
sei, muss ich klar und deutlich sagen, dass wir immer gesagt haben, dass
es in dieser so nicht gekannten Situation zu Änderungen kommen kann –
von der Modus-Modifikation bis hin zur gänzlichen Streichung, was wir
alle nicht hoffen, zumal es eben diese Änderungen im Wettbewerb geben
kann.
Stichwort Streichen: Wie oft müssen Sie aktuell den Rotstift bemühen, um den Haushalt des BFV einigermaßen auf Kurs zu halten?
Jürgen Faltenbacher: Oft und nahezu in jeder Kostenstelle. Es
gibt keinen Bereich bei uns im Hause, der nicht betroffen ist. Aber das
ist unsere Pflicht. Uns sind Einnahmen weggebrochen in einer
schwindelerregenden Höhe von aktuell fast sechseinhalb Millionen Euro,
das ist nahezu ein Drittel des gesamten Haushalts. Das ist im Übrigen
nicht unser Geld, sondern das unserer Mitglieder. Dank unserer in
normalen Zeiten guten Einnahmensituation, die wir in den vergangenen
Jahren in vielerlei Hinsicht innovativ und kreativ forciert haben, ist
es uns gelungen, dass an jedem Euro, den wir wieder in den
Amateurfußball investieren, vergleichsweise geringe 30 Cent durch die
Abgaben der Vereine getragen werden. Das wird gerne schnell vergessen.
Woher resultieren die jetzt auftretenden finanziellen Defizite?
Jürgen Faltenbacher: Die Liste ist lang. Aber fangen wir dort
an, wo ja vor allem im Frühjahr echte Märchenerzähler unterwegs waren,
die meinten, wir würden die Saisonfortsetzung nur deshalb befürworten,
weil wir dadurch wirtschaftliche Vorteile hätten. Das Gegenteil ist der
Fall: Wir haben in diesem Jahr logischerweise keine Meldegebühr erhoben.
Dazu hat sich die Zahl der Spielerwechsel nahezu halbiert – was ich
grundsätzlich gut finde, weil es zeigt, dass Spieler in dieser schweren
Zeit zu ihren Klubs stehen und damit Verantwortung übernehmen. Im
Umkehrschluss halbieren sich aber die Wechselgebühren. Alleine die
beiden Positionen kosten uns mehr als zwei Millionen Euro. Zudem fehlen
die Spielabgaben aus Zuschauer-Einnahmen der bayerischen Profi-Klubs an
den BFV, denn die Stadien sind bekanntlich leer – das sind nochmals fast
eine Million Euro. Aus unserem eigenen Spielbetrieb fehlen uns an
diversen Gebühren Gelder in gleicher Höhe.
Der BFV hat zuletzt die IT-Gebühr und die Bezirksgebühren
eingezogen. Vereinzelt gab es dafür Kritik, haben Sie dafür Verständnis?
Jürgen Faltenbacher: Grundsätzlich nehme ich Kritik immer
ernst, auch wenn sich zu einem Thema nur einer bei mir meldet. Wir
sollten aber konstruktiv miteinander umgehen und uns die Fakten ansehen.
Bei beiden Abgaben handelt es sich um jährliche und ausdrücklich nicht
an Spielzeiten gekoppelte Beiträge. Beschlossen wurden diese Gebühren –
nach umfassender Vorarbeit in der AG Finanzen mit zahlreichen
Vereinsvertretern – beim Verbandstag 2018. Wie gesagt hat der BFV keine
Meldegebühr erhoben, was die bayerischen Vereine in Summe um rund eine
Million Euro entlastet hat. Die IT-Gebühr wird indes für die digitalen
Dienstleistungen und Services des Verbandes für seine Vereine erhoben.
Vorrangig geht es dabei um SpielPlus mit seinen verschiedenen Modulen,
wie etwa dem Online-Passprogramm, dem Elektronischen Spielbericht und
Postfach sowie Website, App, Teammanagement-App, um nur einige Beispiele
zu nennen. Dabei handelt es sich um gängige Betriebs- sowie
Lizenzkosten und Vorhaltung der digitalen Infrastruktur, die auch jetzt
durchgängig durch die Vereine verwendet werden – unabhängig von
Saisonfortsetzung oder Saisonabbruch. Die Zeiten, in denen das Thema
Digitalisierung weitestgehend mit der Veröffentlichung von Ergebnissen
und Tabellen erschöpft war, sind doch lange vorbei. Die Vereine haben
gerade jetzt in Zeiten der Pandemie Teile der digitalen Dienste
überdurchschnittlich genutzt. Und wir haben hierfür vertragliche
Verpflichtungen, die wir nicht einfach aussetzen können. Dort, wo es uns
möglich ist, sparen wir natürlich ein. Und ich kann mich auch jetzt nur
wiederholen: Jeder ist aufgerufen, sich bei der AG Finanzen
einzubringen. Der BFV-Haushalt ist kein Geheimnis, wir haben vor über
drei Jahren mit dieser AG einen Prozess für alle interessierten
Vereinsvertreter aufgesetzt, der in Sachen Transparenz nicht offener
sein kann – und darauf bin ich persönlich sehr stolz. Leider gibt es
immer wieder Menschen, die sich damit nicht ansatzweise beschäftigen und
stattdessen mit maximalem Unwissen Uralt-Klischees bedienen. Das mag am
Stammtisch Applaus einbringen, ist gegenüber allen AG-Mitgliedern aber
ein echter Affront. Abgesehen davon, dass es in der Sache nicht
weiterhilft und eher im Gegenteil zu Spaltung und vollkommen unnötigen
Reibungsverlusten führt. Welche Vorschläge und Entscheidungen sind denn
glaubwürdiger, als die, die von den Vereinsvertretern selbst
ausgearbeitet und herbeigeführt werden?
Wenn Sie aktuell ein Defizit von rund 2,5 Millionen Euro im
Haushaltsjahr 2020 vorhersagen, die Zahl der Mindereinnahmen aber mit
fast 6,5 Millionen Euro beziffern, haben Sie auch Einsparungen von etwa
vier Millionen Euro erreicht, oder?
Jürgen Faltenbacher: Ja, das ist ja auch unsere Aufgabe. Und es
gibt keinen Bereich, der verschont geblieben wäre. Wenn uns mit dem
Spielbetrieb unsere Kernaufgabe über lange Zeiträume fehlt, dann ist
auch klar, dass die Aufgaben in vielen Bereichen des BFV weniger werden.
Wir gehen aktuell schon in den siebten Monat Kurzarbeit, was unser
hauptamtliches Personal natürlich trifft und auch betroffen macht. Das
weiß jeder in unserem Land, der aktuell in Kurzarbeit ist. Das sind
Einschnitte, allerdings alternativlose. Und wir haben mit dem zweiten
Lockdown die Kurzarbeit nochmals ausweiten müssen. Zudem besetzen wir
keine neuen Stellen, es gibt keine Tagungen und wir hatten nur ganz
vereinzelt Präsenz-Fortbildungsmaßnahmen. Aktuell sind die ja ohnehin
wieder weitgehend verboten. Wenn wir keine Ausbildung anbieten, brauchen
wir auch keine Teilnehmer-Plätze in der Sportschule belegen. Auch diese
Liste der Einsparungen ist eine sehr lange. Aber – und da nehme ich
mich persönlich in die Pflicht – es ist ein unabdingbares Muss, den
Rotstift überall anzusetzen, selbst dann, wenn es um die
Nachkommastellen geht.
Wie sieht es mit den Vereinen aus, auch dort sind die Sorgen und Nöte groß?
Jürgen Faltenbacher: Gleiches gilt natürlich auch für unsere
vielen tausend Ehrenamtlichen in den Vereinen. Was die gerade leisten,
verdient allergrößten Respekt. Wir dürfen die Menschen nicht im Regen
stehen lassen. Wir sehen selbst wie das ist, wir sind ja selbst ein
Verein – natürlich in einer sehr großen Dimension und mit
unterschiedlichen Aufgaben, im Kern aber werden wir uns immer dann
treffen, wenn es um die Finanzen geht, die es braucht, um Ideen und
Konzepte in die Tat umzusetzen. Dass dem so ist, hat die Politik
realisiert, es braucht aber endlich auch weitergehende Förderprogramme,
sonst wird der gesamte Breitensport existenzielle Probleme bekommen und
die immer so gern gepriesene Vielfalt unserer Vereinslandschaft mehr und
mehr verloren gehen. Wir werden nicht müde, diese Gedanken bei den
Entscheidungsträgern in unserem Land entsprechend Nachdruck zu
verleihen. Das ist auch die Aufgabe eines Verbandes wie dem BFV.