Mit Gulden, Neuendorf und Herrmann: Premiere des BFV-Integrationskongresses - fussballn.de
Artikel vom 01.10.2025 18:00 Uhr
Mit Gulden, Neuendorf und Herrmann: Premiere des BFV-Integrationskongresses
BFV-Integrationskongress 2025 (von links): BFV-Präsident Christoph Kern, Joachim Herrmann (Bayerischer Staatsminister des Innern, für Sport und Integration), Bjørn Gulden (adidas-CEO), Bernd Neuendorf (Präsident des DFB), Prof. Dr. Vural Ünlü (Vorsitzender der Türkischen Gemeinde Bayern).
Philipp Schmatloch/BFV

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Der Bayerische Fußball-Verband (BFV) mit seinem Präsidenten Christoph Kern an der Spitze hat zu seiner Integrationskongress-Premiere nach Herzogenaurach geladen – auf den adidas-Campus, ins Herz der Sportwelt. Mehr als 120 Vertreterinnen und Vertreter bayerischer Fußballklubs diskutierten dort mit hochkarätigen Gästen über Chancen, Herausforderungen und konkrete Wege zu mehr Teilhabe.
Von PM BFV / MG


DFB-Präsident Bernd Neuendorf, Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, adidas-CEO Bjørn Gulden und Prof. Dr. Vural Ünlü (Türkische Gemeinde in Bayern) waren Teil der Premiere des BFV-Integrationskongresses. Gemeinsam verabschiedete der Kongress „Die Herzogenauracher Erklärung zur Integrationsleistung des bayerischen Amateurfußballs“ und brachte einen Fünf-Punkte-Plan auf den Weg.

„Die Welt steht nicht still – sie bewegt sich genau wie der Fußball. Wer versucht, am Gestern festzuhalten, bleibt stehen. Integration bedeutet nicht, dass sich nur die einen verändern müssen, während die anderen bleiben, wie sie sind. Es geht um ein Aufeinanderzugehen. Ja, das fordert uns alle heraus – aber es eröffnet auch neue Chancen: für Gemeinschaft, für Verständnis, für Stärke in der Vielfalt. Wenn wir diesen Weg gemeinsam gestalten, gewinnen am Ende alle. Und genau deshalb kommen wir hier zusammen – es war mir ein persönliches Anliegen, diesen Kongress in meiner ersten Amtszeit anzubieten. Die Resonanz war riesig, die Ergebnisse sind Ansporn, weiter am Ball zu bleiben“, erklärte BFV-Präsident Christoph Kern.

BFV-Präsident Christoph Kern
Philipp Schmatloch/BFV

Vereine als Orte gesellschaftlicher Begegnung

Der Amateurfußball ist weit mehr als nur Sport – er ist ein sozialer Raum, in dem Menschen unterschiedlichster Herkunft, Religionen und Kulturen zusammenkommen. Für Menschen mit Migrationsgeschichte sind Fußballvereine oft der erste Ort echter gesellschaftlicher Begegnung: Hier wird nebenbei die deutsche Sprache gelernt, Freundschaften entstehen, Zugehörigkeit wächst – manchmal sogar schneller als anderswo. Dass Integration im bayerischen Fußball längst gelebt wird, zeigen die Zahlen: Die über 104.000 in Bayern kickenden Spielerinnen und Spieler kommen aus 179 Nationen, in fast neun von zehn Fußballvereinen sind Menschen mit Migrationshintergrund aktiv.

Doch Integration passiert nicht von selbst – sie braucht Strukturen, Austausch und das gemeinsame Bemühen um Verständnis. Auch das ist ein Ergebnis der Zusammenkunft in Herzogenaurach, für die die Plätze binnen kürzester Zeit restlos vergeben waren.

Ob Impulsvorträge, Podiumsdiskussionen oder Workshops: Ziel war es, voneinander zu lernen – und die Integration im Verein aktiv und nachhaltig zu gestalten – damit aus zwei Seiten und Perspektiven eine gemeinsame und bereicherte Perspektive wird.

„Wir müssen für das Thema Integration werben. Integration wird auf Dauer nur funktionieren, wenn sie die Menschen in unserem Land selbst leben. Diejenigen, die hier zuhause sind – und diejenigen, die neu hierherkommen. Wir können mit gezielten Programmen und Förderungen von staatlicher Seite unterstützen, aber wir können Integration nicht verordnen. Wir müssen erreichen, dass alle in unserer Gesellschaft Integration für selbstverständlich halten. Und wenn wir das bewusst als eine Aufgabe aller Menschen in diesem Land begreifen, dann werden wir auch erfolgreich sein“, erklärte Joachim Herrmann, Bayerischer Staatsminister des Innern, für Sport und Integration in einer Talkrunde mit DFB-Präsident Bernd Neuendorf und Prof. Dr. Vural Ünlü (Türkische Gemeinde in Bayern).

BFV-Integrationskongress in Herzogenaurach, Talkrunde (von links): BFV-Moderator Fabian Frühwirth, Prof. Dr. Vural Ünlü (Vorsitzender der Türkischen Gemeinde Bayern), Bernd Neuendorf (Präsident des Deutschen Fußball-Bundes) und Joachim Herrmann (Bayerischer Staatsminister des Innern, für Sport und Integration).
Philipp Schmatloch/BFV

Integration im Vereinsalltag – eine Bestandsaufnahme

Bereits im Vorfeld des Kongresses hatte der BFV gemeinsam mit seinem Partner SLC Management eine umfassende und repräsentative Befragung unter 1274 Vereinsmitarbeitenden aus ganz Bayern durchgeführt. Ziel war es, ein möglichst genaues Bild davon zu bekommen, wie Integration im bayerischen Amateurfußball heute gelebt wird: Welche Rolle spielt sie im Vereinsalltag? Welche Maßnahmen gibt es bereits? Wo liegen Herausforderungen – und wie wirkt sich all das auf die Gesellschaft vor Ort aus?

Das Ergebnis ist eindeutig: 93 Prozent der Befragten sehen Fußballvereine als wichtige gesellschaftliche Akteure, wenn es um Integration geht – insbesondere beim Abbau von Sprachbarrieren, beim Fördern von Zusammenhalt, multikulturellem Miteinander und beim Zugang zu lokalen Netzwerken. Die größten Hürden dabei: Sprachprobleme (82,3 Prozent), kulturelle Unterschiede (67,6 Prozent) und Vorurteile (58,6 Prozent).

adidas-CEO Bjørn Gulden
Philipp Schmatloch/BFV

Best Practices als Hilfe zur Selbsthilfe

Zentrales Kongress-Element waren daher praxisnahe Formate unter dem Motto „Best Practices als Hilfe zur Selbsthilfe“: In Workshops und Podiumsdiskussionen mit Experten stellten Vereine, die bereits erfolgreiche Integrationsarbeit leisten, ihre Konzepte und Erfahrungen vor. Dabei wurde deutlich, wie Integration im Vereinsalltag gelingen kann – mit Offenheit, klaren Werten wie Respekt und Toleranz, konkreten Ideen zur Einbindung von Menschen mit Migrationshintergrund und dem Bewusstsein, dass es Unterstützungsangebote braucht, um diese Arbeit langfristig wirksam zu gestalten.

Wie vielfältig und thematisch breit aufgestellt der Integrationskongress war, wurde besonders in den Beiträgen von Zubair Ahmad von Roots – Against Racism in Sports sowie von Karl Straub, dem Integrationsbeauftragten der Bayerischen Staatsregierung, deutlich. Während Ahmad aus zivilgesellschaftlicher Perspektive eindrucksvoll aufzeigte, wie wichtig eine klare Haltung gegen Diskriminierung und Rassismus im Sport ist und welche Rolle Vereine als Orte des gesellschaftlichen Zusammenhalts spielen, betonte Straub die Bedeutung politischer Unterstützung und nachhaltiger Strukturen für gelingende Integrationsarbeit. Die unterschiedlichen Zugänge und Blickwinkel machten spürbar, wie facettenreich das Thema Integration ist – und wie wichtig es ist, es aus verschiedensten Richtungen zu beleuchten, um wirksame und langfristige Lösungen zu entwickeln.

Herzogenauracher Erklärung

In der gemeinsamen Herzogenauracher Erklärung unterstrichen alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Integrationskongresses zum Abschluss, dass Fußball weit mehr ist als nur ein Spiel. Für über 100.000 aktive Spielerinnen und Spieler aus 179 nicht-deutschen Nationen in Bayern ist er ein starkes verbindendes Element – ein Raum, in dem Gemeinschaft entsteht, Teilhabe ermöglicht wird und gegenseitiger Respekt gelebt werden kann. Damit Integration nachhaltig gelingt, braucht es jedoch das Engagement aller: von Ehren- und Hauptamtlichen, von Vereinen und ihren Mitgliedern ebenso wie von Verbänden, Politik und der gesamten Gesellschaft.

Der vom Kongress verabschiedete Fünf-Punkte-Plan beinhaltet:

- eine stabile finanzielle Unterstützung durch die Politik und Bürokratieabbau
- noch mehr Sichtbarkeit und zusätzliche Reichweiten
- eine konsequente Fortsetzung des Ausbaus der BFV-Bildungsangebote
- eine Plattform zur Vernetzung interessierter Vereine und Vereinsvertreter & Vereinsvertreterinnen
- niederschwellige Angebote

Neuer Nachhaltigkeitspreis der BFV-Sozialstiftung

Dass es nicht bei bloßen Worten bleibt, machten BFV-Schatzmeister Jürgen Faltenbacher und BFV-Vizepräsidentin Inge Pirner noch vor Ort in Herzogenaurach deutlich, als sie auf der Bühne einen neuen Nachhaltigkeitspreis vorstellten, den die BFV-Sozialstiftung ab dem kommenden Jahr erstmals vergeben wird. Ausgezeichnet werden sollen dabei Projekte, die sich durch besonderes gesellschaftliches oder umweltbezogenes Engagement auszeichnen – ausdrücklich eingeschlossen sind dabei auch integrative Initiativen.

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FC Mainaustrasse

Integration mit Herz und Haltung

Ein echtes Leuchtturmprojekt im bayerischen Amateurfußball ist der FC Mainaustrasse aus München – ein Verein, der zeigt, wie Integration nicht nur gelingen, sondern auch gelebt werden kann. Gegründet im Jahr 2016 als Fußballprojekt für unbegleitete jugendliche Geflüchtete in einer Unterkunft der Arbeiterwohlfahrt (AWO) München, stand von Anfang an mehr als nur der Sport im Fokus: Es ging darum, jungen Menschen auf der Flucht eine echte Perspektive zu bieten – durch Unterstützung im Alltag, bei Behördengängen, Wohnungssuche, Ausbildung, dem Erlernen der Sprache und somit einem echten Ankommen in einer neuen Heimat.

Der sportliche Erfolg kam dabei fast nebenbei: Aus der einstigen Hobbyfußball-Truppe wurde ein Fußballverein, die Mannschaft in den offiziellen Spielbetrieb eingegliedert und nach zwei Aufstiegen spielt die erste Herrenmannschaft heute in der A-Klasse. Doch was den Verein wirklich auszeichnet, ist sein gesellschaftliches Engagement – und das wird im November 2025 sogar mit dem Julius Hirsch Preis der DFB-Kulturstiftung gewürdigt. Als einer von drei Preisträgern erhält der FC Mainaustrasse 7000 Euro, die gezielt in die Ausbildung von Trainern, ehrenamtlich Engagierten und vereinsinternen Multiplikatoren investiert werden.

„Der FC Mainaustraße ist ein herausragendes Beispiel dafür, wie Vereinsleben Zugehörigkeit und Teilhabe schaffen kann“, betonte DFB-Präsident und Jury-Vorsitzender Bernd Neuendorf. Und genau das macht den Verein zu einem inspirierenden Vorbild – nicht nur für München, sondern für den gesamten Amateurfußball.

Türkspor Rosenheim

Vom Skandalklub zum Vorzeigeverein

Einen beeindruckenden Wandel hat auch Türkspor Rosenheim aus dem Kreis Inn/Salzach hingelegt: Nach dem „Skandalspiel“ gegen den SV Prutting am 2. Juni 2018 – mit Handgreiflichkeiten, sieben Platzverweisen und Spielabbruch – stand der Klub bundesweit negativ im Fokus. Danach war vom Verein kaum mehr als der Name übrig. Doch anstatt aufzugeben, entschloss sich eine neue Generation um Abteilungsleiter Emre Öztürk zum kompletten Neuanfang: mit neuem Vorstand, neuer Mannschaft und dem klaren Ziel, ein positives, wertebasiertes Vereinsbild zu formen. Dabei geht es längst um mehr als Fußball: Mit dem Projekt „Denk-Anstoß – Wer(t) kickt mit“ der externen Experten Tayfun Samli und Lukas Bauser hat sich der Klub auf den Weg gemacht, einen Wertekompass zu entwickeln. Demokratische Strukturen, respektvoller Umgang, klare Rollenverteilung und der aktive Kampf gegen Rassismus stehen im Zentrum.

In Workshops und praxisnahen Einheiten wurden Spieler, Ehrenamtliche und Funktionäre gleichermaßen einbezogen. Heute ist Türkspor ein Verein, der Verantwortung übernimmt – sportlich und gesellschaftlich. Während die Erste Herrenmannschaft in der Kreisklasse um Punkte kämpft und die Zweite in der B-Klasse aktiv ist, wächst zugleich ein starkes Fundament für die Zukunft: auf dem Platz und darüber hinaus.

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Unter dem Motto „FC ist Heimat“ macht auch der 1. FC Knetzgau eindrucksvoll vor, wie Fußball zum Brückenbauer werden kann: für geflüchtete Menschen, für die Vereinsgemeinschaft – und für die Gesellschaft als Ganzes. Was als Reaktion auf dringende Nachwuchssorgen begann, hat sich zu einem Vorzeigeprojekt nachhaltiger Integration entwickelt. Auf der Suche nach neuen Spielern öffnete sich der Verein und fand sie dort, wo andere vielleicht nur Herausforderungen gesehen hätten: bei jungen Männern aus Eritrea, Syrien, Gambia und Tunesien, die in Deutschland Schutz und Perspektive suchten. Der Ansatz war von Anfang an klar: Ein „Triple Win“ schaffen – für die Geflüchteten, die sportlich und menschlich eingebunden werden, für den Verein, der neue, motivierte Spieler gewinnt, und für die Gesellschaft, die durch gelungene Integration zusammenwächst. Beim 1. FC Knetzgau bedeutet Integration nicht nur mitzukicken. Die neuen Mitglieder erhalten praktische Unterstützung im Alltag – bei Behördengängen, der Wohnungssuche oder dem Erlernen der Sprache. Gleichzeitig bringt ihr Engagement frischen Wind ins Vereinsleben, auf und neben dem Platz. Der persönliche Kontakt im Mannschaftsalltag baut Vorurteile ab, schafft Vertrauen und lässt aus Fremden Teamkollegen werden. So zeigt der 1. FC Knetzgau, was möglich ist, wenn ein Verein Haltung zeigt und Verantwortung übernimmt: Fußball wird hier zum Ort der Begegnung, des Respekts – und der gelebten Heimat.

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