Artikel vom 28.08.2023 18:00 Uhr
Der Deutsche Fußball-Bund (DFB)
hat an diesem Montag zum mittlerweile neunten Mal das Lagebild des
Amateurfußballs in Deutschland veröffentlicht. Seit der Saison 2014/15
lässt der DFB auf Grundlage der Schiedsrichter*innen-Angaben im
Elektronischen Spielbericht (ESB) jährlich ermitteln, wie es mit Blick
auf Gewalt und Diskriminierung um die Lage des Amateurfußballs
hierzulande bestellt ist.
Von
Sebastian Baumann
/ PM BFV
Die Zahlen für die Saison 2022/23
bewegen sich dabei grundsätzlich auf dem Niveau der Vorjahre
(Pandemie-Saisons mit eingeschränktem Spielbetrieb ausgenommen). Das
gilt auch für die bayerischen Zahlen.
„Auch wenn die Zahlen weitestgehend stagnieren, so merken wir auch auf
unseren Fußball-Plätzen eine zunehmende Verrohung der Gesellschaft, die
guten Manieren werden zu oft vergessen. Die Zahlen zeigen, dass einige
wenige glauben, sich auf unseren Plätzen danebenbenehmen
zu können. Diese Zahlen zeigen aber auch, dass die ganz große Mehrheit
weiß, was sich gehört. Und diese Mehrheit bitte ich eindringlich darum,
ihre klare Haltung auch dann an Ort und Stelle deutlich zu machen, wenn
einige Unverbesserliche glauben, unseren
Sport mit Gewalt, Diffamierungen und Beleidigungen kaputtmachen zu
können und die Menschen, die ihn betreiben, zu verletzen – das passiert
mit Worten und auch mit körperlicher Gewalt! Wir alle zusammen dürfen
das nicht dulden!“, erklärt BFV-Präsident Christoph
Kern.
Dr. Christoph Kern will keine Gewalt und Diskriminierung dulden.
BFV
476 Fälle von Gewalt und/oder Diskriminierung in Bayern
So wurden in der Saison 2022/23 in Bayern 476 Fälle von Gewalt und/oder
Diskriminierung gemeldet (Gewalt: 315, Diskriminierung: 196). Das
entspricht bei 185.281 mit dem ESB erfassten Spiele (insgesamt 235.526
Spiele, Abdeckung: 79,1 %) einem Anteil von 0,26
Prozent (2021/22: 0,22%). Somit verlaufen 99,74 Prozent (2021/22:
99,78%) der erfassten Spiele störungsfrei. Es kam im Freistaat zu 87
Spielabbrüchen (0,05% aller erfassten Spiele, 2021/22: 0,03%). 52
Spielabbrüche entfielen auf den Herren-Spielbetrieb (60
%), der Rest auf die A- bis F-Juniorenspiele (jeweils 2 bis 8
Spielabbrüche), kein einziger auf den Frauen- und
Juniorinnen-Spielbetrieb. Die Spielabbruchquote in Bayern liegt leicht
unter dem bundesdeutschen Schnitt (0,08%). Ebenso liegt Bayern bei der
Quote
der Störungen unter dem bundesweiten Durchschnitt (0,5 %).
„Aus den seit 2014 immer besser erfassten Daten können verschiedene
Erkenntnisse gewonnen werden. Einerseits, dass Gewalt- und
Diskriminierungsvorfälle die Ausnahme sind, andererseits aber auch schon
allein vor dem Hintergrund des immer noch unfassbaren Todes
des 15-jährigen Berliner Jungen bei einem Spiel in Frankfurt im Mai und
der Tatsache, dass der Lagebericht auch in Bayern 575 Opfer von Gewalt
und/oder Diskriminierung erfasst hat, dass es nichts schönzureden gibt.
Niemand kann sich hinstellen und sagen, dass
so ein tragisches Ereignis wie in Frankfurt nicht auch in Bayern hätte
passieren können, aber alle müssen sagen, dass kein einzelner der 575
jetzt dokumentierten Opfer auf unseren Fußballplätzen geduldet wird. Wir
zeigen mit unserer Null-Toleranz-Politik weiterhin
Härte“, erklärt BFV-Präsident Christoph Kern.
Auch die Tatsache, dass Spieler*innen zwar sowohl bei den Tätern als
auch bei den Opfern den größten Anteil stellen (Täter: 58%, Opfer: 49%),
aber die Unparteiischen nahezu nie Täter (Anteil: 2%), dafür aber in
einem Drittel der Fälle Opfer sind (33%), hat
sich 2022/23 erneut bestätigt und fordert zum Handeln auf. „Das Bild
ist seit Jahren das gleiche. Wenn wir aber auch künftig noch
Schiedsrichter*innen für einen geregelten Spielbetrieb auf dem Platz
haben wollen, muss sich der Umgang miteinander massiv verbessern.
Da ist jeder einzelne gefordert und das muss endlich bei allen
Beteiligten ankommen. Die Zeit, Verantwortung auf andere abzuschieben,
muss vorbei sein“, sagt Verbands-Schiedsrichterobmann Sven Laumer.
Hintergrund:
Eine Gewalthandlung liegt vor, wenn eine beschuldigte Person eine
geschädigte Person körperlich angreift, bspw. durch Schlagen, Bewerfen,
Bespucken oder Treten. Zudem ist auch eine Bedrohung als Gewalthandlung
zu werten. Auch Versuche sind zu melden.
Eine Diskriminierung liegt vor, wenn jemand die Würde einer
anderen Person oder einer Gruppe von Personen verletzt. Dies geschieht
durch eine herabwürdigende Äußerung, Geste oder Handlung, in Bezug auf
Herkunft, Hautfarbe, Sprache, Religion, Behinderung,
Alter, geschlechtliche oder sexuelle Identität. Auch eine sonstige
Schlechterbehandlung aufgrund eines dieser Merkmale stellt eine
Diskriminierung dar.
Einzelne Landesverbände haben begonnen, die Zahlen auch qualitativ zu
gewichten. So kam es in der Hinrunde in Württemberg zu neun
Gewaltvorfällen, darunter aber auch Vorgänge wie ein etwaig leichtes
Schubsen und Stoßen. Oft ist die Vorstellung, was einen Gewaltvorfall
ausmacht, schlimmer als es die Wirklichkeit hergibt. Für eine
Steigerung der Datenqualität des Lagebilds wäre ein Abgleich mit
Sportgerichtsentscheidungen wünschenswert. Die Voraussetzungen dafür
sollen in den kommenden Jahren geschaffen werden und sind ein
zentrales Anliegen der AG Gewaltprävention, die unter Leitung von
DFB-Vizepräsiden Ronny Zimmermann regelmäßig zusammenkommt.